Mittwoch, 9. Februar 2022

Müssen die Italiener den Deutschen Verständnishilfe leisten?

Nico Spuntoni kommentiert in La Nuova Bussola Quotidiana den gestern veröffentlichten Brief, in dem der emeritierte Papstes zu Vorwürfen, die im Münchener "Gut"achten mehr oder weniger explizit, wenn auch im Konjunktiv,erhoben werden, Stellung nimmt.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"DAS J´ACCUSE BENEDIKTS XVI: "ICH HABE NICHT GELOGEN"
Der Brief des Papa emeritus Benedikt XVI ist kein mea culpa eines Verantwortlichen, sondern ein hartes  j´accuse gegen die, die ein Versehen seiner Mitarbeiter instrumentalisierten, schließlich an seiner Aufrichtigkeit zweifelten und ihn sogar als Lügner darstellten. Ratzinger stellte fest, daß er, nachdem ich "große Verantwortung in der katholischen Kirche hatte, den größten Schmerz über die Missbräuche und Fehler fühle, die während meiner Amtszeit an den jeweiligen Stellen aufgetreten sind."

Die Zeitungen haben das vorhersehbar als ein mea culpa beschrieben, aber der Brief des Papa emeritus zum Dossier von Westpfahl, Spilker, Wastl ist eher ein j´accuse. Ein Akt der Anklage gegen die, die ein Versehen instrumentalisieren und am Ende seine Aufrichtigkeit bezweifelten und ihn sogar als "Lügner" bezeichneten. Das von Benedikt XVI. erwähnte Versehen stammt von einem der Mitarbeiter, die ihm halfen, die 82-seitige Stellungnahme zu schreiben, die an die Münchner Anwaltskanzlei geschickt und von dieser dem Dossier über die Behandlung von Missbräuchen in der Erzdiözese beigefügt wurden, die er zwischen 1977 und 1982 leitete.

Wie gestern in einer Analyse der vier Autoren der Stellungnahme (Stefan Mückl, Helmuth Pree, Stefan Korta, Carsten Brennecke) festgestellt wurde, wurde wg. eines Übertragungsfehlers des Kirchenrechtlers Stefan Korta fälschlicherweise behauptet, der damalige Erzbischof habe nicht an der Ordinariatssitzung vom 15. Januar 1980 teilgenommen, bei der beschlossen wurde, den bereits für Missbrauch in Essen verantwortlichen Priester Peter Hullermann in München aufzunehmen. Der in der Stellungnahme begangene Fehler wurde von den Verleumdern Benedikts XVI benutzt, um seine gesamte Verteidigungsthese zu delegitimieren.



Tatsächlich war die Anwesenheit des damaligen Kardinals Ratzinger bei diesem Treffen bereits 2010 öffentlich bekannt geworden und La Nuova Bussola Quotidiana hatte dies bereits vor der Veröffentlichung des Berichts in einem Artikel erwähnt. Eine Bananenschale also, über die "  der kleine Freundeskreis“ des emeritierten Papstes gestolpert ist, die aber sicher kein Beweis für die Richtigkeit der Anschuldigungen ist. Wie wir in den beiden dem Fall Hullermann gewidmeten Artikeln erläutert haben, hatte sich der Erzbischof bei diesem belasteten Treffen darauf beschränkt, die Versetzung des Priesters nach München zu akzeptieren, aber keine seelsorgerlichen Aufgaben angeordnet.

Ratzinger wusste jedoch, daß sich der pädophile Priester in psychotherapeutischer Behandlung befand, aber nicht, daß er dort war, weil er eine Minderjährige sexuell missbraucht hatte. In der gestern vom Presseamt ​​des Heiligen Stuhls veröffentlichten Analyse seiner Mitarbeiter wurde tatsächlich daran erinnert, daß die selben Experten der Anwaltskanzlei während der Pressekonferenz zur Präsentation des Berichts zugaben, daß sie keine Beweise dafür hatten, daß der ehemalige Erzbischof es wusste, aber man "nach der subjektiver Meinung" (ein Scherz der Freunde des emeritierten Papstes) annehmen  mußte, daß dieser Umstand lediglich "höchst wahrscheinlich" war.

