Der Aufgalopp der Kommentatoren hat begonnen...auch Andrea Gagliarducci analysiert bei acistampa die Entlassung/ den Rücktritt von Kardinal G.A. Becciu.
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"DIE ENTLASSUNG BECCIUS UND DIE OFFENE FRAGE DER VATICAN-FINANZEN"
Der unvorhergesehene Verzicht Kardinal Giovanni Angelo Beccius auf die mit dem Kardinalat verbundeten Rechte- ebenso wie auf sein Amt als Präfekt der Seligsprechungskongregation, läßt viele Fragen offen. Im Komuniqué des Pressesaales des Hl. Stuhls wird keine offizieller Grund dafür angegeben, aus dem diese Entscheidung getroffen wurde. Dennoch sind die Gedanken aller sofort zu den Untersuchungen gegangen, die mit dem Kauf und Verkauf einer Luxusimmobilie in der Sloane-Street in London durch das vaticanische Staatssekretariat verbunden sind. Untersuchungen, die vor kurzem ausgeweitet wurden und die auch auf die Verbindung mit einem sardischen Unternehmen hinweisen, "Spes di Ozieri", das vom Bruder des Kardinals geleitet wird.
Alles hat mit dem Geschehen in London angefangen. Als Substitut des Staatssekretariats hatte Becciu die Investition und auch die folgenden Prozeduren des Ankaufs zuerst des Immobilienfonds und dann der Immobilie gebilligt. Er war bereits Kardinal und Präfekt der Seligsprechungskongregation als das Staatssekretariat die Investition umstrukturieren mußte, um zu vermeiden, den letzten Heller zu verlieren. Man beschloss, die Vermittlungsgebühren zu kürzen, die vereinbarten Provisionen zu bezahlen, dann beim IOR ein Darlehen (technisch gesehen einen Vorschuss) zu beantragen, um den Kauf abzuschließen. Das IOR lehnte den Antrag auf Gewährung des Darlehens ab und löste mit ihrem Bericht den Beginn der Untersuchung durch die Justizmitarbeiter des Vaticans aus- mit der Durchsuchung des Staatssekretariates und bei den Autoritäten der Finanzaufsicht beim IOR. Das war im Oktober 2019, vor fast einem Jahr.
Ergebnis war, daß 5 Mitarbeiter des Vaticans suspendiert wurden und dann noch einer. Dann wurden die beiden beteiligten Priester (Don Mauro Carlino und Msgr. Alberto Perlasca) in ihre Diözesen zurück geschickt, zwei Funktionäre des Staatssekretariats (Vincenzo Mauriello und Frabrizio Tirabassi) sind bis zum Juli suspendiert geblieben und dann -wie es aussieht -in den Vorruhestand geschickt worden, eine weitere Mitarbeiterin des Staatssekretariates (Caterina Sansone) hat eine andere Aufgabe bekommen. Der letzte Verdächtige, Tommaso Di Ruzza wurde einfach in seinem Amt als Direktor der Finanzsaufsicht nicht bestätigt.
Die Bekanntgabe dieser administrativen Maßnahmen gegen die Funktionäre erfolgte am Abend des 30. April, am Vorabend des Festes des Hl. Josephs des Arbeiters durch eine dürftige Pressemitteliung des Hl. Stuhls, wie von vielen betont wurde. Es ist nicht bekannt, ob sie vor Gericht gestellt werden, oder ob die Richter des Vaticans entscheiden, nicht weiter zu machen.
Sicher muß eine Entscheidung getroffen werden. Das "Schwert" der offenen Untersuchung hängt über dem Vatican, während nächste Woche, voraussichtlich ab dem 29. September, die Inspektoren von Moneyval, dem Komitee des Europarates, das die Einhaltung internationaler Standards für finanzielle Transparenz in den Ländern bewertet, die sich dieser Prozedur unterwerfen, die Hl. Mauern betreten werden. Mit diesem Besuch vor Ort bereitet Moneyval seinen vierten Bericht über die Fortschritte des Vaticans vor. Die anderen drei waren im Allgemeinen positiv und haben die Arbeit gezeigt, die der Hl. Stuhl geleistet hat, um sein-wenn auch spezielles- Finanzssystem regelkonform zu machen.
Es blieben aber Vorbehalte gegen die Arbeit des Vatican-Gerichtes, so daß der letzte Fortschrittsbericht hervorhob, daß Berichten über verdächtige Transaktionen keine größeren gerichtlichen Aktivitäten folgten. Das Vorgehen der Staatsanwälte wird von Moneycval überprüft, weil dieses mal auch die Wirksamkeit des Rechtssystems beurteilt wird.
Aber wie kann man sagen, ob ein System effizient ist, wenn es die vor einem Jahr begonnenen Untersuchungen noch nicht beendet hat? Und vor allem, wie effizient ist ein System, das im Verlauf der Untersuchungen auch ein institutionelles Problem geschaffen hat, das nicht nur die Zentralregierung betraf, sondern auch die Daten der Finanzaufsichtsbehörde erfaßte, einschließlich vertraulicher Daten im Verkehr mit dem Ausland?
