Montag, 11. November 2024

Wenn in der Kurie und für den Hl. Stuhl nichts mehr wichtig ist und Formlosigkeit herrscht...

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert Andrea Gagliarducci anläßlich der Kardinalsernennungen die Formlosigkeit, die Papst Frsanziskus zum Programm erhoben hat. 
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"PAPST FRANZISKUS UND DIE REVOLUTION DER FORMLOSIGKEIT"

Nachdem Bischof Paskalis Synkur darum bat, nicht zum Kardinal kreiert zu werden, beschloss Papst Franziskus, daß die Zahl der roten Hüte mit Wahlrecht im Konklave unverändert werden soll. An Stelle von Synkurs - hat Papst Franziskus beschlossen- den roten Hut stattdessen dem Erzbischof von Neapel, Domenico Battaglia, zu geben. 

Papst Franziskus hat jedoch den Namen nicht am Ende des Angelus-Gebets oder der General-Audienz nicht bekannt gegeben. Er kündigte die bevorstehende  Kreierung eines Kardinals durch ein kurzes Statement des Direktors des Pressebüros des Hl. Stuhls. Wahr ist, das ist nur ein Detail. Es sagt jedoch viel darüber aus, wie Papst Franziskus das Kardinalat sieht. 

Der Karedinal wird nicht ernannt. Er wird kreiert. Der Papst sucht den Kardinal persönlich aus undbekleidet ihn durch seine Macht mit der Würde des Kardinalsamtes.  Kardinal ist nicht nur irgendein Amt.  Es ist ein Amt, das allen anderen anderen Ämtern zugefügt wird und über jedes andere Amt hinausgeht. Wenn ein Erzbischof zum Kardinal kreiert wird, hört er nicht auf, erzbischof zu sein.Er behält seine Aufgaben bei. Das Kardinal aber macht ihn zu einer Art Fürst, der berufen ist, die Kirche gemeinsam mit dem Papst zu leiten.

Man sagt, ein Kardinal wird kreiert auch deshalb um die Kreierung von einer einfachen Ernennung zu unterscheiden. 

Die Kreierung wurd erst wirksam, wenn derPapst während eines Konsistoriums den roten Hut verleiht und das Kardinalskollegium ein Dekret erhält, das das bestätigt. Der Papst kündigt die Liste jedoch mindestens einen Monat vorher an - vor allem aus pragmatischen Gründen. Um zum Kardinal kreiert zhu werden, muß man anwesend sein und alle anderen Kardinäle ebenfalls. Daher müssen die Kardinäle den Transfer aus allen Teilen der Welt organisieren, damit sie am Tag der Zusammenkunft in Rom anwesend sind. 

Der Papst kündigt die Namen öffentlich an weil es nicht einfach nur eine Ernennung ist. Er tut das normalerweise nach einem Angelus oder am Ende einer Generalaudienz (aber diesen Augenblick hat Papst Franziskus nie genutzt).- damit der Beschluss des Papstes öffentlich wird. Die Liste hat auch eine besondere Bedeutung. Die Reihenfolge in der die neuen Kardinäle aufgelistet sind, zeigt auch die Wichtigkeit die der Papst dem ein oder anderen Kardinal in dieser oder jener Stellung zuerkennen will. 


So setzte Papst Franziskus beispielsweise bei der Ankündigung seines ersten Konsistoriums im Jahr 2014 Kardinal Lorenzo Baldisseri, den damaligen Generalsekretär der Synode, an zweiten Platz auf der Liste, nach dem neuen Kardinal Pietro Parolin, Staatssekretär des Vatikans, aber vor Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der damaligen Glaubenskongregation. Dies war ein Zeichen dafür, wie viel Bedeutung Papst Franziskus der Synode zuschrieb, wie sich während seines gesamten Pontifikats zeigte. Das ging so weit, dass beim Konsistorium 2020 Kardinal Mario Grech an erster Stelle der Liste stand, der vom Papst zum neuen Generalsekretär der Synode ernannt wurde.

