Dienstag, 20. Juli 2021

R. De Mattei analysiert das motu proprio "Tradtionis custodes"

Rorate Caeli veröffentlicht Kommentar und Analyse von "Traditionis Custodes", die Prof. R de Mattei für "Corrispondenza Romana" geschrieben hat.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"FRANZISKUS HAT EINEN KRIEG AUSGELÖST: DER WIRD MIT DEM VOLLEN TRIUMPH DER TRADITION ENDEN" 

Roberto de Mattei

Die Absicht von Papst Franziskus´ motu proprio Traditionis Custodes vom 16, Juli 2021 ist es, jeden Ausdruck von Treue zur traditionellen Liturgie  zu unterdrücken, aber das Resultat wird sein, daß ein Krieg ausbrechen wird, der unausweichlich mit dem Triumph der Tradition der Kirche enden wird. 

Als Paul VI am 3. April 1969 den Novus Ordo Missae (NOM) promulgierte, war seine Grundidee, daß innerhalb weniger Jahre die traditionelle Messe eine bloße Erinnerung sein würde. Die Begegnung der Kirche mit der modernen Welt, auf die Paul VI im Namen eines "integralen Humanismus" zielte, sah das Verschwinden des gesamten Erbes der Konstantinischen Kirche vor. Und der alte Römische Ritus, den der Hl. Pius V 1570 nach der protestantischen Zerstörung der Liturgie restauriert hatte, schien bestimmt zu sein, zu verschwinden. 

Nie hat sich eine Vorhersage als falscher herausgestellt. Heute fehlt es den Seminaren an Berufungen und die Pfarrgemeinden sind leer, manchmal von Priestern verlassen, die ihre Hochzeit ankündigen und ins Zivilleben zurückkehren. Das Gegenteil dazu sind die Orte, wo die traditionelle Liturgie zelebriert wird und Glaube und Moral aller Zeiten gepredigt werden, überfüllt mit Gläubigen und Brutstätten von Berufungen. Die traditionelle Messe wird in 90 Ländern auf allen Kontinenten regelmäßig gefeiert und die Zahl der Gläubigen, die an ihr teilnimmt, wächst jährlich- und stärkt sowohl die FSSPX als auch die nach 1988 gegründeten Eccelesia Dei-Institute. Das Corona-Virus hat zu diesem Wachstum beigetragen, nachdem viele Gläubige nach der Aufzwingung der Handkommunion von der Desakralisierung abgestoßen, ihre Gemeinden verließen, um die Hl. Eucharistie an Orten zu empfangen, wo es weiterhin die Mundkommunion gab.

Diese Bewegung von Seelen ist als Reaktion aud diese "Abwesenheit der Form" der neuen Liturgie entstanden, über die Martin Mosebach so gut in seinem Essay "Die Häresie der Formlosigkeit" schreibt. Wenn progressive Autoren wie Andrea Riccardi von der Gemeinschaft Sant´ Egidio sich über das soziale Verschwinden der Kirche beklagen ("Die Kirche brennt. Krise und Zukunft des Christentums. Tempi nuovi, 2021) ist einer der Gründe dafür genau die Unfähigkeit der neuen Liturgie, Menschen anzuziehen und die Unfähigkeit, den Sinn des Heiligen und der Transzendenz auszudrücken. Nur in der absoluten Transzendenz wird Gottes große Nähe zum Menschen ausgedrückt, bemerkte Kardinal Ratzinger in seinem Buch, das er vor seiner Wahl zum Papst, in der "!Einführung in den Geist der Liturgie" gewidmet hat (San Paolo, Mailand 2001). Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation hat die Liturgie immer ins Zentrum seines Interesses gestellt, nachdem er Papst geworden war, promulgierte Papst Benedikt XVI am 7. Juli 2007 das motu proprio Summorum Pontificum, mit dem er das "volle Bürgerrecht" des alten Römischen Ritus wiederherstellte (unglücklicherweise als die "außerordentliche Form " definiert), der niemals legal abgeschafft, sondern de facto für 40 Jahre verbannt worden war. 


