Dienstag, 3. Mai 2022

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen...A. Socci besingt die Schönheit Italiens.

Nachdem sich auch in Italien die Lage nach 2 Jahren Pandemie normalisiert hat und die Touristen in Scharen auf die Halbinsel zurückkehren werden, um ihre Schönheiten zu entdecken, ruft Antonio Socci in einem Artikel im Libero auch die Italiener dazu auf, sich aller dieser Schönheiten bewußt zu werden und sie zu achten und zu bewahren. 
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"DIE GROSSE SCHÖNHEIT KANN ITALIEN WIEDER ERWECKEN; ABER MAN MUSS SIE VERSTEHEN UND LIEBEN..."

Nach zwei Jahren Pandemie, zwei alptraumhaften Jahren; beginnt jetzt das Italien des Tourismus wieder. Für 2022 sprechen Schätzungen von 92 Millionen Einreisen und von 343 Millionen Besuchern (ein Anstieg von 43% bzw. 35% im Vergleich zum Vorjahr)

Wir kehren noch nicht zu  den Zahlen von 2019 zurück gekehrt, aber es ist eine kräftige Erholung. In der Hoffnung, daß die ungestüm wehenden Winde des Krieges diese Blüte nicht einfrieren lassen. 

Mit Beginn des Monats Mai werden Millionen von Menschen auf der Halbinsel ausschwärmen, die nach einer geträumten und unbekannten Schönheit in unserem Land suchen, von der sie schon gehört haben, die sie schon geschmeckt haben und zu deren Geschmack sie zurückkehren wollen.  

Schönheit ist -seit der Antike- das Hauptmerkmal der italienischen Identität.  Schon Marco Terrenzio Varrone (116 -27 v.Chr.) feiert in den ältesten "laudes Italiae", die wir kennen, die "De re rustica" von 37 v. Chr. Italien als den "Garten der Welt". Ihr, die ihr durch verschiedene Länder gewandert seid, habt ihr ein einziges gesehen, das kultivierter ist als Italien? Allein ich glaube nicht, daß es welche gibt."

Sogar unsere Literatur wird in ihren Anfängen diese Eigenschaft der Halbinsel besingen. Italien ist bei Dante das schöne Land, in dem man musiziert, oder die Gärten des Imperiums. Bei Petrarca ist es das schöne Land, der Appenin und das Meer umgibt die Alpe."


In einer mittelalterlichen Enzyklopädie ist Italien die "terra pulcherrima, soli fertilitate pabulique ubertati gratissima", das schöne Land, angenehm wegen seiner Fruchtbarkeit und der Üppigkeit seiner Weiden.

Kurz gesagt, seit Jahrhunderten bedeutet, Italien zu sagen,  natürliche und landschaftliche Schönheit zu sagen. Was in der Tat-vor allem- auf eine glückliche geographische Lage und eine glückliche klimatische Situation zurückzuführen ist, aber die vielen Gaben des Schöpfers wurden mit der außergewöhnlichen Arbeit von Menschen kombiniert, die seit der Antike die Natur mit Arbeit und Einfallsreichtum bereichert haben. 

In der Tat ist es den römischen Bauern zu verdanken, daß viele Pflanzen, die wir heute sehen und kultivieren und die aus anderen Teilen der Welt stammen, von uns eingeführt haben. So ist Italien heute ein Paradies der Artenvielfalt und die ist auch die Grundlage für den Reichtum unserer Speisen und unserer Küche, kein sekundärer Teil der Touristenattraktion. 

Schließlich gibt es nicht nur natürliche Schönheit. Das italienische Kulturerbe hat in der Welt nicht seinesgleichen: mehr als 4000 Museen, 6000 archäologische Stätten, 85000 Kirchen, die unter Denkmalschutz stehen und 40.000 historische Häuser, die erforscht werden. 

Aber hier beginnen auch die schmerzhaften Feststellungen: Vernachlässigung , Chaos, Mißbrauch sind bekannte Geschichten. Leonardo Sciascia schrieb bereits 1969 "Italien ist das Land der Künste, aber die Kunstwerke gehen den Bach hinunter."

Der touristische Zugriff auf dieses Erbe und auf die Kunststätten -auch wenn er auf der einen Seite etwas Positives hat, hat auf der anderen Seite etwas Beunruhigendes, er scheint ein "hit-and-run" Konsum zu sein, der von der Schönheit nichts versteht, und mit der Geschwindigkeit eines Selfies an  die Oberfläche rutscht. Und sie hinterlassen Papier und Dosen. 

Auf der anderen Seite ist Italien ein einzigartiges riesiges Kunstwerk, das von der Natur und von Generationen und Generationen von Italienern, die der große kollektive Künstler waren, gemeinsam geformt wurde. 

Wenn die brillantesten Söhne unseres Volkes -wie Michelangelo- es verstanden, Marmore und Basiliken eine erstaunliche Form zu geben, so gaben unsere Bauern - die ursprünglich von Mönchen des Mittelalters lernten- die ein durch barbarische Invasionen zerstörtes Land bestellten, unserer Landschaft Gestalt, indem sie darin ihr Lebensgefühl zum Ausdruck brachten, die Spiritualität. die sie als Volk lebten. 

Franco Rodano hat in seinen "Briefen aus der Valnerina" verzaubert die Schönheit beschrieben, die er in diesem Tal von mir [Umbrien] und seinen armen Feldern sah, die immer noch liebevoll gepflegt wurden [...] in der klaren Geometrie dieser Bauernhöfe, die ein uraltes Produkt einer sehr langen Geschichte tausendjähriger bäuerlicher Fähigkeiten sind (bewahrt durch die Gegenreformation), nicht nur durch harte Arbeit zu leben, die mit Dornen und Drangsal übersät ist, sondern auchals genaue und geduldige Erforschung des Notwendigen und schönen zugleich. 

Wir Italiener des 21. Jahrhunderts scheinen dieser Geschichte gegenüber fremd zu sein, wir leben in unserer 1000-jährigen Schönheit so abgelenkt, daß es weh tut. 

Wir besitzen - ohne Verdienst- ein ererbtes Patrimonium, aber wir scheinen uns weder des Glücks, das wir haben, noch unserer Verantwortung bewußt zu sein.

Albert Einstein, der mit Italien tief verbunden war (er hat hier jahrelang gelebt und auch ein wichtiger  Teil seine Familie lebte hier lange Zeit) sagte eines Tages: "Wenn ich meinen Wohnsitz in aller Ruhe frei wählen könnte, würde ich gern für den Rest meines Lebens in Italien wohnen."

In einem solchen Land geboren zu sein, ist ein Glücksfall und ein Privileg. Wir sollten uns verpflichtet fühlen, dieses immense Kunstwerk für die gesamte Menschheit zu bewahren, zu verbessern und zu schützen. Schließlich ist italienische Schönheit für alle da. Denn wie Swjatoslaw Richter sagte: "Jeder Mensch auf der Welt hat zwei Heimatländer, sein eigenes und Italien." 

Quelle: Antonio Socci, Il Libero

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