Montag, 13. September 2021

Papst Franziskus, der Vatican und der Hl.Stuhl nach der Ungarn-Reise

A. Gagliarducci kommentiert in seiner heutigen Kolumne für Monday in the Vatican die Bedeutung und Folgen der Ungarn-Reise des Papstes mit dem ungeplanten bilateralen Treffen in Budapest für die aktuelle Situation  des Hl. Stuhls, des Vaticans und des Papstes. 
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"PAPST FRANZISKUS - WAS IHN ANFANG OKTOBER ERWARTET" 

Bei der Budapest-Reise von Papst Franziskus gibt ein Thema, das uns zum Nachdenken veranlaßt. Franziskus wollte nur zu einem pastoralen Besuch nach Ungarn reisen, ohne auch die Regierung zu treffen. Sein Entschluss verriet auch einige negative Gefühle gegenüber der von Viktor Orban geführten Exekutive, den der Vatican auch wegen seiner Migrationspolitik angegriffen hatte.

Indem er das tat, widersprach Papst Franziskus allerdings jedem Protokoll und jeder Höflichkeit gegenüber dem Gastgeberland. Der Papst ist auch ein Staatsoberhaupt. Wenn er ein Land besucht, ist das Treffen mit dem Präsidenten ein Akt institutioneller Höflichkeit, wie auch der Besuch von Präsidentenpalästen. Es war von Ungarn um ein Treffen mit der Zivilgesellschaft gebeten worden. Das war eine vernünftige Bitte, weil der Papst auch immer vor dem diplomatischen Corps und Mitgliedern der Gesellschaft spricht. Ist der Papst am Ende kein Staatsoberhaupt?

Papst Franziskus aber wollte sich ganz und gar nicht in den Präsidentenpalast begeben. Er mußte sich am Ende aus Gründen der institutionellen Höflichkeit mit dem Präsidenten treffen und bat also darum, daß das nicht im Präsidentenpalast geschehen sollte. Es fand deshalb stattdessen im Museum der Schönen Künste in der Nähe des Heldenplatzes statt. 

Präsident Janos Ader, der Papst Franziskus schon im Vatican getroffen hatte, gab bekannt, daß Premierminister Viktor Orban ihn begleiten werde. Der Papst - um nicht übertroffen zu werden- sagte, daß er vom Staatssekretär des Vaticans, Kardinal Pietro Parolin und Erzbischof Paul Richard Gallagher, dem Vatican-Sekretär für die Beziehungen zu den Staaten begleitet werden würde. Darauf wurde die ungarische Delegation durch den Vize-Premierminister verstärkt, der den Papst auch am Flughafen begrüßte. 

Papst Franziskus gewährte so dem ungarischen Staat de facto ein bilaterales Treffen. Ein Treffen auf hoher dipliomatischer Ebene, das der Exekutive sogar noch größere Legitimität verleiht, und von den Beziehungen zu anderen Staaten abhebt, so sehr, daß es möglich ist, daß die als nächstes besuchten Staaten -beginnend mit der Slowakei- ebenfalls um ein bilaterales Treffen bitten werden. 

Indem er diese Position einnahm, hat Papst Franziskus am Ende Orbans Regierung einen Gefallen getan. Ein Treffen mit der gesamten Zivlgesellschaft wäre etwas anderes gewesen, weil es die Opposition der Regierung eingeschlossen hätte. Aber das wollte der Papst nicht. Er hat die Bitte vermutlich mißverstanden, weil er sie als persönliche Kommunikation verstand- nicht in einer diplomatischen Sprache. 

Und das ist der Punkt: es gibt eine Welt, die den Hl. Stuhl betrifft, die Papst Franziskus vielleicht nicht versteht. Tatsächlich ignoriert er sie, wenn er persönliche und personalistische Kategorien anwendet, um komplexe Themen anzugehen. Das wird ein zentrales Thema sein, das im Oktober auf Papst Franziskus wartet. 

Im Oktober wird der berühmte Prozess wegen der Investition des Staatssekretariates in eine Londoner Luxus-Immobilie wieder aufgenommen.  Zu Beginn des Prozesses hat einer der Verteidiger von einem "Sondergerichtshof" gesprochen und vier Reskripte hervorgehoben, die Papst Franziskus bereitwillig unterzeichnet hatte, um die Untersuchung am Laufen zu halten. Eines dieses Reskripte hat sogar das Amtsgeheimnis abgeschafft. 


