Montag, 16. Januar 2023

Für Papst Franziskus hat die Zukunft seines Pontifikates begonnen.

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A. `Gagliarducci die Situation von Papst Franziskus nach dem Ableben seines Vorgängers. 
Hier geht´s zum Original: klicken

"PAPST FRANZISKUS, WELCHE ART ZUKUNFT HAT GERADE BEGONNEN?" 

"Der Tod Benedikts XVI hat die zweite Phase des Pontifikates von Papst Franziskus eingeleitet. Zum ersten mal seit er Papst ist, muß Franziskus nicht in Gemeinschaft mit dem Papa emeritus leben. 

Benedikt hat immer klar gemacht, daß er nicht länger Papst und nicht länger für irgendwen ein Bezugspunkt war- aus welchem Gesichtspunkt auch immer. Es war jedoch Papst Franziskus selbst, der dem Papa emeritus eine wichtige Rolle in der Kirche gab: er wollte ihn bei den Konsistorien dabei haben und als er für Benedikt XVI schwierig wurde, herumzugehen, wollte er immer, daß die neuen Kardinäle ihn besuchten und begleitete sie; er erwähnte Benedikt oft als ein Beispiel;  besonders beim Thema der Bekämpfung des sexuellen Mißbrauchs besuchte er ihn ständig. 

Und am Ende findet sich Papst Franziskus in dieser neuen Phase selbst ein bißchen mehr allein, weil die Gegenwart Benedikts XVI mit seinem Fürbittegebet ein Bezugspunkt blieb. 

Also beginnt eine neue Ära in diesem Pontifikat, zumindest vom Gesichtspunkt der Wahrnehmung aus. Papst Franziskus hat mit den Jahren persönliche Entscheidungen getroffen, die einen offensichtlichen Bruch mit dem vorangegangenen Pontifikat darstellten. Die jüngste ist die Promulgierung von Traditionis Custodes, die den früheren Beschluss von Benedikt XVI, den Gebrauch des Usus Antiquior  freizugeben, rückgängig macht. 

Dieser Beschluss hat Benedikt XVI verblüfft, zumindest laut dem Bericht seines  Privatsekretärs Erzbischof Georg Gänswein in dem Erinnerungsbuch "Nichts als die Wahrheit" 

Die Abwesenheit Benedikts XVI jedoch leitet eine neue Phase ein. Nicht nur muß sich Papst Franziskus keine Sorgen mehr über die Gegenwart des Papa emeritus machen, sondern es bleiben sogar jene, die  Franziskus´  Meinungen nicht teilen, von der Gegenwart des Papa emeritus unbelastet. 

Tatsächlich hat Benedikt XVI Einheit und Harmonie immer der Dialektik vorgezogen. Bei seinen Entschlüssen hatte er immer versucht, eine Synthese zwischen mehreren Gesichtspunkten zu finden und eine elegante Lösung zu finden, bei der sich niemand ausgeschlossen oder marginalisiert fühlen mußte. Und er hat immer jeden darum gebeten, sogar als er nicht länger Pontifex war.

Die Anwesenheit Benedikts XVI hat so die herausforderndere konservative Front ausbalanciert und es ermöglicht, eine Konfrontation auf offener Bühne und einen direkten Angriff auf den Papst zu vermeiden. Das Zögern gegenüber dem Papst waren nicht nur doktrinaler Arr sondern betrafen vor allem das Regieren. Die Gegenwart Benedikts XVI hat eine Pax ecclesiae garantiert, die Papst Franziskus persönlich half.  


Ohne die Person Benedikts XVI besteht die Gefahr, daß wir uns in offener Feldschlacht wiederfinden. Der Papa emeritus hat gelehrt, daß die Geschichte der Kirche in der Vergangenheit kontinuierlich voranging und uns eingeladen, die Gründe anderer anzuerkennen, ohne sie zu widerlegen. 

Papst Franziskus dagegen ist ein Mann spaltender, starker und manchmal sogar harscher Entschlüsse. Das war immer so.  Das war sogar als junger Provinzial der argentinischen Jesuiten einer seiner charakteristischen Züge.

Der Bruch kann schon präzise mit der Begräbnisfeier Benedikts XVI beginnen. Besorgt darum koste es was es wolle zu zeigen, daß Benedikt nicht länger der amtierende Papst war, war Papst Franziskus kalt, distanziert und geradezu verärgert über die Liebe der Menschen zu seinem Vorgänger. Es gibt weder Foto vom Papst, der vor dem Benedikts XVI Sarg in der Vatican-Basilika betet, noch ging Franziskus zur Beerdigung in die Vaticanischen Grotten hinunter. 

