Dienstag, 26. März 2019

Zwei Urteile - zweierlei Maß im Vatican?

Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo die unterschiedliche Reaktion des Pontifex auf die Gerichtsurteile gegen die Kardinäle Pell und Barbarin.
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"BEI PELL UND BARBARIN MISST DER PAPST MIT ZWEIERLEI MASS"

"Die Schuldsprüche weltlicher Gerichte gegen die Kardinäle George Pell und Philippe Barbarin haben in den Spitzenrängen der Kirchenhierarchie unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.
Die wiederum haben innerhalb und außerhalb der Kirche weitere Reaktionen- der Zustimmung oder Ablehnung hervorgerufen, Ein Zeichen dafür, daß dieses Konfliktgebiet weit davon entfernt ist, befriedet zu sein.

Außerdem hat Franziskus Samstag, 23. März diem Rücktritt des 77-jährigen Kardinals Ricardo Ezzati Andrelio als  Erzbischof von Santiago, Chile akzeptiert.
Ein Rücktritt, der formal von der Erreichung des kanonischen Alters gedeckt ist, aber auch erst einige Stunden wirksam wurde, nachdem der Kardinal vorgeladen wurde, in Santiago vor Gericht zu erscheinen-wegen des Vorwurfs der Vertuschung von sexuellem Mißbrauch.
Auch hier wird man sehen müssen, welche weiteren Entscheidungen der Papst treffen wird.
Und mit welchen Auswirkungen.

Im Fall von dem in Australien zu einer 6-jährigen Gefängnisstrafe verurteilten Kardinals Pell, hat der Hl. Stuhl bekannt gegeben, daß er plant, einen kanonischen Prozess gegen ihn bei der Glaubenskongregation zu eröffnen.

Weder Zeitrahmen noch Modalitäten dieses Prozesses sind bekannt, auf alle Fälle wurde festgestellt, daß sie in Rom das Resultat des vom Kardinal beantragten Revisionsverfahrens abwarten wollen.
Trotzdem hat der Hl. Stuhl die zwei Maßnahmen bekannt gegeben, die er gegen Pell bei seiner Rückkehr nach Australien ergriffen hat: das Verbot, öffentlich sein Amt auszuüben und das Verbot jeglichen Kontakts zu Minderjährigen."

Maßnahmen, die jetzt beide unverständlich sind, wo der Kardinal sich in einer Isolationszelle befindet-ohne jede Möglichkeit die Messe zu feiern. Aber für die "Null-Toleranz"-Protagonisten perfekt akzeptabel, die immer angewendet und präventiv gegen jene angewendet werden sollte, die- wie im Vatican-Statement im Hinblick auf Pell gesagt wird- "die ihre Unschuld beteuern ind das Recht haben, sich selbst zu verteidigen."





Aber im Fall von Kardinal Barbarin - hinsichtlich einer Bewährungsstrafe von 6 Monaten Haft in Frankreich, der ebenfalls auf ein Revisionsverfahren wartet, hat der Hl. Stuhl keinerlei kanonischen Prozess angekündigt. Ebenso wenig hat er gegen ihn ähnliche Maßnahmen ergriffen wie gegen Pell.

Nicht nur das. Papst Franziskus hat das Rücktrittsgesuch als Erzbischof von Lyon abgelehnt, das der Kardinal ihm bei einer Audienz am 19. März überreichte.

Wie rechtfertigt Papst Franziskus sein Verhalten? Barbarin selber hat  in einem Interview mit dem  französischen Katholischen Fernsehsender KTO die Worte des Papstes wiedergegeben.

"Der Papst sagte mir, wenn es im Revisionsverfahren ein Urteil gibt, gibt es die Unschuldsvermutung. Wenn ich Ihren Rücktritt annehme, bedeutet das, daß ich Ihre Schuld anerkenne. Das kann ich nicht tun."

Nach seiner Rückkehr nach Lyon bestätigte Barbarin seinen Rückzug aus der Leitung der Diözese, die provisorisch dem Generalvikar anvertraut wurde. Aber er betonte., daß das seine eigene persönliche Entscheidung sei, für die der Papst ausdrücklich sein "Verständnis" ausgedrückt und hinzugefügt habe, daß " es nicht an Rom sei, sich in diese Art Dinge einzumischen.".

Wie man also feststellen kann- hat Papst Franziskus sich anders als bei Pell im Fall Kardinal Barbarins sich  nicht von den Kriterien der Null-Toleranz" sondern von jenen Prinzipien eines ordnungemäßen Prozesses, die er selbst beim Gipfeltreffen im Vatican vom 21.-24. Februar in den 21 Punkten zur Überlegung -die unter den Teilnehmern verteilt wurde- bekannt gemacht hat - zuerst das natürliche und kanonische Prinzip der Unschuldsvermutung bis der Beklagte für schuldig befunden wird,."

