Montag, 20. Mai 2024

Die Päpstliche Diplomatie und die chinesischen Katholiken

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert Andrea Gagliarducci die aktuellen diplomatischen Aktivitäten im Vatican- speziell im Hinblick auf die Beziehung zu China. 
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"PAPST FRANZISKUS MIT EINER DIPLOMATIE DER ZWEI GESCHWINDIGKEITEN"

Daß die päpstliche Diplomatie unter Papst Franziskus zwei Tempi hat, ist noch einmal offensichtlich geworden, als die Nachricht von der Ankunft des Bischofs von Shanghai, Joseph Shen Bin in Rom bekannt wurde. Der Bischof ist in der Stadt, um an einer Veranstaltung zur Feier des 100. Jahrestages der Vollversammlung der chinesischen Katholiken in Shanghai 1924 teilzunehmen. 

Aber Shen Bin ist nicht einfach nur ein Bischof.

Seine im Endeffekt einseitige Ernennung für Shanghai durch die Chinesische Regierung  war ein symbolischer Schlag ins Gesicht des Hl. Stuhls und ein aussagekräftiger Ausdruck für die Haltung Pekings zum umstrittenen Chinesisch-Vaticanischen Abkommen, das einen Rahmen der Teilung der Zuständigkeit bei der Ernennung von Bischöfen  bilden sollte. 

Auf dem Höhepunkt einer Reihe von Spannungen, auch weil Papst Franziskus den mongolischen Buddhisten, die mit dem Dalai Lama und Tibet verbunden sind, eine breite Anerkennung gewährt hatte, beschlossen die chinesischen Behörden, daß sie etwas unternehmen könnten: die Ernennung eines Bischofs, der bereits mit Zustimmung von Rom und Peking in einer Doppelweihe für einer hochkarätigen Diözese wie Shanghai ernannt wurde, wo bereits ein Bischof – Thaddeus Ma Daqin – ernannt worden war. Ma Daquin stand jedoch von diesem Moment an unter Hausarrest und wurde von den chinesischen Behörden dafür bestraft, daß er aus den Reihen der Patriotischen Vereinigung ausgetreten war.

Nach einigen Monaten des Nachdenkens beschloss Papst Franziskus, die Ernennung von Shen Bin zum Bischof von Shanghai zu"sanktionieren“ und fuhr mit der Ernennung fort. Es gibt keine Neuigkeiten über einen Aufgabenwechsel für Ma Daqin, der weiterhin unter Hausarrest steht. Eigentlich wollte Kardinal Pietro Parolin, Staatssekretär im Vatikan, die Wahl des Papstes in einem Interview erläutern und dabei hervorheben, daß die Regierung in Peking über den Geist des Abkommens hinausgegangen sei.

Seitdem hat sich das Verhältnis zu Peking etwas entspannt, und das chinesisch-vatikanische Abkommen hat in diesem Jahr zur Ernennung von drei neuen Bischöfen geführt. Papst Franziskus beschloss jedoch einfach, so zu tun, als wäre nichts gewesen – eine Entscheidung, die die Pekinger Behörden zu schätzen wussten.

Obwohl die Ernennung von Shen Bin illegitim war und nur nachträglich vom Papst akzeptiert wurde, beschloss der Hl Stuhl dem "neuen" Bischof von Shanghai eine grössere Bühne im Vatican zu geben. Shen Bin ist zufällig auch der Vizepräsident der offiziellen Chinesischen Patriotischen Katholischen Vereinigung. In den letzten Monaten hat Shen Bin wiederholt von der Loyalität der Chinesischen Katholiken gegenüber den Prinzipien Chinas gesprochen und das Sinisierungs-Programm der Chinesischen Regierung unterstützt. Jetzt sagt seine Gegenwart im Vatican indirekr der Chinesischen Regierung, daß der Hl. Stuhl sie unterstützt, sogar wenn sie Entscheidungen trifft, die sich als kontrovers herausstellen könnten.


Aber Shen Bins Anwesenheit in Rom hat zwei weitere symbolische Risiken.

Das erste ist, daß die Konferenz am 21. Mai, drei Tage vor der jährlichen Wallfahrt der chinesischen Katholiken zur Madonna von Sheshan am Tag Maria Hilfe der Christen stattfindet und am 24. Mai dem Tag des Gebetes für die Christen von China , der von Benedikt XVI 2007 in seinem Brief an due Katholischen Chinesen eingeführt hatte.

Das zweite ist das seltsame Zusammentreffen der Planung, die als Gerücht kursiert- wobei noch nichts offiziell bestätigt ist- dass es Ende Mai in Rom ein Treffen zwischen einer chinesischen und einer vaticanischen Delegation geben wird, um sich über die Resultate des chinesisch-vaticanischen Abkommens zu unterrichten.

Es wäre das erste mal, daß ein Treffen dieser Art in Rom stattfindet- die Reise der Vatican-Delegation findet traditionell im September und Oktober statt und könnte der erste Schritt zur Einrichtung eines Verhandlungstisches sein, ein bisschen wie der für Vietnam. der China und dem Hl. Stuhl beim Dialog helfen und Schritte zur gegenseitigen diplomatischen Anerkennung helfen könnte.