Kurz gesagt, es gibt eine kodifizierte Sprache bei der Ankündigung der Kreierung neuer Kardinäle. Papst Franziskus hat jedoch alle traditionellen Kodizes aufgegeben. Erzbischof Angelo Acerbi eröffnet die Liste des Konsistoriums 2024: Er ist 99 Jahre alt und wird daher nicht einmal in der Lage sein, bei einem Konklave abzustimmen. Unmittelbar danach unterbrechen drei Kardinäle aus anderen Orten die erste Gruppe südamerikanischer Residenz-Bischöfe, während ein neuer Kardinal aus Brasilien von der Gruppe isoliert zu sein scheint.

Die Ausfnahme von Erzbischof Battaglia mit einem kurzen Statement in die Liste, bezeugt, daß Papst Franziskus nicht länger auf die Traditionen oder die Sprache der Vergangenheit schaut. Er hat besachlossen, seine Spachen einzhuführen. 

Die Liste der Kardinäle  ist schon früher ergänzt oder aufgestocktg worden. Johannes Paul II tat das 2001, beim größten Konsistorium der Geschichte, als er am 21. Januar 37 neue Kardinäle ankündigte und in der folgenden Woche weitere 5 Kardinäle hinzufügte und die Namen von 2 Kardinälen in pectore ankündigte. Er tat das aber immer öffentlich. 

Andererseits konnte Papst Franziskus nicht bis zur Generalaudienz warten, um das Hinzufügen Battaglias zu den neuen Kardinälen verkünden, Statt dessen kam die Ankündigung ein bißchen überraschend plötzlich am Fraitag Abend. 

Was sagt uns diese Entscheidung? Es gibt mehrere Hypothesen und sie schließen einander nicht aus. 

Die erste Hypothese ist, daß Papst Franziskus insitnktiv handelt; deshalb zögert er nicht -wenn er etwas beschließt - sondern gibt das so schnell wie möglich bekannt. 

Die zweite Hypothese ist, daß Papst Franziskus an ein besonderes Gleichgewicht für ein Konklave mit einem Nachfolger, gedacht und die Einsetzung von 20 neuen Kardinal-W#hlern gezählt hat,  und nicht wollte, da0 es weniger als 20 sein sollten.

Die dritte Hypotheseist, daß Papst Franziskus jeder anderen Ernennung gleichsetzt.

Diese offensichtliche Verschwörungstheorie könnte dadurch bewiesen werden, wie Papst Franziskus das Kardinalat behandelt hat. Er hat die Kaardinäle nicht als Teil der Regierung der Kirche betrachtet. sondern sie stattdessen aus dem Zentrum der Kirche entfernt. Meistens hat er Kardinäle ausgewählt, die weit von der Zentralmacht entfertn waren. Die Kardinäle im Zentrum der Macht sind nur die, mit denen Papst Franziskus wirklich regieren wollte. 

Theoretisch wählt ein Papst die Kardinäle aus und vertraut jedem. Aber Papst Franziskus scheint sie unabhängig von den Leuten auszuwählen, mit denen er regieren will, weil er bereits weiß. daß er nicht mit regieren wird. Wie gesagt, kann diese Interpretation nur Spekulation sein. Das Detail ist jedeoch bemerkenswert. 

Die vierte Hypothese ist, daß Papst Franziuskus die alte Tradition der päpstlichen Sprachen nicht länger in Betracht zieht. 

Der Papst hat eine klare Richtung eingeschlagen und fühlt sich nicht länger durch die Kurie kontrollier oder einheschränkt. Wo der Papst Mitarbeiter findet, die seinem Willen treu sind, belohnt er sie: das wird durch einige der neuen Roten Hüte bewiesen- einschließlich der überraschenden Kreierung des Organisators der päpstlichen Reisen, John Koovakand, zum Kardinal, aber auch die Bischofsernennungen zeigen das,  die sich als ein asyymetrischer Weg von Papst Franziskus erweisen haben, Beförderungen in den Rängen und in derFührung vorzunehmen 

Das allgemeine Ergebnis ist, dass das Kardinalat wie eine Art „Sir“-Titel für die englische Krone betrachtet wird – ein Stern auf der Uniform, der nichts hinzufügt, aber riskiert, alles wegzunehmen.

