Dienstag, 24. September 2013

Auch der Emeritus schrieb einen Brief


Dieser päpstliche Brief ist heute nur auszugsweise in der Repubblica erschienen und wird im Volltext der neuen Ausgabe des Odifreddi-Buches als Anhang veröffentlicht werden.  Klicken

Papa emeritus Benedetto schrieb am 30. August dieses Jahres einen Brief  an den italienischen Mathematiker Prof. Piergiorgio Odifreddi.
Alles begann damit, daß 2009 Odifreddi, ausgewiesener und überzeugter Atheist, Prof. J. Ratzingers Buch "Einführung in das Christentum " las und mit einem Buch, das den Titel " Lieber Papst, ich schreibe Dir... "
(Caro Papa, ti scrivo) trägt und das 2011 in Mailand erschien, darauf antwortete, in dem er auch auf das Jesus-Buch des Heiligen Vaters eingeht.
Kurz nach der Demission Benedettos hatte Odifreddi über einen gemeinsamen Bekannten Erzbischof Gänswein ein Exemplar des Buches für den Papst gegeben- in der Hoffnung, ihn vielleicht sehen zu können.
Auf Nachfragen wurde ihm gesagt, Benedetto habe das Buch bekommen und lese es.
Nun -am 13. September überbrachte ihm, zu- wie er selbst sagte- seinem großen Erstaunen die Post einen versiegelten Umschlag, der einen 11-seitigen Brief von Papa emeritus Benedetto enthielt, der mit einer Entschuldigung für die verspätete Antwort beginnt.


"Sehr geehrter Herr Professor Odifreddi, (.....) 
ich möchte Ihnen dafür danken, daß Sie sich bis ins Detail mit meinem Buch befaßt haben, insbesondere dem Teil daraus, den ich Weihnachten 2009 in meiner Rede an die Kurie vortrug,
Ich muß Ihnen auch für die Ehrlichkeit danken, mit der Sie meinen Text untersuchen und versuchen, ihm gerecht zu werden.
Mein Urteil über Ihr Buch ist ambivalent. Einige Teile habe ich mit Freude und Gewinn gelesen. In anderen Teilen habe ich mich über eine gewisse Aggressivität und voreilige Argumentation gewundert.
Verehrter Herr Professor, meine Kritik an Ihrem Buch ist in Teilen sehr hart. Aber Klarheit ist Teil eines Dialoges, nur so kann Erkenntnis wachsen.
Sie sind sehr klar mit mir gewesen und so akzeptieren Sie sicher, daß auch ich es bin.
In jedem Fall bewerte ich es als sehr positiv, daß Sie in der Konfrontation mit meiner "Einführung in das Christentum" einen offenen Dialog mit der Katholischen Kirche suchen, bei dem es trotz aller Gegensätze nicht an Übereinstimmungen fehlt.




Mehrfach schreiben Sie, daß die Theologie eine Art Sciencefiction, Phantasie sei. Bei so einer Sicht wundert es mich, daß Sie mein Buch überhaupt einer so detaillierten Diskussion für würdig halten.
Ich erlaube mir, mit 4 Punkten darauf zu antworten.

1. Ich stimme mit Ihrer Behauptung überein,  daß die einzige Wissenschaft im strengen Wortsinn die Mathematik ist, obwohl ich von Ihnen lernte, man müsse da noch zwischen Arithmetik und Geometrie unterscheiden.
Die Wissenschaft hat ihre je nach ihrem Studienobjekt eigenen Formen und Methoden. Das Essentielle ist, daß verifizierbare Methoden angewandt werden, die eigene subjektive Urteile ausschließen und die die Rationalität garantieren.

2.Sie müssen anerkennen, daß im historischen Kontext und im philosophischen Denken die Theologie dauerhafte Resultate hervorgebracht hat.

3. Eine wichtige Aufgabe der Theologie ist es, die Religion mit der Vernunft verbunden zu halten. Die Funktion beider- Religion und Vernunft- ist von essentieller Bedeutung für die Menschheit.In meinem Dialog mit Habermas habe ich gezeigt, daß es sowohl Pathologien der Religion gibt, als auch- nicht weniger gefährliche- Pathologien der Vernunft. Religion und Vernunft brauchen einander gegenseitig, sie miteinander verbunden zu halten ist eine wichtige Aufgabe der Theologie.

4.Spekulation und Pseudowissenschaft existieren im Umkreis vieler Wissenschaften. So wie Sie es über die Theorien vom Anfang und Ende der Welt von Heisenberg und Schrödinger et al sagen.
Ich würde die als Wissenschaftsspekulation im guten Sinne betrachten: es sind Visionen und Antizipationen, denen wahres Erkennen folgen soll, die dennoch nur Vorstellungen sind, mit denen wir uns der Realität zu nähern versuchen.
Im großen Stil existieren Spekulation und Phantasie im Bereich der Evolutionstheorie -auch in  ihrem Kernbereich. "Das egoistische Gen" von Richard Dawkins ist ein klassisches Beispiel für "Fantascienca"
Der große Jacques Monod hat Sätze geschrieben, die er selbst für Spekulation hielt:
"Das Erscheinen der 4-beinigen Wirbeltiere"
Er beschreibt, wie ein primitiver Fisch beschließt, an Land zu gehen, um es zu erkunden. Auf der Erde kann er sich nur ungeschickt ruckelnd vorwärts bewegen. So erzeugte er durch eine Verhaltensänderung den Evolutionsdruck, aus dem die Entwicklung von 4 Gliedmaßen resultierte.
Unter den Nachkommen dieses kühnen Entdeckers, dieses Magellans der Evolution, können einige 70 km/h schnell laufen."
( Zitat aus "Il caso e la necessita")