Hier erkennt man die beiden Geschwindigkeiten der Diplomatie von Papst Franziskus.

Einerseits öffnet die päpstliche Diplomatie immer die Tür zur Stärkung diplomatischer Beziehungen, dem besten Weg Katholiken in einem Land zu verteidigen. Es ist kein Zufall, daß die Diplomaten des Vaticans -angeführt von Kardinal-Staatssekretär Parolin immer die Notwendigkeit eines Abkommens über die Ernennung von Bischöfen betont haben. Der Deal ist schliesslich Teil der diplomatischen Tradition des Vaticans. 1956 gab es ein ähnliches mit Ungarn und es gibt ein anderes, wenig bekanntes mit Vietnam, das Mitte der 1990-er diskutiert wurde.

Bei all diesen Vereinbarungen gilt im Stillen der Grundsatz, daß es gut ist, Verträge auszuhandeln, insbesondere mit Leuten, denen man nicht vertraut.

Dann kommt jedoch noch die Anwendung der Grundsätze des Abkommens hinzu. Die Diplomatie des Heiligen Stuhls arbeitet nach Grundsätzen, formuliert formelle Proteste und versucht, Vereinbarungen so zu ändern, daß es keine Missverständnisse gibt und alles in die komplexe Architektur passt, die die Kirche trägt und die Arbeit der Bischöfe legitimiert.

Die Ernennung von Shen Bin rief einen formellen Protest hervor und keine "heilende“ nachträgliche Ratifizierung durch den Papst. Immerhin hat das Staatssekretariat eine ziemlich harte Stellungnahme abgegeben, als China einen Weihbischof einer von ihm eingerichteten Diözese nach einer Verteilung ernannte, die nicht den Vatikan widerspiegelt

Papst Franziskus setzt jedoch auf eine fließendere Diplomatie, bei der ihm die Person und das Ziel wichtiger sind als die Prinzipien. Die Sanierung der Ernennung von Shen Bin war ein Akt, der nach den Absichten von Papst Franziskus die Beziehungen und die Arbeit der Bischöfe in China erleichtern sollte. Shen Bin einzuladen bedeutet, den Dialog zwischen China und dem Vatikan zu intensivieren und zu hoffen, daß dies zu einer Öffnung führt.

Angesichts dieser offenen Kreditwürdigkeit zeigt sich China gegenüber Papst Franziskus sehr aufgeschlossen.

Wann in der Geschichte wird es einen Papst geben, der offener dafür ist, Pekings Vorgehen wohlwollend zu betrachten, selbst wenn dies eine Wunde in den Beziehungen zwischen China und dem Vatikan verursacht? Wann in der Geschichte könnte es wieder einen Papst geben, der so bestrebt ist, der erste Papst zu werden, der chinesischen Boden betritt?

Damit machen die persönlichen Initiativen von Papst Franziskus die Realpolitik des Staatssekretariats zunichte, die teilweise an Ostpolitik 2.0 grenzt.

Dies ist in China und bei vielen anderen Gelegenheiten geschehen. Papst Franziskus spricht und trifft Entscheidungen ohne Rücksprache, strebt das Ziel an und ist vielleicht insgeheim davon überzeugt, daß Diplomatie wie die Theologie für die Ökumene eine Art Hindernis ist. Diese Haltung des Papstes kann sehr gelobt werden. Papst Franziskus verfolgt sein Ziel und achtet nicht auf geopolitische Gleichgewichte; Er bezog sogar China in die Reise von Kardinal Zuppi ein, um eine Lösung für die Ukraine-Krise zu finden – eine Lösung, die stattdessen zu einem bloßen Mechanismus für die Heimkehr ukrainischer Kinder, die in Russland festgehalten wurden, geworden ist.

Auf lange Sicht birgt die Diplomatie der zwei Geschwindigkeiten das Risiko, unmittelbare Ziele zu erreichen und gefährliche Präzedenzfälle für die Zukunft zu schaffen.

Wie immer im Heiligen Stuhl ist alles darauf ausgerichtet, den Papst und seine Ideen zu unterstützen. Aber wie immer häufiger in diesen Zeiten erfordert die Orientierung eine schwierige Balance, mit der Absicht, die Worte des Papstes nicht anzufechten und gleichzeitig nicht von einigen Grundsätzen abzuweichen.

Am 21. Juni wird Kardinal Pietro Parolin ein Buch mit unveröffentlichten Werken von Kardinal Celso Costantini, dem Förderer des Großen Plenarrats von China, vorstellen. Sein Seligsprechungsprozess ist im Gange. Mit dieser Anwesenheit wird Kardinal Parolin versuchen wollen, das Ungleichgewicht des Heiligen Stuhls zugunsten der chinesischen Seite auszugleichen, in der Hoffnung, daß es nicht zu spät ist."

Quelle: A.Gagliarducci, Monday-at-the-Vatican

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