Das alles sind Fragen, die sich auch die Inspektoren von Moneyval stellen werden.
Wenn sonst nicht, warum wurde dann die Nachricht über die Ausweitung der Untersuchung über die Sloane-Street -Immobilie verbreitet? Und auch, weil alle ihre eigene Wahrheit haben, die sie erzählen- und einen Ruf, den sie verteidigen.
Im Vergangenen Juni ist der Broker Gianluigi Torzi, einer der Vermittler des Geschäftes, aus London gekommen, um sich von den Richtern des Vaticans vernehmen zu lassen und wurde unter der Beschuldigung der Erpressung eine Woche lang im Gefängnis der Gendarmerie festgehalten, bis er dann gegen Kaution und mit der Eintragung über die Ermittlung gegen ihn entlassen wurde. Enrico Crasso, der das Staatssekretariat beraten hatte und Fabrizio Tirabassi, der dem Verwaltungsbüro des Staatsskretatiates angehörte, wurden ebenfalls befragt. In der Zwischenzheit kündigte Fabrizio Mincione, der Besitzer des Immobilienfonds an, den Hl. Stuhl wegen Verleumdung zu verklagen. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden dann im vergangenen Juni die Konten des vaticanischen Staatssekretariates in der Schweiz beschlagnahmt.
Wenn diese Ereignisse den Druck erhöht hätten, wären die jüngsten Nachrichten über vier weitere Immobilieninverstitionen, ebenfalls in London, an denen Crassus und Tirabassi beteiligt gewesen sein sollen, unter die Lupe der vaticanischen Ermittler geraten. Investitionen, die in einer Reihe von chinesischen Kassen landeten, wurden ebenfalls durch Anti-Geldwäsche-Maßnahmen einer zwischengeschalteten Bank blockiert. Als die Finanzaufsicht vom Einfrieren hörte, haben sie den damaligen Erzbischof Becciu über die Situation informiert.
Nicht nur: eine heute erschienene journalistische Untersuchung greift den Kardinal an, der Fonds der CEI und des Peterspfennigs Familienmitgliedern übergeben haben soll: der Spes di Ozieri, die von Bruder Tonino geleitet wird, aber auch wegen Tischlerarbeiten in den Nuntiaturen in Angola und Kuba, die an eine Firma eines weiteren Bruders des Kardinals vergeben wurden, bis hin zu einer Firma eines weiteren Bruders, die Bier produziert.
Dazu ist zu sagen, daß das keine formalen Anklagen sind und daß, auch wenn diese Fonds so verwendet wurden, wie man es behauptet, Kardinal Becciu die Möglichkeit haben sollte, zu erklären warum. Ebenso wie er aufgefordert werden wird, den Grund für die Investition in London zu erklären.
Becciu hat die immer verteidigt und auch persönlich reagiert, als der vaticanische Staatssekretär Kardinal Pietro Parolin die Situation als "undurchsichtig" definierte. Gleichzeitig war Becciu offensichtlich an einer Investition beteiligt, die sein Nachfolger, Erzbischof Edgar Pena Parra "neu arrangieren" mußte, um die Schäden für den Vatican zu begrenzen.
Bleibt also zu verstehen, ob diese neuen Untersuchungen Beweise erbracht haben, die man nicht mehr unterschätzen konnte. Formal ist Kardinal Becciu freiwillig zurückgetreten. Einige berichten, daß es eher der Papst war, der ihn aufforderte, diesen drastischen Schritt zu unternehmen.
Bleibt, daß der Prozess um die Immobilie noch in der Untersuchungsphase steckt, daß die Inspektoren von Moneyval nächste Woche kommen und einen rechtlichen Rahmen vorfinden werden, der im Lauf der Jahre in einer allgemein wirren Situation gut geölt wurde und daß das institutionelle Problem, das bei der Untersuchung im Oktober entstanden ist, über individuelle Personen hinausgeht. Kurz gesagt, es gibt nichts Bestimmtes.
Bis zu einem Gerichtsverfahren deutet der Sturz von Kardinal Becciu darauf hin, daß der Vatican auf jeden Fall beabsichtigt, die Londoner Investition zu verteidigen, die dennoch als fruchtbringend angesehen wird. So sehr, daß er bereit war, die für den Kauf des Grundstücks in der Sloane Avenue beantragte Hypothek unmittelbar nach der Erteilung einer neuen Baugenehmigung durch das Rathaus von Kensington neu auszuhandeln. Was die anderen Investitionen und damit verbundenen Situationen angeht, wird man sehen.
Alles wird vor Gericht geklärt werden. Sicher läßt der unrituelle Abgang Kardinal Beccisu von der Bühne, ohne daß es offizielle Gründe gibt, viele Fragen offen. Mehr als vor einem Finanzskandal stehen wir vor einer Krise der Institution."
Quelle: acistampa, A. Gagliarducci
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