Papst Franziskus handelte letzten Endes so wie ein Papst-König. Aber wie ein Papst-König aus dem 19. Jahrhundert, als die Kirche noch weltliche Macht besaß und einen Staat verwaltete, -nicht den heutigen winzigen Stadtstaat, der nur dazu dient, einer Seele, die präzise gesagt der Hl. Stuhl ist, einen Körper zu verleihen.

Seit dem Fall des päpstlichen Staates hat der Hl. Stuhl immer auf die internationale Welt geschaut, und das auch ohne eigenes Territorium. So wurde -als der Vatican-Staat 1929 seine ersten Schritte machte-, pragmatisch entschieden, einen Kodex juristischer Normen zu leihen, auch weil man schließlich nie dachte, diese Normen je anwenden zu müssen. 

Im Lauf der Jahre wurde der Hl. Stuhl immer mehr zu einer Internationalen Entität,  hat aktiv an multilateralen Foren teilgenommen und Menschenrechtsverträge verhandelt. Nichtsdestoweniger setzte Vatican-Staat sein Leben fort. Die Regulierungen wurden manchmal up-gedated, aber immer einen Schritt hinter dem Zeitgeist.  

Was würde der Vatican in einer Zeit tun, in der Staaten immer weniger zählen? Im Allgemeinen hat der Hl. Stuhl Trends vorausgesehen und hinter die Strukturen geschaut.  Dennoch - während die Nationalstaaten eine Krise erleben und der Hl. Stuhl zunehmend auf das Multilaterale zielt und über mögliche Situationen hinausschaut (siehe die Rede von Papst Franziskus vor den Botschaftern)- nationalisiert Papst Franziskus den Hl. Stuhl. So trifft die Vaticanisierung des Hl. Stuhls-wenn der Vatican-Staat als Internationale Person wichtiger wird- mit einer Art "Unternehmensgründung" des Hl. Stuhls zusammen. 

In den vergangenen Jahren hat es viele Reformen gegeben, die auf der Idee basierten, daß der Hl. Stuhl eine Firma ist. Und sogar heute. läßt die  Korrektur wirtschaftlicher Probleme, die Einstellung früherer Laien-Manager auf Leitungsposten (Fabio Gasperini bei der APSA, Maximinio Caballero Ledo beim Wirtschaftssekretariat) vermuten, daß die Kurienreform eher nach dem strukturellen Rahmenwerk von Firmen als einer Vision folgend durchgeführt wird. 

Nicht daß die Idee, Laien  und Experten in die Ränge aufzunehmen, falsch ist. Das Problem ist die zugrunde-liegende Philosophie, wie der Hl. Stuhl angesehen wird und wie man über seine Krisenbewältigung denkt. Weil wir einer strukturellen Krise -nicht einer Krise des Managements gegenüber stehen. 

Indem er die Dinge so handhabt, vergißt Papst Franziskus, daß der Hl. Stuhl in seinem Wunsch,  nach dem Ende des Päpstlichen Staates und sogar nach der Geburt des Vaticans, - Subjekt eines nicht-territorialen Rechts werden zu wollen, prophetisch war. 

Papst Franziskus ist zum Paradigma des Papst-Königtums zurückgekehrt, tritt in voreilige Prozesse ein, und handelt zur gleichen Zeit als Ankläger und Gesetzgeber.

Heute sind diese Aktionen ein ziviles Todesurteil, weil die neuen Henker die Schmutzmaschinen und Pauschal-Urteile der Medien der Unschuldsvermutung zwar zustimmen, dann aber die Leute erschießen, bevor sie nach irgendeiner Erklärung fragen- wie im Wilden Westen. 

Alles das resultiert aus einem fehlerhaften Verstehen dessen, was der Hl. Stuhl ist und warum er dem Volk Gottes dient. Das selbe unzureichende Wissen, das dazu führte, Ungarn ein bilaterales Treffen zu gewähren- nachdem monatelang klar gemacht wurde, daß er den Premierminister nicht treffen wolle. 

Schließlich geht es darum, die Dinge in die richtige Perspektive zu bringen, um sie zu verstehen. Und nur auf diese Weise kann eine wirkliche Reform durchgeführt werden. Sonst wird es wie im italienischen Roman "Der Leopard" werden: alles muß sich ändern, damit alles gleich bleibt. Weil die größte Initiativen von Papst Franziskus bisher nicht die notwendige Einheit in die Kirche gebracht haben. Und die wird heute gebraucht."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

 

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