Montag, 22. Februar 2021

Die vaticanische Justizreform- noch eine "Unendliche Geschichte"?

In seiner montäglichen Kolumne in Monday in the Vatican kommentiert A. Gagliarducci noch einmal die vaticanische Justizeform und ihre Auswirkungen sowohl für die Prozessführung im Vatican-Gericht als auch für den Hl. Stuhl. 
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"PAPST FRANZISKUS, DIE JUSTIZ-REFORM UND DER PROZESS-STAU" 

Papst Franziskus jüngste Jutizreform beschließt den Weg der Reform des neuen vaticanischen Justizsystems, der vor einiger Zeit begonnen wurde und 2020 zu einer Reform führte, die Resultat einer ausgedehnten Debatte war. Am Ende konzentrierte sich eine Diskussion auf ein Basis-Thema: den Vatican-Staat zu einem vollwertigen Staat zu machen oder seine ursprüngliche Rolle beizubehalten- gerade "genug Seele zu behalten", die der Hl. Stuhl zum Leben braucht. 

Das war keine kleine Diskussion. Kürzliche juristische Events haben eine gefährlichen Trend zu einer "Vaticanisierung" des Hl. Stuhls gezeigt. Die Richter des Vaticans haben nicht gezögert, sämtliche durch den Kodex vorgesehenen Prozeduren anzuwenden, um Untersuchungen im Vatican durchzuführen und um externe Verhöre nachzusuchen, sogar mit internationalen Haftbefehlen, die dann wegen Informationslücken von den Empfängerstaaten aufgehoben wurden, so wie bei dem Haftbefehl, der zur Verhaftung von Cecilia Marogna führte. 

Wenn das einerseits zeigt, daß der Vatican bei der Verfolgung von Verbrechen unnachgiebig ist, unterminiert es andererseits das System Hl. Stuhl. Weil der Vatican ein Staat bleibt, in dem der Papst alle Macht hat, ein Monarch der von einer Gruppe Gleicher gewählt wird, dann aber auf absolutistische Weise regiert. Die internationale Gemeinschaft akzeptiert die besondere Natur des Staates. Besonders seit der Hl. Stuhl internationale Konventionen unterzeichnete und ratifizierte. Die Tatsache jedochdaß der Vatican-Staat sein Rechtssystem buchstabengetreu anwendet- mit Methoden die Gefahr laufen, gegen die üblichen Menschenrechte jedes anderen Landes zu verstoßen. schafft speziell für die Glaubwürdigkeit des Hl.Stuhls ein ernstes Problem. 

Die letzte Ergänzung zum Rechtssystem beweist, daß der Vatican sich am Ende nicht auf ein System hin bewegt, das das Recht zur Verteidigung betont. Papst Franziskus hat für Verurteilte das Recht auf Milderung des Urteils oder ein anderes Urteil eingeführt. Aber er hat auch die Befähigung erklärt, selbstbewußt vorzugehen und die Befugnisse zu Ermittlungen und dem Fällen von Urteilen einseitig gestärkt. 

Im Reformtext scheint es keine Öffnung zu einer Verfahrensgarantie zum Schutz des Verdächtigen und Angeklagten hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit zu geben. In dieser Reform gibt es keine Erwägung zum Recht auf Verteidigung, Und im ersten Teil wird klar, daß die Richter gestärkt daraus hervorgehen. 

Es ist interessant festzustellen, daß die Justizreform von 2020 unterstrichen hat, daß die Gesetzesänderungen dem neuen Rahmenregelwerk für die Reformen der Finanzen und des Strafrechts und die Anpassung an wichtige internationale Verträge zu verdanken sind. Insgesamt aber ist die Rolle des Richters immer gestärkt worden, die ihm weitreichende Autonomie bei Untersuchungen und Urteilsfindung zugesteht, kombiniert mit der Willkür der Macht des Papstes. 


Es verblüfft auch, daß die Rechte der Verteidigung vernachlässigt werden- nicht aber die der Häftlinge. Sie können jetzt von der sog. "guten Führung"  und Strafnachlässen für Mustergefangene profitieren. Auf diese Weise zielt der Papst darauf ab, die Rechte Gefangener im Vatican denen der Gefangenen in Staaten anzupassen, die diese Recht international anerkennen. 

