In seiner montäglichen Kolumne bei "Monday in the Vatican" läßt uns A. Gagliarducci an seinen Kenntnissen der vaticanischen Szenerie teilhaben und analysiert das jüngste Geschehen um Kardinal Becciu und die Vatican-Finanzen.
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"PAPST FRANZISKUS UND DAS THEMA INSTITUTION"
Wir kennen den offiziellen Grund für die Entscheidung Kardinal Angelo Beccius, auf seinen Titel als Kardinal zu verzichten und aus der Heiligsprechungskongregation zurückzutreten nicht. Am Anfang konnte man raten, daß sein Rücktritt mit dem Erwerb der Londoner Luxusimmobilie durch das Staatssekretrariat zusammen hängt, der noch untersucht wird und bei dem noch entschieden werden muß, ob es einen Rechtsprozess geben wird. Kardinal Becciu hat später klargemacht, daß der Papst glaubt, daß er unterschlagen habe. Es gibt jedoch keine offizielle Mitteilung des Hl. Stuhls über den Grund.
Wenn der mit Mißmanagement zusammenhängt, geht es bei Kardinal Beccius Rücktritt nicht nur um einen finanziellen Skandal. Dann ist er außerdem Teil eines größeren, beunruhigenden institutionellen Rahmens.
Die Untersuchung selbst hat ein institutionelles Problem erzeugt, Es begann nach einem Bericht, der dem obersten Wirtschaftsprüfer des Vatricans zugespielt wurde. Die Staatsanwaltschaft des Vaticans bekam den Bericht und die Genehmigung des Papstes zu Durchsuchung und Beschlagnahmen im Staatsekretariat und bei der Finanzaufsicht (AIF) . Wegen der laufenden Ermittlung wurden fünf Vatican-Mitarbeiter suspendiert, vier aus dem Wirtschaftssekretariat und einer aus der AIF:
Mit dieser Untersuchung waren jedoch viele problematische Themen verbunden. Ertens hat die Polizei des Vaticans keine Jurisdiktion über den Apostolischen Palast. Deshalb haben die Durchsuchung und die Beschlagnahmen das Machtgleichgewicht zwischen dem Hl. Stuhl und dem Vatican-Staat in Gefahr gebracht.
Ein anderes Thema betrifft die Beschlagnahmen bei der AIF-Durchsuchung. Die Vatican-Polizei hat Dokumente beschlagnahmt, die Teil von Schriftwechseln mit ausländischen Finanzprüfern sind. Die Egmont-Gruppe, die um die 150 Finanzprüfungs-Einheiten aus aller Welt umfaßt, hat protestiert und den Vatican vorübergehend aus ihrem internen elektronischen Netzwerk entfernt. Darüber hat sich der Papst geärgert. Erst nachdem die AIF und das Vatican-Gericht ein Einverständnis-Memorandum unterschrieben haben, wurden die guten Beziehungen wiederhergestellt.
Man kann sich vorstellen, daß Papst Franziskus den Kardinal dazu gedrängt hat, seinen Rücktritt einzureichen, das ist jedenfalls das, was Becciu erzählt hat. Das führt zu einem weiteren Punkt: was ist das Kardinalat? Kardinal zu sein, ist eine Auszeichnung und wir können also das Kardinalat nicht als Funktion betrachten. Es ist nicht wie das Bischofsamt: zum Bischof wird man für immer geweiht. Es hat aus verschiedenen Gründen viele Fälle von Verlust des Roten Biretts gegeben- auch wg. Mißmanagments. Während der letzten Jahrzehnte gab es den Trend, dem Kardinalat einen spirituelleren Wert zu geben. Der Rücktritt Beccius macht das Kardinalat wieder weltlicher-und sieht als eine vorwiegend administrative Funktion an.
Der Rücktritt hinterläßt im Unterbewußtsein der Menschen eine Botschaft: nichts ist mehr heilig; nichts hat eine unabänderliche Würde. Ein Kardinal kann (muß) den roten Hut zurückgeben und aufhören Kardinal zu sein, wenn sein Management in Frage gestellt wird.
Beccius Rücktritt hatte vor kurzem einen Vorläufer: den von Kardinal Keith O´Brien. Weil er des Mißbrauchs verdächtig war, durfte er nicht am Konklave von 2013 teilnehmen. 2015 hat Kardinal O´Brien alle Kardinalswürden verloren, obwohl ihm die Möglichkeit gelassen wurde, das rote Birett aufzusetzen. Keine weiteren Konsistorien, keine Zugehörigkeit zu vaticanischen Kongregationen, kein Wahlrecht zur Wahl eines Papstes im Konklave mehr.
Was ist das Kardinalat dann? Wie muß man es interpretieren? Daß Kardinal Becciu zurücktreten mußte, ohne die Möglichkeit eines Prozesses zu haben, zeigt eine gewisse Willkür. Diese Willkür findet man bei allen, gegen die im jüngsten Finanzskandal ermittelt wurde: gegen keinen von ihnen gibt es bisher eine Anklage.
Die bloße Tatsache, daß die Kardinalswürde -ohne Gerichtsverhandlung- entzogen werden kann, untergräbt ihre spirituelle Dimension. Eher als daß es eine Auszeichnung für jemanden für besondere Verdienste ist, kann das Kardinalat als repräsentative Funktion interpretiert werden. Paradoxerweise ist es das, was Papst Franziskus vermeiden wollte.
Seit Beginn des Pontifikats, hat Papst Franziskus neue Kardinäle unter Vermeidung der alten Logik einer "Kardinalsstellung" vermieden. Keine Diözese oder Stellung kann unter Papst Franziskus als Karriere-Sprungbrett dienen.
Papst Franziskus selbst, der die Entscheidungsfindung zentralisiert hat, wendet jedoch bei der Kreierung neuer Kardinäle Kriterien der kontinentalen Repräsentation an. Es gibt keine allgemeinen Kriterien- nur seine souveräne Entscheidung.
Der Papst hat diese Vorrechte. Er kann entscheiden und alles tun, was er will, ohne nach irgendeiner Empfehlung zu fragen, die Gesetze ändern und Entscheidungen treffen, die die Regeln beiseite lassen.
Es ist allerdings beeindruckend, daß das der Fall ist. Papst Franziskus hat aus Synodalität und Kollegialität zwei Schlüsselworte seines Pontifikates gemacht. Beccius Rücktritt zeigt uns nicht nur eine institutionelle Krise an. Er zeigt auch einen isolierten Papst, der sich von seinen eigenen Mitarbeitern verraten fühlt und versucht, die Situation ad hoc zu lösen.
Papst Franziskus will den Krebs der Korruption bekämpfen, indem er Null-Toleranz ausübt. Das ist eine empfehlenswerte Inititative. Diese Initiative wird manchmal außerhalb des Rahmens der Institution vorangetrieben, die der Papst repräsentiert. Der Papst macht dann den Eindruck, daß in der Institution nichts wichtiger ist als ihr Boss. "
Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican
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