Summorum Pontificum trug zur Verbreitung traditioneller Messzentren und zur Blüte einer reichen Sammlung hochrangiger Studien über die alte und neue Liturgie bei. Die Bewegung zur Wiederentdeckung der traditionellen Liturgie durch die Jugend wurde von einer so reichhaltigen Literatur begleitet, daß es hier nicht möglich ist, darüber Rechenschaft abzulegen. Unter den jüngsten Werken sollte es genügen, an die Schriften von Abbé Claude Barthe, Histoire du missel tridentin et de ses origines (Via Romana 2016, It. tr. Solfanelli 2018) und La Messe de Vatican II zu erinnern. Dossier historique (Via Romana, 2018); von Michael Fiedrowicz, The Traditional Mass: History, Form, and Theology of the Classical Roman Rite (Angelico Press, 2020) und von Peter Kwasniewski, Noble Beauty, Transcendent Holiness: Why the Modern Age Needs the Mass of Ages (Angelico 2017, It . tr. Glaube und Kultur, 2021) - zu erinnern. Aus dem progressiven Bereich liegen keine gleichwertigen Studien vor.

Auf diese Bewegung der kulturellen und geistlichen Wiedergeburt reagierte Papst Franziskus, indem er die Kongregation für die Glaubenslehre anwies, den Bischöfen einen Fragebogen zur Anwendung des Motu proprio von Benedikt XVI zu schicken. Ds war eine soziologische Umfrage, aber die Schlussfolgerungen, die Franziskus daraus zog, sind ideologisch. Es bedarf keiner Erhebung, um zu sehen, wie die Kirchen, die von den der liturgischen Tradition anhängenden Gläubigen besucht werden, immer voll und die ordentlichen Pfarreien immer mehr entvölkert sind. Aber in dem Brief an die Bischöfe, der das Motu proprio vom 16. Juli begleitet, bekräftigt Papst Franziskus: "Die Antworten offenbaren eine Situation, die mich beschäftigt und traurig macht und mich von der Notwendigkeit überzeugt, einzugreifen. Leider wurde das pastorale Ziel meiner Vorgänger, "alles zu tun, damit alle, die wirklich den Wunsch nach Einheit besaßen, in dieser Einheit bleiben oder sie neu entdecken können", oft ernsthaft missachtet wurde.“ "Ich bin traurig“, fügt Francis hinzu, "daß die instrumentelle Verwendung des Missale Romanum von 1962 oft durch eine Ablehnung nicht nur der liturgischen Reform, sondern auch des Zweiten Vatikanischen Konzils selbst gekennzeichnet ist und mit unbegründeten und nicht haltbaren Behauptungen behauptet, daß es die Tradition und die ´wahre Kirche‘ verrate.“ Deshalb "fasse ich den festen Entschluss, alle Normen, Anweisungen, Genehmigungen und Gebräuche, die dem vorliegenden Motu proprio vorausgehen, aufzuheben.“ 

Papst Franziskus hielt es nicht für angebracht, angesichts der Zerrissenheit der Einheit durch die deutschen Bischöfe einzugreifen, die im Namen des Zweiten Vatikanischen Konzils oft in Ketzerei verfielen, aber er scheint überzeugt zu sein, daß die einzige Bedrohung für die Einheit der Kirche besteht von denen, die Zweifel am II. Vaticanum geäußert haben, wie Zweifel an Amoris Laetitia erhoben wurden, ohne jemals eine Antwort zu erhalten. Daher Artikel 1 des Motu proprio traditionis custodes mit dem Dekret wonach "die liturgischen Bücher, die von den heiligen Päpsten Paul VI. die einzige Ausdrucksform des Römischen Ritus” ist. 

Auf rechtlicher Ebene ist der Widerruf der freien Ausübung der  Zelebrationen des einzelnen Priesters nach den liturgischen Büchern vor der Reform Pauls VI. eindeutig ein unrechtmäßiger Akt. Tatsächlich bekräftigte Summorum Pontificum von Benedikt XVI., daß der traditionelle Ritus nie abgeschafft wurde und daß jeder Priester das volle Recht hat, ihn überall auf der Welt zu feiern. Traditionis custodes interpretiert dieses Recht als Privileg, das als solches vom Obersten Gesetzgeber entzogen wird. Dieser Modus procedendi ist jedoch völlig willkürlich, denn die Rechtmäßigkeit der traditionellen Messe ergibt sich nicht aus einem Privileg, sondern aus der Anerkennung eines subjektiven Rechts des einzelnen Gläubigen, seien es Laien, Kleriker oder Ordensleute. Tatsächlich hat Benedikt XVI nie etwas "gewährt“, sondern nur das Recht anerkannt, das Messbuch von 1962 als "nie aufgehoben“ zu verwenden und es spirituell zu genießen.

