Montag, 4. Dezember 2023

"Angesichts des aktuellen Pontifikates will kaum noch jemand Papst werden"

In seiner heutigen Kolumne für  Monday at the Vatican kommentiert A. Gagliarducci die aktuelle Entwicklung im Pontifikat von Papst Franziskus im Hinblick auf die Sanktionen gegen Kardinal Burke (wo er nicht ganz auf dem aktuellen Stand ist) und die Auswirkungen auf das nächste Pontigikat
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    "PAPST  FRANZISKUS - DAS ENDE DER PARRHESIA" 

Die Nachricht von möglichen Sanktionen gegen Kardinal Raymond Leo Burke, schuldig  ein "Feind " des Papstes zu sein, muss noch offiziell bestätigt werden, Die Quellen- mehr als eine. einschließlich des päpstlichen Biographen Austen Ivereigh- sagen , daß der Papst sie ihnen selbst angekündigt hat, beginnend mit dem Gehalt (aber wohl eher des sog. piatto cardinalizio  weil Burke im Vatican keine Position bekleidet und seit einiger Zeit kein wirkliches Amt mehr inne hat und auch die Kündigung der  mietfreien Vatican-Wohnung, in der  er wohnte-es sei denn, der Kardinal würde die ortsübliche Miete bezahlen.

Wie berichtet wird, sagte der Papst das am 20. November, am Ende des regulären Treffens der Leiter der Vaticanischen Dicasterien .Wenn die Dinge einfach nur mit dem neuen Status des Kardinals (er ist am 28. Juni 75 geworden, und wird als im Ruhestand  befindlich und nicht länger als aktiv betrachtet), würden die Maßnahmen keine Bestrafung sein, sondern eine Anpassung an den neuen Stand des Kardinals. Die Tatsache jedoch, daß der Papst darüber öffentlich sprechen und sie sogar wie eine Strafe erscheinen lassen wollte-macht den ganzen Unterschied.

Wenn der anfängliche Bericht bestätigt würde, läge es in der Natur eines Urteils des Rauswurfs und einer exemplarischen Bestrafung eines Kardinals, der immer versucht hat, Themen des Glaubens und der Lehre zurück ins Zentrum zu bringen, ohne je die Treue zum Papst zu verleugnen. 

Das Problem ist nicht, ob diese Nachricht richtig ist, sondern die Tatsache, daß jeder die Gerüchte von Anfang an für plausibel hielt.

Das sagt eine Menge darüber aus, wie das Pontifikat von Franziskus wahrgenommen wird. Dialog, Transparenz und Parrhesia - freie Rede-sind die Schlagworte und wären die Merkmale dieses Pontifikates,  Kardinäle außerhalb des Rechtsrahmens zu bestrafen, einfach nur weil sie ihre Meinung aussprechen, passt nicht dazu. 


Sogar  wenn  Papst Franziskus das Recht handhabt, will er Hand an die Waage der Justiz legen.  Denken Sie an den Prozess, den Papst Franziskus gegen Kardinal Angelo Becciu und andere Angeklagte angeordnet hat. 

Der Papst hat Kardinal Becciu aufgefordert, zurückzutreten und auf die Kardinals-Privilegien  zu verzichten, weil er sich nach Ansicht des Papstes-als nicht vertrauenswürdig erwiesen hatte. Die Entscheidung des Papstes wurde in einem scharf  formulierten Statement schon kommuniziert, bevor Becciu nach dem Gespräch mit dem Papst auch nur die Schwelle seines Hauses überschritten hatte.

Es gab keinen kanonischen Prozess und der Papst hat formal keine Bestrafung angeordnet. Er  hat den Kardinal gebeten zu gehorchen und zurückzutreten. Jetzt erwartet Becciu das Urteil eines Strafgerichtshofes des Vatican-Staates. 

Etwas ähnliches ist mit Erzbischof Georg Gänswein, dem früheren Sekretär Papst Benedikts XVI passiert. Der Papst hat Gänswein aufgefordert, Rom zu verlassen und in seine Diözese Freiburg zurückzukehren.   Es gibt nur zwei Fälle, in denen der Papst einen Erzbischof auffordern kann, an einem spezifischen Ort zu leben: wenn dieser  Erzbischof ein Amt hat oder wenn  es eine kanonische Bestrafung gibt. Im Fall von Gänswein hat der Papst eine Strafe ohne kanonisches Verfahren verhängt.

Sogar im Fall der chilenischen Bischöfe forderte Papst Franziskus, daß sie, nachdem die Missbrauchskrise in ihrem Land in einem weltweiten Skandal explodierte, alle zurücktreten sollten. Der Papst berief  sie von Chile nach Rom ein, nachdem er die enorme Medienwirkung der Entscheidung Bischof Juan Barros nach Osorno zu versetzen, bemerkt hatte.

Barros war Schüler von Fernando Karadima, Chiles berüchtigstem Missbrauch--Priesters, der vieler Taten für schuldig befunden und von einem kanonischen Gericht zu einem Leben in Gebet und Busse verurteilt worden war. Die Opfer, die Karadima beschuldigten, behaupteten, daß Barros von Karadimas Verbrechen an ihnen und anderen gewusst und daß Barros Karadima  beschützt habe. Papst Franziskus warf diesen Opfern Verleumdung vor.  Erst nach einem weltweiten Aufschrei und intensivem medialen Druck ordnete Franziskus eine Untersuchung an.