Der von Korta begangene Fehler wird jedenfalls von Benedikt XVI ("er war nicht absichtlich gewollt und ich hoffe, daß er entschuldbar ist“) gerechtfertigt, der sich in seinem Brief bei der "kleinen Gruppe von Freunden“ bedankt, die die 82 Seiten zur Verteidigung geschrieben haben und daran erinnerte, daß er gleich am Tag der Präsentation des Dossiers vor der Presse durch die von seinem persönlichen Sekretär, Monsignore Georg Gänswein, veröffentlichte Korrektur gesorgt hat. 
Andererseits wurde über die Teilnahme an der Versammlung vom 15. Januar 1980 bereits auch in der neueren Biographie von Peter Seewald berichtet, die sicherlich zuvor vom emeritierten Papst gelesen und genehmigt wurde.

Um zu verstehen, wie es zu einem derartigen Fehler kommen konnte, muß man die Arbeitsweise  der vier Autoren der an die Kanzlei  WSW geschickten Stellungnahme verstehen. Sie selbst haben in der gestern veröffentlichten Analyse berichtet: "Die Sichtung der Dokumente in elekronischer Form- schreibt das Team des Papa emeritus- sei nur Prof. Mückl gestattet gewesen, ohne daß ihm die Möglichkeit gewährt wurde, Dokumente auswendig zu lernen, auszudrucken oder zu fotokopieren." Kein anderer Mitarbeiter durfte die Dokumente einsehen. Nach der Sichtung der digitalisierten Dokumente (8000 Seiten) und ihrer Analyse durch Prof. Mückl folgte eine Phase der Ausarbeitung durch Dr. Korta, der versehentlich einen Transskriptionsfehler beging. 

Als die 82 Seiten einmal auf seinem Schreibtisch angekommen waren, hat Benedikt XVI wegen der begrenzten Zeit, die den Experten vorgegeben war, den Fehler nicht bemerkt und dem vertraut, was geschrieben stand und so wurde seine Abwesenheit notiert." Jene, die den 94-jährigen emeritierten Papst angreifen wollten, haben sich an diesem Versehen festgemacht, aber in diesen Tagen sind auch zahlreiche Ermutigungsschreiben im Kloster Mater Ecclesiae eingetroffen und auch Franziskus wollte, ihm seine Unterstützung und sein Gebet persönlich zukommen lassen. 

Und das "mea culpa“ als Ausdruck des  Confiteors, das bei Benedikt XVI eine allgemeinere Reflexion über die Scham ausgelöst hat, die man gegenüber den Opfern von Misshandlungen durch Priester empfindet, und daß es falsch wäre – wie viele es tun – sich auf den speziellen Fall von Hüllermann zu stürzen, für den er nachdrücklich seine Unschuld erklärt hat. Ratzinger erinnert an seine Begegnungen mit den Opfern bei jeder apostolischen Reise, die er als amtierender Pontifex unternahm, und stellt fest, daß, weil ich "große Verantwortung in der katholischen Kirche hatte (...),  mein Schmerz über die Missbräuche und Fehler die während meiner Amtszeit an den jeweiligen Orten begangen wurden, umso größer ist. 

Aus den Worten des Briefes, insbesondere denen zu den Vorwürfen, ein Lügner zu sein, geht hervor, wie sehr ihn das Dossier und die Medienreaktionen – vor allem in der Heimat – verbittert haben, aber diejenigen, die ihn in letzter Zeit gesehen haben, berichten auf jeden Fall von einem gelassenen Benedikt XVI., standhaft im Glauben, der das Lächeln nicht aufgibt. In ihm gibt es ein starkes Bewusstsein für das, was er am Ende seines Briefes geschrieben hat:

"Sehr bald werde ich mich vor dem letzten Richter meines Lebens wiederfinden. Auch wenn ich auf mein langes Leben zurück schaue, viele Gründe habe, zu erschrecken und Angst zu haben, so ist meine Seele doch fröhlich. weil ich fest darauf vertraue, daß der Herr nichz nur ein gerechter Richter ist sondern auch der Freund und Bruder, der selbst schon unter meinen Insuffizienzen gelitten hat und daher als Richter zugleich mein Fürsprecher (Paraklet) ist. Angesichts der Stunde des Gerichts wird mit die Gnade des Christeins deutlich, Christ zu sein. Das Christsein läßt mich noch mehr die Freundschaft mit dem Richter meines Lebens erkennen und erlaubt mir, die dunkle Pforte des Todes zu durchschreiten. Dabei kommt mir immer wieder in den Sinn, was Johannes am Anfang der Apokalypse erzählt: er sieht den Menschensohn in seiner ganzen Größe und fällt ihm wie tot zu Füßen- Aber Der legt ihm seine rechte Hand auf und sagt: "Fürchte dich nicht! Ich bin es..."

Quelle: N. Spuntoni, LNBQ
 

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