Das Prinzip, das Summorum Pontificum anerkennt, ist die Unveränderlichkeit der Bulle Quo primum von St. Pius V. vom 14. Juli 1570. Wie der bedeutende Kanonist Abbé Raymond Dulac (Le droit de la Messe romaine, Courrier de Rome, 2018) festgetellt hat, hat Pius V selbst nichts Neues eingeführt-, sondern stellte eine alte Liturgie wieder her und gewährte jedem Priester das Privileg, sie auf ewig zu feiern. Kein Papst hat das Recht, einen Ritus, der auf die Apostolische Tradition zurückgeht und über die Jahrhunderte geformt wurde, wie die sogenannte Messe von St. Pius V. abzuschaffen, wie der große Liturgist Msgr. Klaus Gamber in dem Band bestätigt, der in der französischen Ausgabe ein Vorwort von Kardinal Ratzinger trägt (La Réforme liturgique en question, Editions Sainte-Madeleine, 1992).

In diesem Sinne kann das Motu proprio Traditionis custodes als eine ernstere Handlung angesehen werden als die Exhortation Amoris Laetitia. Ein Motu proprio hat nicht nur kanonische Anwendungen, die einer postsynodale Exhortatiomahnung fehlt, sondern während Amoris Laetitia denjenigen, die kein Recht dazu haben, Zugang zur Eucharistie zu gewähren scheint, raubt Traditionis Custodes das geistliche Gut der ewigen Messe, denen, die ein Recht auf dieses unveräußerliche Gut haben und es brauchen, um im Glauben zu verharren.

Offensichtlich ist es auch der ideologische Rahmen, die Gruppen von Gläubigen, die der liturgischen Tradition der Kirche verbunden sind, a priori als sektiererisch zu betrachten. Man spricht von ihnen wie von Subversiven, die ohne Beurteilungskriterien unter Beobachtung gestellt werden müssen (vgl. Nr. 1, 5 und 6), ihre Versammlungsfreiheit ist eingeschränkt und dem Bischof ist die Anerkennung anderer verwehrt, und das eigne ordentliches Recht (vgl. Code des Canonischen Rechts, Kan. 321, §2) eingeschränkt. Tatsächlich sind Gläubigegruppen bisher spontan entstanden und wurden zu Vertretern bestimmter Anforderungen bei den legitimen Autoritäten,  aber sie wurden nie "bevollmächtigt“. Die Annahme, eine Genehmigung sei notwendig für die Gründung einer Gruppe; stellt eine ernsthafte Verletzung (vulnus) der Versammlungsfreiheit der Gläubigen dar, die das II.Vatikanische Konzil selbst befürwortet hat, ebenso wie in dieser Hinsicht ein Verstoß gegen das Konzil in der Bestimmung vorliegt, die die Bischöfe zu bloßen Vollstreckern des päpstlichen Willens macht.

Traditionis custodes bestätigt den Prozess der Machtzentralisierung von Papst Franziskus, im Widerspruch zu seinen ständigen Hinweisen auf die "Synodalität“ in der Kirche. Dem Buchstaben nach ist es "ausschließlich“ Sache des Bischofs, die außerordentliche Form in seiner Diözese zu regeln, aber tatsächlich beschränkt das Motu proprio (vgl. Art. 4) den Ermessensspielraum und die Autonomie des Bischofs, wenn es dekretiert, daß seine Befugnis zur Feier einer von einem Diözesanpriester beantragten Messe nicht ausreicht, sondern. daß auf jeden Fall ein Placet vom Apostolischen Stuhl beantragt werden muß. Das bedeutet, daß der Bischof diese Ermächtigung (die nie als Möglichkeit definiert wird und daher vor allem ein Privileg zu sein scheint) nicht autonom erteilen kann, sondern seine Entscheidung noch von den "Vorgesetzten" überprüft werden muß. Wie Pater Raymond de Souza feststellt, sind "permissivere Vorschriften verboten; zu restriktiveren wird ermutigt.“ (https://www.ncregister.com/commentaries/pope-francis-traditionis-custodes).