In diesem motu proprio denkt Papst Franziskus auch an die normalen Richter, die -wenn sie am Ende ihrer Dienstzeit in den Ruhestand gehen, alle Recht behalten, Sozialversicherung und die Garantien für Bürger des Vatican-Staates, 

Kurz gesagt, ein Gesetz, das die Rechte der Richter zu stärken scheint und das genau zu einer Zeit, in der die Richter im Vatican zu viel Macht zu haben scheinen. Die Untersuchungen der Investitionen des Staatssekretariates in eine Luxus-Immobilie in London erzählen von einer harschen Justiz, die die Rechte der Beschuldigten nicht berücksichtigt und die insgesamt auf Anordnung des Papstes agieren. Insgesamt ist das die Grundthese von drei gedruckten Artikeln. die einige der Schlüsselpunkte berühren. 

Es bleibt zu verstehen, ob es für die Vatican-Justiz weitere Reformen geben gibt, oder ob die Stärkung des Staates zum Nachteil des Hl. Stuhles vorgezogen wird. Das ist immerhin keine Frage von Details. 

Der Vatican-Staat mit seiner Unabhängigkeit ist aber kein Staat wie alle anderen. Er dient dazu, dem Hl. Stuhl, der internationalen Präsenz des Vaticans -ein Territorium zu geben, Wenn der Staat den Hl. Stuhl dominiert werden beträchtliche internationale Probleme geschaffen. 

Papst Franziskusn scheint jedoch eine andere Richtung zu verfolgen. Die Souveränität des Hl. Stuhls und des Vatican-Staates sind vor allem Instrumente seines Pontifikates. Der Papst regiert Menschen, keine Institutionen. Dafür gibt es viele Beweise. 

Der Papst zögert nicht, Leute an den Rand zu schieben, wie er es mit Erzbischof Georg Gänswein getan hat- oder andere in den Vatican zu berufen, weil er es so entscheidet. Und er hat kein Problem damit, seine Entscheidungen über sie zu ändern. 

Es gibt viele Fälle: Erzbischof Gustavo Zanchetta wurde aus Argentinien auf eine ad-hoc-Stellung eines Assessors in der Verwaltung der APSA berufen - trotz Mißbrauchsvorwürfen, Untersuchungen und eines laufenden Verfahrens in Argentinien.; oder der neue Privatsekretär Gonzalo Aemilius, den der Papst unter seinen Freunden in Uruguay auswählte und der keinerlei Erfahrungen in vaticanischen Dingen hat: der IOR-Direktor Gianfranco Mammi, den der Papst persönlich in den Vorstand der Vatican-Bank-Aufsichtsrates eingeführt hat. Das fördert derzeit das Narrativ, das ihn als "Eisenmann" gegen Korruption portraitiert- was auch die Folgen für den Hl. Stuhl und seine Investitionen sein mögen. 

Symbolisch ist der Fall von Julio Cesar Caballero Moreno, dem früheren Botschafters Boliviens beim Hl. Stuhl, der -als er einmal aus dem Amt geschieden war- mitten in der Unsicherheit, die in seinem Land dem Rücktritt von Evo Morales folgte, von Papst Franziskus als Mitglied der Päpstlichen Kommission für Latein-Amerika gerufen wurde.

Jetzt kann Caballero  Lopez zu seiner früheren Rolle zurückkehren, einfach nur einem anderen Präsidenten dienen und es gibt das Gerücht, daß er neue Sekretär /Vizepräsident Rodrigo Guerrea sein könnte. Guerra, Sozial-Philosoph, hat eine eindrucksvolle Vita und ist Anhänger von sozialen Visionen, die denen von Papst Franziskus nahe sind.  Er will die Gedanken des Papstes voran bringen und die südamerinakische Botschaft betonen. 

Weil es das ist, was zählt; die Botschaft des Papstes zu unterstreichen und immer bereit zu sein, die Entscheidungen des Papstes zu verteidigen -sogar, wenn man ihnen nicht zustimmt. Es kommt vor allem darauf an, zu zeigen, daß es einen Tempowechsel gibt, daß das Pontifikat brandneu ist. Die Justizreforn geht in diese Richtung. Am Ende stärkt die Justizreform irgendwie auch die Macht des Papstes. "

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

 

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