Mittwoch, 25. März 2020

Das Zusammentreffen der Coronaviruskrise mit einem Wendepunkt der Geschichte

S, Magister hat bei Settimo Cielo auch die Antwort von Prof. Roberto Pertici auf den Text von Pietro De Marco über die Bedeutung der Coronaviruskrise veröffentlicht. LESEN!

Hier geht´s zum Original: klicken

"ÜBER DAS CORONAVIRUS HINAUS IST DIESES EIN WENDEPUNKT DER GESCHICHTE. DER DIE KIRCHE  MITZIEHT."
"Der mitreißende Beitrag von Pietro De Marco im vorherigen Beitrag wurde umgehend von Roberto Pertici, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Bergamo und Spezialist für die Beziehungen zwischen Kirche und Staat, beantwortet.

Lieber Magister,
Pietro De Marcos Texte haben mich immer erleuchtet. Dieses mal ist er sogar noch klarer als üblich, Aber -ich muß mich das selbst seit Jahren fragen- wir haben immer noch nicht verstanden,
1. wie die Kirche in diese Lage kam, die er beschreibt
2. ob und wie es möglich ist, auf diesem Weg umzukehren

Ich halte es nicht für nützlich, alles mit einer "Unterwerfung der Doktrin" zu erklären, wie es die Traditionalisten tun, die den Modernismus, das II. Vaticanische Konzil etc. beschuldigen und wozu -wie mir scheint- De Marco zu sehr neigt.

Ich bin zunehmend davon überzeugt, daß die Kirche- natürlich nicht -von dieser Welt ist, aber in der Welt lebt und deshalb ihr Leben mehr als üblicherweise zugegeben wird, durch allgemeine Prozesse der gegenwärtigen Gesellschaft betroffen ist (wie ich in einem speziellen Fall über den Patriotismus der italienischen Priester geschrieben habe). Kurzum es ist nötig, diese mehr allgemeinen Prozesse im Hinblick auf die kirchlichen Ereignisse, während denen sie stattfinden, zu betrachten.

Was passierte also in der westlichen Gesellschaft "in primis"  -aber nicht nur - nach 1945?
Was hat diesen Kontext des sehr schnellen Wandels in der Kultur der Hierarchien, der sozialen Basis der Pfarrgemeinden, bei der Leerung der Seminare, der Änderung der Sexualmoral, der Beziehung zwischen den Menschen beeinflußt- in der Krise des Autoritätsprinzips und dem Ende der Transzendenz?

Zu diesen Aspekten hatte die historische Kultur (aber nicht nur) etwas zu sagen, man nehme nur ein Buch wie "Das Zeitalter der Extreme" von Eric Hobsbawn und lese die Seiten über das "Goldene Zeitalter" und seine sozialen und kulturellen Wirkungen, um sich bewußt zu werden, daß es kein Zufall ist, daß der englische Historiker ohne jede Selbstgefälligkeit - sogar mit einiger Sorge- er ist Marxist und Kommunist- betont. daß die ersten "Opfer" dieser immensen  Transformation die familiären und kirchlichen (nicht nur die katholischen) Institutionen sein werden.





Der Übergang -auf der Ebene einer weitverbreiteten Mentalität und eines allgemeinen Gefühls sowie in der Hochkultur- von einer vorgegebenen ganzheitlichen hierarchischen Wahrnehmung der Welt zu einer individualistisch-elitären- ein Übergang , der seinen Prolog in den Jahren 1945-1960 hatte und später in Gänze durchgesetzt wurde, hat für die Katholische Kirche unvermeidlich enorme Probleme geschaffen, deren Ekklesiologie vom Apostel Paulus bis zu "Mystici Corporis" auf der vorherigen Vision beruhte. Kurz -wie Seneca sagte " ducunt volentem fata, nolentum trahunt" - das Schicksal leitet jene, die geleitet werden wollen und schleift jene mit, die das nicht wollen, sogar die Kirche!

Aus diesem Grund wird die Umkehr des Trends nicht nur innerhalb der Kirche stattfinden können (und nebenbei- mit welchen Ressourcen, wenn die Priester jetzt so argumentieren, wie es De Marco so gut beschreibt?) sondern nur durch einen globalen Paradigmenwechsel- wie er nach 1945 und zu allen anderen Zeiten in der Geschichte passierte.

Die Kirche kann - wenn überhaupt irgendetwas- nur ihren Beitrag zu diesem Paradigmenwechsel leisten. Bei näherem Hinsehen, war das der Plan Benedikts XVI  in seiner Einladung an die Nichtgläubigen so zu leben "veluti si Deus daretur"  als ob es Gott gäbe. um eine Art gemeinsamer Front gegen die Kräfte der "flüssigen Gesellschaft" (um dieses Klischee-Bild zu benutzen) zu errichten.

Aus diesem Grund haben die Theoretiker der "individuellen Revolution" das Lehramt Papst Benedikts XVI als große Gefahr betrachtet und es heftig bekämpft -unterstützt -oder in einigen Fällen wie gesagt werden muß- nicht engagiert gehindert- vom Großteil der Katholischen Hierarchie und Intelligenzia.

Danke und herzliche Grüße"
Roberto Pertici

Quelle: Settimo Cielo, S. magister, R. Pertici 

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