Aber wenn das Kardinalat als banales Privileg behandelt wird, was ist dann mit dem ganzen Rest? Wenn die Institution nicht berücksichtigt wird, weil ihre Sprache nicht berücksichtigt wird, was wird dann aus dem Heiligen Stuhl?

Während wir diese Fragen stellen, müssen wir uns ansehen, was im letzten Jahr passiert ist.

Das Urteil im Prozess um die Verwaltung der Gelder des Staatssekretariats, das am 30. Oktober letzten Jahres veröffentlicht wurde, hat eine personalistische Anwendung der Regeln hervorgehoben, wobei der Papst mit vier laufenden Reskripten in den Prozess eintrat. Das Urteil vermischt das Recht des Vatikanstaats, die italienische Rechtsprechung und das Kirchenrecht und erweckt am Ende den Eindruck eines Rechtsvakuums und von Verurteilungen, die auf Thesen basieren – es wird theoretisiert, dass Unterschlagung vorliegt, auch wenn kein persönliches Interesse besteht, es ist von Mitwirkung bei Erpressung die Rede, selbst wenn zugegeben wird, dass die Interessen der Angeklagten abweichend waren.

Ein Gutachten pro veritate der Kirchenrechtsexperten Geraldina Boni und Manuel Ganarin hat die kritischen und rechtlichen Bedenken einer Entscheidung der Päpstlichen Universität Urbaniana hervorgehoben, bei der ein festangestellter Professor plötzlich von seinen akademischen Pflichten entbunden wurde, und zwar durch die Anwendung einer Regel, die klerikalen und geweihten Beamten der römischen Kurie vorbehalten ist, deren Dienstverhältnis nach Ablauf einer vorher festgelegten Zeit endet.

Dies sind zwei Fälle unter vielen, die verdeutlichen, dass es in Wirklichkeit keine Regeln mehr zu geben scheint, sondern vor allem Ausnahmen und Entscheidungen von oben auferlegt werden. Papst Franziskus hat immer davor gewarnt, dass „es schon immer so gemacht wurde“. Es ist jedoch auch wahr, dass Protokoll, Tradition und Verfahren Garantien für Unparteilichkeit waren, die den Heiligen Stuhl zu einer glaubwürdigen Institution machten.

Die Ergebnisse des vatikanischen Prozesses haben die Debatte über den Wert der Gerechtigkeit im Vatikanstaat neu entfacht, und die Geister derjenigen, die einen Heiligen Stuhl ohne Territorium im Sinne einer NGO oder jedenfalls ohne unabhängige Regierungsstruktur wollten, sind zurückgekehrt. Die Urbaniana-Frage führt zu der Schlussfolgerung, dass wenn eine Universität sich willkürlich verhalten kann,  der Heilige Stuhl den Bologna-Prozess verlassen kann, der die europäischen Universitäten vernetzt und die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen garantiert.

Diese Informalität und Willkür berühren daher das Wesen der Kirche selbst und stellen sie außerhalb der internationalen Kreisläufe, isolieren sie und machen sie irrelevant. Schließlich sagte Benedikt XVI. mit einem Zitat von Augustinus: „Was ist der Staat ohne Regeln anderes als eine Räuberhöhle?“

Es scheint also, dass selbst Kardinalsernennungen ohne Bedeutung behandelt werden und nichts für die Kirche und den Heiligen Stuhl wesentlich ist. Wenn nichts wichtig ist, können sogar Rechtsverfahren durch spontane Eingriffe unterwandert oder je nach Bedarf anders interpretiert werden.

Wir stehen vor dem Paradox einer Kirche, in der nichts wichtig ist außer den Gesten des Papstes, während die Institution durch ihre Informalität dazu verdammt ist, an den Rand gedrängt zu werden. Letztlich ist die Kirche dazu verdammt,ihren  internationalen Einfluss so auszuüben, wie der Papst sich selbst mit Worten, Taten, Witzen und Gesten auf der globalen Bühne präsentiert."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican 



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