Das Ziel ist klar: die Präsenz des traditionellen Ritus im Laufe der Zeit zu beseitigen, um den Novus Ordo von Paul VI. als einzigen Ritus der Kirche durchzusetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine geduldige Umerziehung der Widerspenstigen erforderlich. Deshalb werden, wie es im Brief an die Bischöfe heißt, "Hinweise zum Vorgehen in euren Diözesen hauptsächlich von zwei Grundsätzen diktiert: einerseits für das Wohl derer zu sorgen, die in der bisherigen Form der Feier verwurzelt sind (im alten Römischen Ritus - Ed.) und zu gegebener Zeit zu dem von den Heiligen Paul VI. und Johannes Paul II. verkündeten Römischen Ritus (der neue römische Ritus oder Novus Ordo Missae - Ed.) zurückkehren müssen  und andererseits die Errichtung neuer persönlicher Pfarreien zu unterbrechen, die sich mehr an den Wünschen und Bedürfnissenen einzelner Priester als an der tatsächlichen Not des `Heiligen Volkes Gottes‘ orientieren.“

Tim Stanley liegt nicht falsch, wenn er dies im Spectator vom 17. Juli als "gnadenlosen Krieg gegen den Alten Ritus“ bezeichnet. Benedikt XVI. hat mit Summorum Pontificum öffentlich die Existenz einer unveränderlichen lex orandi der Kirche anerkannt, die kein Papst jemals aufheben kann. Franziskus hingegen äußert seine Ablehnung der traditionellen lex orandi und implizit der lex credendi, die der alte Ritus zum Ausdruck bringt. Der Frieden, den Benedikt XVI. mit dem Motu proprio in der Kirche zu sichern versucht hatte, ist beendet, und Joseph Ratzinger ist acht Jahre nach seinem Rücktritt vom Pontifikat dazu verurteilt, Zeuge des Krieges zu werden, den sein Nachfolger entfesselt hat, wie im Epilog einer griechischen Tragödie.

Der Kampf findet am Rande des Abgrunds zum Schisma statt. Papst Franziskus will seine Kritiker dort hinabschleudern und sie dazu drängen, eine, wenn auch nicht prinzipielle, gegen ihn gerichtete ´wahre Kirche“ zu etablieren, aber er selbst riskiert, im Abgrund zu versinken, wenn er darauf besteht, die Konzilskirche der Kirche der Überlieferung gegenüber zu stellen. Das motu proprio traditionis custodes ist ein Schritt in diese Richtung. Wie ist es möglich, die Bosheit und Heuchelei eines Menschen nicht zu bemerken, der beabsichtigt, die Tradition zu zerstören, während er sich selbst "Hüter der Tradition“ nennt? Und wie kann man übersehen, daß dies gerade zu einer Zeit geschieht, in der Häresien und Irrtümer aller Art die Kirche verwüsten?

Wenn Gewalt die unrechtmäßige Anwendung von Macht ist, ist das Motu proprio von Papst Franziskus eine objektiv gewalttätige Handlung, weil sie anmaßend und missbräuchlich ist. Aber es wäre ein Fehler, auf die Illegitimität von Gewalt mit illegitimen Formen des Dissens zu reagieren.

Der einzige legitime Widerstand ist der derjenigen, die das kanonische Recht nicht ignorieren und fest an die Sichtbarkeit der Kirche glauben; von denen, die dem Protestantismus nicht nachgeben und sich nicht anmaßen, Papst gegen den Papst zu werden; von denen, die ihre Sprache mäßigen und die ungeordneten Leidenschaften unterdrücken, die sie zu überstürzten Gesten führen könnten; von denen, die nicht in apokalyptische Fantasien verfallen und im Sturm ein festes Gleichgewicht behalten; schließlich von denen, die alles auf Gebet gründen, in der Überzeugung, daß nur Jesus Christus und niemand sonst seine Kirche retten wird."

Quelle: R.d.Mattei, Rorate Caeli, Corrispondenza Romana

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