Vor kurzem gab es den Fall des Bischofs von Tyler, Joseph Strickland. In diesem Fall jedoch hatte es eine Apostolische Visitation gegeben und vielleicht war die die Grundlage der Entlassung, die auf jeden  Fall übertrieben und sehr hart erscheint. 

In diesem Kontext erscheint  es besonders wahrscheinlich, dass Sanktionen gegen Kardinal Burke verhängt werden. Das Klima ist glühend geworden. 

Seit Beginn seines Pontifikates hat Papst Franziskus oft die Arbeit von Kommissionen gebraucht, was dazu führte, daß man im  Vatican auf Personen traf, die in mindestens 2 Verfahren verwickelt waren. Sogar heute, wo es einen Übergang von einem Dicasterium zum anderen, oder von einer Administration zur anderen gibt, schickt Papst Franziskus einen Kommissar. Wenn die Kommissionierung ausweitet werden soll, oder wenn der Papst dem Kommissar mehr Autorität verleihen will, ernennt er einen Erzbischof, wie es mit Msgr. Rolandas Mackrickas geschah, der Kommissar für die  Basilica Santa Maria Maggiore wurde.

Die Erzbischöfe sind daher die Obersten des Papstes, während die Kardinäle die Generäle sind, die dazu berufen sind, die Vision von Papst Franziskus für die Kirche in die Praxis umzusetzen. Andernfalls – und der Fall von Kardinal Burke zeigt dies – kann der Papst einige oder alle ihrer Rechte, Privilegien und Würden wegnehmen, weil sie "gegen die Einheit der Kirche arbeiten“, die in dieser letzten Periode nach Absicht des Hl. Vaters vor allem durch Harmonie in der Kirche definiert wurde

Alle diese Entscheidungen sind symptomatisch für ein Pontifikat, das zwischengeschaltete Gremien abgeschafft, das Staatssekretariat an den Rand gedrängt und letztendlich eine Reihe informeller Höflinge geschaffen hat, die direkt zum Ohr des Papstes sprechen, Entscheidungen vorschlagen, Gerüchte anheizen und verhindern, dass einige Informationen den Papst erreichen.

All dies geschah ironischerweise vor dem Hintergrund des Wunsches, den sogenannten Hof des Papstes abzuschaffen.

Dann ist da noch die Persönlichkeit des Papstes, der seine Medienpräsenz durch Interviews, Vorworte zu Büchern und sogar ein Buch über sein Leben und die Art und Weise, wie er die Zeichen der Zeit erlebt, verstärkt hat. Papst Franziskus stand schließlich im Mittelpunkt und eröffnete die Nachfolgedebatte erneut, nachdem er erkrankt war.

Die Debatte, nicht das Rennen, denn nach diesem Pontifikat will kaum noch jemand Papst werden. Der nächste Papst wird einem enormen Mediendruck ausgesetzt sein – wenn Papst Franziskus offen war, warum öffnete er sich dann einigen Themen gegenüber nicht? Wenn Franziskus eine Dezentralisierung wünschte, warum hat er dann nicht dezentralisiert? – und die Notwendigkeit, einer Reihe von Entscheidungen des Papstes Ordnung zu verleihen, die noch ausgesetzt waren.

Die Apostolische Konstitution zur Reform der Kurie, Praedicate Evangelium, die das erste Ziel des Pontifikats war, wurde 2021 nach jahrelangen Diskussionen veröffentlicht. Im Jahr 2023 wurde sie bereits durch eine Reihe von Ad-hoc-Bestimmungen, Motu proprio und Apostolischen Schreiben ersetzt, die wichtige Rollen und Gesetze neu definierten.

Am kanonischen Recht, der Harmonisierung der Sozialdoktrin und einer neuen diplomatischen Doktrin muss viel Arbeit geleistet werden, die nicht an die Spontaneität des Papstes gebunden ist, sondern vielmehr von einer klaren Vision getragen wird, die nicht ausschließlich von der Person und der Persönlichkeit des Papstes abhängt. All dies gefällt den Medien nicht, die Ergebnisse und Slogans wollen und eine Kirche, die "arm für die Armen“ ist, nicht im Sinne von Papst Franziskus, sondern im Sinne der institutionell Schwachen. Der nächste Papst wird viele Situationen heilen müssen, und gleichzeitig muss er die Einheit der Kirche wahren, indem er versucht, keine Entscheidungen zu treffen, die als Bruch und Ablehnung seines Vorgängers erscheinen.

Der nächste Papst muss vor allem ein Garant der Einheit sein. Im Zeitalter der Parrhesia hat das Pontifikat von Franziskus tiefe Spaltungen und Gräben hervorgerufen. Es ist leicht zu sagen, daß es die Schuld der Konservativen oder der Progressiven ist. Es ist komplexer, die tiefgreifenden Gründe für beides zu analysieren. Noch komplizierter ist die Erkenntnis, dß es genau diese Spaltung ist, die die Kirche geschwächt hat.

Das Gegenmittel gegen die Spaltung sind nicht Sanktionen. Es ist vielmehr die Kommunion. Diese scheint im heutigen Pontifikat zu fehlen. Und so kann das, was wie eine Kraftprobe erscheint, schnell zu einem Zeichen von Schwäche werden."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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