Dieses Benehmen hat nicht jeden indifferent gelassen und hat verschiedene Konsequenzen. Sogar Kurienmitarbeiter sahen in der Art, in der die Begräbnisfeier geleitet wurde ein Unrecht. Und es wird argumentiert, wenn es Papst Franziskus gelingt, sich sogar von der Erinnerung an einen Verstorbenen zu distanzieren, er das mit jedem tun könnte. Deshalb wird jede Ehrerbietung fallen gelassen und jeder Kritik freien Lauf gelassen.

Zum Tode Benedikts XVI wurden zwei Interviews mit Erzbischof Gänswein publiziert und dann war da die Veröffentlichung des Erinnerungsbuches, das zur genau mit dem Ende des Lebens des Papa emeritus zur Veröffentlichung bereit stand.

Einige Äußerungen im Buch und in den Interviews erlangten weltweite Aufmerksamkeit. Gänswein hat mit völliger Offenheit auch kontroverse Aspekte des Pontifikates angesprochen, einschließlich seiner Degradierung / Nichtdegradierung aus seiner Position als Präfekt des Päpstlichen Haushalts.

Wir können lange darüber diskutieren, ob es angemessen war, daß Gänswein sofort diese Interviews gab und dieses Buch veröffentlichte. Andererseits jedoch liefert der persönliche Sekretär des Papa emeritus eine Reihe von Details über Papst Franziskus´ modus operandi, die aufschlussreich sind. Wie die Tatsache, daß Papst Franziskus--als ihm gesagt wurde, daß seine Entscheidungen für einige Menschen demütigend sein können- antwortete "Demütigungen sind gut" oder "diese Demütigung hat mir in meinem Leben gutgetan."

Das untermauert andere Geschichten über die Persönlichkeit des Papstes und suggeriert, daß nur wenige akzeptieren wollen, schlecht behandelt zu werden. Der Papst ist der Papst und keiner stellt das in Frage, aber jetzt besteht nicht länger die Angst beiseite geschoben zu werden.

Auch weil Papst Franziskus fast immer vorläufige Entscheidungen mit "leichten“ Dokumenten getroffen hat, denen man deshalb nur schwer widersprechen konnte. Als es Reformen gab, die eine große Analyse erforderten, wie die Reform der Kurie oder die jüngste Reform des Vikariats von Rom, veröffentlichte Papst Franziskus plötzlich fast überraschend die endgültigen Texte.

Kardinal Pell hatte diese Vorgehensweise des Papstes in einem Memorandum festgehalten, das im vergangenen März an alle Kardinäle verteilt und mit Demos unterzeichnet wurde. Mit dem Tod von Kardinal Pell enthüllte Vaticanist Sandro Magister, daß Demos tatsächlich Kardinal Pell war. Seine Sichtweise wird noch fortgeführt werden.

Auch weil das ein Standpunkt ist, der von den Kardinälen geteilt wird, genügt es zu sagen, daß zwanzig Kardinäle ganz unterschiedlicher Standpunkte- haben laut Gerüchten- Papst Franziskus vor zwei Wochen einen Brief geschickt, um die Ernennung von Bischof Heiner Wilmer zum Präfekten des Dicasteriums für den Glauben zu verhindern. Die Tatsache, daß es diesen Brief gab (oder über ihn berichtet wurde) und Papst Franziskus anscheinend von Kardinal Parolin überbracht wurde, sagt eine Menge über das Klima aus, das bereits Ende des vergangenen Jahres herrschte.

Papst Franziskus wird die Entscheidung selbst treffen wollen und in einigen Fällen wird er anderen die Ehre der "Wahl der Waffen" überlassen. Aber wird wahrscheinlich nicht genügen, Wenn der Papst nicht einige Schritte rückwärts macht, zumindest auf dialektischer Ebene. wird sich eine klarere und lautere Opposition finden.

Diese Opposition könnte ein Symptom für eine vielleicht zu sehr säkularisierte Mentalität sein, die sich der Kirche bemächtigt hat. Eine Mentalität, die Papst Franziskus auf alle Fälle unterstützt und der er zugestimmt hat. Die Zukunft der Kirche wird jetzt davon abhängen, wie gut Papst Franziskus die Pax Ecclesiae in turbulenten Zeiten aufrecht halten kann. Der Tod Benedikts XVI ist nicht hilfreich , weil seine Aufgabe schwieriger wird. Jetzt ist er wirklich der einzig regierende Papst."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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