Freitag, 7. Dezember 2018

Sandro Magister zur päpstlich angeordneten Neuübersetzung des Vater-unser.

Anhand  der zumindest für Italien erzwungenen Neuübersetzung der Vater-unser-Bitte "und führe uns nicht in Versuchung" kommentiert Sandro Magister bei Settimo Cielo  den Regierungsstil des amtierenden Pontifex, den er ohne Umschweife als den eines absoluten Monarchen definiert und berichtet über die Vorgeschichte der jetzt getroffenen Entscheidung.
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"FRANZISKUS, DER ABSOLUTE MONARCH. DER HINTERGRUND DES NEUEN ITALIENISCHEN VATER-UNSER"

Das gegenüber den US-amerikanischen Bischöfen am 12. November verhängte Verbot, über zwei sehr strenge Maßnahmen abzustimmen, die sie gegen von Klerikern begangenen sexuellen Mißbrauch verhängen wollten, ist in letzter Zeit nicht der einzige eklatante Fall, in dem Papst Franziskus in die Entscheidungen einer Bischofskonferenz eingreift. 

Während der selben Tage setzte Franziskus auch bei den italienischen Bischöfen, die sich zu ihrer Vollversammlung versammelt hatten seinen Willen durchsetzte, indem er anordnete, für das Vater-unser in der Messe die Bitte "führe uns nicht in Versuchung" zu ersetzen, weil das seiner Meinung nach keine gute Übersetzung des Evangelien-Textes ist.

Die Versammlung fand hinter verschlossenen Türen statt und am Ende der Arbeiten wurde nur das Ergebnis der Diskussion - der Wechsel zur Neuformulierung "verlasse uns nicht in der Versuchung" veröffentlicht.

Aber wie sind wir dahin gekommen? So hat Settimo Cielo die Entstehung dieser Entscheidung rekonstruiert. 

Als die Frage am Nachmittag des Mittwochs, 14. November in der Halle zur Diskussion gestellt wurde, haben einige Bischöfe die Stimme zur Verteidigung der traditionellen Version erhoben und verlangt, sie am Leben zu lassen und wenn überhaupt- sie den Gläubigen besser zu erklären, anstatt sie zu verändern.




Und tatsächlich sind die Worte "und führe uns nicht in Versuchung" - der in England und den USA gebräuchlichen Version "and lead us not into temptation" die exakte Wiedergabe der lateinischen Überetzung, die im liturgischen Gebet in Gebrauch ist: "et ne nos inducas in tentationem", was wiederum dem griechischen Original genau und getreu entspricht: "kai me eisenkes emis eis peirasman."
Aber diese Stimmen wurden von der Moderatorenbank schnell zum Schweigen gebracht. Den  Bischöfen wurde mitgeteilt, daß das "non ci indurre " auf jeden Fall ersetzt werden würde, und daß ihnen nur erlaubt sei über die Auswahl der neuen Übersetzung zu diskutieren und abzustimmen. 

Das, weil es so entschieden wurde. Und alle in der Halle dachten an Papst Franziskus. 

Als neue Formulierung hat die Führung der Bischofskonferenz diejenige vorgeschlagen, die bereits in der vom Hl. Stuhl 2006 approbierten Italienischen Version der Bibel enthalten ist und in der Folge in das nationale liturgische Lektionar eingebracht wurde: "e non abbandonarci alla tentazione." (und verlasse uns nicht in der Versuchung

Es wurde allerdings erlaubt,  neue alternative Formulierungen vorzuschlagen und sie zur Abstimmung zu stellen, wenn man sich der Unterstützung von mindestens 30 Bischöfen sicher war.  

Der Erzbischof von Chieti und Vasto, Bruno Forte - dem Papst bekannterweise sehr nahe stehend- konnte genügend Unterschriften sammeln und schlug als Alternative diese andere Übersetzung vor: "und bewahre uns davor in Versuchung zu fallen"

Um diesen Vorschlag zu unterstützen behauptete Forte, daß diese Version sowohl "die von Kardinal Carlo Maria Martini, einem großen Bibelspezialisten, bevorzugte gewesen sei als auch eine den liturgischen Versionen des Vater-unser in anderen romanischen Sprachen nahestehend, die von den Bischofskonferenzen Spaniens und Frankreichs ("ne nous laisse pas entrer en tentantion") approbiert wurde.

Aber gegen Forte stand Kardinal Giuseppe Betori, Erzbischof von Florenz auf, der als Biblizist und Generalsekretär der CEI ein aktiver Befürworter der Vater-unser-Version gewesen war, die in die neue offizielle Bibelübersetzung und das Lektionar der Messe einging.

Betori warf ein, daß Fortes Bezugnahme auf Martini unpassend sei, weil sogar dieser berühmte Kardinal - wie ein anderer gelehrter Kardinal, der verstorbene Giacomo Biffi, den er jetzt auch als Zeugen zitierte, das "verlasse uns nicht" als gleichwertig betrachtet habe.

Darauf erwiderte Forte, daß er das Thema mit Papst Franziskus diskutiert habe, der sagte, er stimme dem "mach´, daß wir nicht in Versuchung fallen" zu.

Bewegung in der Halle, eine schnelle Reaktion von Kardinal Gualtiero Bassetti und ein schnelles Hin-und-her zwischen den beiden.

Dann kam die Abstimmung, die eine genau in der Mitte gespaltene Versammlung mit je 94 Stimmen für beide Vorschläge offenbarte.

Laut den Statuten braucht eine Änderung eine Stimmenmehrheit, um akzeptiert zu werden, andernfalls- auch bei Stimmengleichstand- geht sie nicht durch.

Am Ende lag das "verlasse uns nicht" vorn, aber nur mit einer einzigen Stimme.

Für die Akten: die neue Version des Vater-unser wurde für das Lektionar für 2002 approbiert. Betori. der zu dieser Zeit Generalsekretär der CEI war, sagte "die mögliche Adaptation dieser Übersetzung für den liturgischen Ritus und das individuelle Gebet, wird zeitgleich mit der Übersetzung der dritten Ausgabe des Missale Romanum stattfinden. Aber die jetzt getroffene Entscheidung legt in gewisser Weise die künftige Entscheidung fest, weil ein Nebeneinanderbestehen von zwei Versioen schwer vorstellbar ist."

Heute ist die damals ausgeführte neue Formulierung nicht länger nur eine Möglichkeit sondern Realität geworden.

Und das konnte nicht anders sein, wenn man sieht, wie Papst Franziskus der Generalversammlung der CEI die Ersetzung der traditionellen Version aufgezwungen und sogar die Bischöfe, die sie verteidigen wollten, blockiert hat.

Inzwischen hat der Papst am Mittwoch, dem 5. Dezember bei den Generalaudienzen einen Katechese-Zyklus zum Vater-unser begonnen. Es wird interessant sein, ihm zuzuhören, wenn er zu der Bitte kommt, die er neu übersetzt haben wollte.

Quelle: Settimo Cielo, S. Magister 


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