Es ist also keine Überraschung die indignierten Reaktionen der Null-Toleranz-Protagonisten auf dieses Verhalten des Papstes zu sehen. Ebenso wie die Verteidigung seiner Aktionen von der "Ordnunggemäßer Prozess-Seite".

Unter den vielen Stimmen des einen und des anderen Lagers sind zwei beispielhaft, die von zwei nicht-katholischen Gelehrten in den Spalten der französischen Katholischen Zeitung "La Croix" zum Ausdruck kommen.

Der erste ist Dominique Wolton, Autor des höchstz erfolgreichen buchlangen Interviews  mit dem Papst, der von ihm als Mitglied seiner Entourage für die Panama-Reise im vergangenen Januar ausgewählt wurde.

Wolton verteidigt den vom Papst im Barbarin-Fall angenommenen "ordnungsgemäßen Prozess" aber als Kommunikations-Theoretiker, der er ist- kritisiert er die Naivität seiner Kommunikation, weil Franziskus sich zurückhält und jede Entscheidung ablehnt, sich ohne Verteidigung dem "Wahnsinn" derjenigen aussetzt, die wollen, daß die Prozesse sofort und in der Öffentlichkeit statt im Gericht und gemäß der Zeitpläne der Justiz durchgeführt werden.

Wolton schreibt:
"ich glaube nicht, daß die langsame Reaktion von Papst Franziskus Beweis für Böswilligkeit ist,. Daß er sich weigert, etwas gerade heraus zu sagen, bedeutet nicht, daß er "etwas verbirgt".  Er weigert sich ganz einfach, in die Logik der Unmittelbarkeit einzutreteten, die heute die Öffentliche Meinung beherrscht. Dieser Druck der Medien, der auf der falschen demokratischen Perspektive der sozialen Medien beruht, ist unmöglich geworden. Nur weil Milllionen Menschen die Meinung äußern, daß Kardinal Barbarin ein Schurke ist, bedeutet das nicht, daß er einer ist! Die Kirche wird jetzt aufgefordert, sofort ein moralisches Urteil zu fällen. Angesichts des generalisierten Verdachts der Unglaubwürdigkeit kann die Kirche sich selbst nicht mehr verständlich machen und die Erklärung des Papstes scheint wie ein Rückzug im Hinblick auf seine Position dem Klerikalismus ein Ende zu machen."

Aber entscheidend kritischer - ebenfalls auf den Seien von "La Croix" äußert sich die Religionssoziologin Danièle Hervieux-Léger von der Hochschule für Soziale Wissenschaften  und Autorin eines 2003 erschienenen Buches, das Aufsehen erregte "Katholizismus, das Ende einer Welt", in dem sieeine "Exkulturation" feststellt- was den Ausschluss des Katholizismus aus der heutigen Kultur bedeutet.

Über Barbarin sagt Herveux-Léger: es war vielleicht legitim als Bürger Revision einzulegen, aber nicht als Bischof." Als Bischof mußte er das Urteil annehmen und der Papst mußte seinen Rücktritt annehmen. Statt dessen hat Barbarin den Papst getäuscht, der heute nicht länger an der Null-Toleranz festhalten zu wollen scheint, die er fördern will. Dieser Zustand der Verwirrung idt schrecklich, weil es in der Öffentlichen Meinung den katastrophalen Eindruck einer Institution hinterläßt, die sich selbst schützt und ihre Versprechen nicht hält. Die Kirche ist nur noch ein Ärgernis. Das scheint mir irreparabel. Die Kirche hat definitiv ihr Vertrauenskapital verloren und das ist besonders furchtbar für die Priester, die älter sind als 75 , die alles auf diese Institution gesetzt haben, deren Welt kollabiert, Die einzig mögliche Sache heute-aber der Papst wird das nicht tun- wäre das Priesterliche Amt vollständig neu zu definieren. Nicht nur durch die Weihe verheirateter Männer - etwas, das eines Tages sicher kommen wird- sondern vor allem durch das Überdenken der Rolle der Frauen in der Kirche. Weil das die kapitale Frage ist. Der Klerikalismus, dem alle gegenwärtigen Tendenzen zugeschrieben werden- hat seine Wurzeln in ihrem Assschluss."

Es sit merkwürdig, daß sowohl Wolton als auch Hervieux-Léger ihre Tiraden damit beschließen alles dem "Klerikalismus" zuzuschreiben- der fixen Idee von Papst Franziskus.

Quelle:Settimo Cielo, S. Magister 

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