               

Bei allen bisher diskutierten Themen handelt es sich um einen ernsthaften Dialog, für den ich- wie ich wiederhole-dankbar bin.
Anders sehen die Dinge im Kapitel über das Priestertum und die katholische Moral aus und nochmal anders in den Kapiteln über Jesus. Wie Sie wissen, konnte ich den Mißbrauch Jugendlicher durch katholische Priester nur tief  konsterniert zur Kenntnis nehmen. Ich habe niemals versucht, diese Dinge zu verschleiern.
Daß die Macht des Bösen bis zu diesem Punkt ins Innere des Glaubens vordringen konnte, ist für uns ein Leiden, das wir einerseits ertragen müssen, während wir andererseits alles Mögliche tun müssen, daß sich solche Fälle nicht wiederholen.
Es ist kein Trost, zu wissen, daß nach den Untersuchungsergebnissen der Soziologie der Prozentsatz der Priester, die diese Verbrechen begehen nicht größer ist als der Prozentsatz Angehöriger verwandter Berufe.
Auf keinen Fall sollte man aber diese Deviation ständig als spezifisch katholisch präsentieren.
Wenn es nicht legitim ist, über das Böse in der Kirche zu schweigen, so sollte man auch nicht über den großen leuchtenden Schimmer schweigen, den der christliche Glaube in den langen Jahrhunderten verbreitet hat.


Wir müssen uns an die großen und reinen Gestalten erinnern, die der Glaube hervorgebracht hat:  bei Benedikt von Nursia und seiner Schwester Scholastica angefangen,  über Franziskus und Chiara von Assisi,
Teresa von Avila, Johannes vom Kreuz, zu den großen Heiligen der Barmherzigkeit Vincenzo de Paoli und Camillo de Cellis bis zu Mutter Teresa von Kalkutta und den großen, noblen Turinern des 8. Jahrhunderts.
Es ist wahr, daß heute der Glaube von vielen Menschen, die an der Liebe, dem Dienst am Nächsten, an der Ernsthaftigkeit und der Gerechtigkeit desinteressiert sind, zurück gewiesen wird. (...)

Das, was Sie über den Menschen Jesus sagen, ist Ihres Ranges als Wissenschaftler nicht würdig.
Wenn Sie schreiben, daß man über Jesus als historische Figur im Grunde nichts Akzeptables wisse, kann ich Ihnen nur die Lektüre der 4 Bände empfehlen, die Martin Hengel und Maria Schwemer zu diesem Thema herausgebracht haben- beispielhaft in ihrer historischen Präzision und Fülle an historischen Informationen.
Im Hinblick auf diese Erkenntnisse ist das, was Sie über Jesus sagen unbesonnen. Sie sollten es nicht wiederholen.
Daß in den Exegesen auch viele unseriöse Dinge behauptet wurden, ist unbestritten.
Das amerikanische Jesus-Seminar, das Sie auf Seite  105 zitieren, bekräftigt nur, was Albert Schweitzer in seiner "Leben Jesu-Forschung" sagte, über Aussagen, die für ihn nur ein Spiegel der Ideen der jeweiligen Autoren waren.
Derlei Aussagen waren nie das Ergebnis historischer Recherche und kompromittieren daher auch nicht den wichtigen Einfluß der ernsthaften historischen Forschung, die uns viel gesichertes Wissen über das Evangelium und den Menschen Jesus eingebracht hat.
Darüber hinaus muß ich mit Nachdruck Ihre Behauptung ( S.126) zurückweisen, ich hätte die historisch-kritische Exegese als Instrument des Antichrist bezeichnet.
Als ich über die Erzählung Solovievs "Die Versuchung Christi" sprach, habe ich seine Aussage übernommen, nach der die historisch-kritische Exegese vom Antichrist übernommen werden könne- das ist allerdings eine nicht anzweifelbare Tatsache.
Gleichzeitig habe ich immer- besonders im Vorwort des 1. Bandes meine Buches über Jesus von Nazareth- klargestellt, daß die historisch-kritische Exegese für einen Glauben unverzichtbar ist der sich nicht nur auf historische Bilder sondern auch auf historische Realität beruft und diese Realität auch wissenschaftlich beweisen können muß."


Quelle: LaRepubbica  klicken








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10 Kommentare:

  1. Selbst zurückgetreten ist der Mann brilliant!

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  2. Franziskus ist ebenso brillant. Nur hat ganz anders auf seine jesuitische, lateinamerikanische Weise. Freuen wir uns doch einfach, dass wir das einzigartige Privileg geniessen dürfen, das vermutlich in den nächste 1.000 Jahren nicht wiederkommt, zwei Päpste zu haben,zwischen die eben doch kein Blatt Papier passt. Mögen die Miesmacher von links und rechts da nölen wie sie wollen. Benedikt und Franziskus, die sich ja allerbestens verstehen und in permanentem Kontakt sind, wissen es besser. Und wir auch!

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    1. Kirchenfreund25.09.13, 00:56

      Genau, vor allem hat man diese Tatsache, dass Franziskus und Benedikt wohl sehr oft miteinander kommunizieren, weder in den deutschen Medien noch in der deutschen Kirchenführung wahrgenommen. Wahrscheinlich fragt Franziskus immer bei Benedikt nach, wenn es um deutsche Personalien geht ....

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  3. Naja es gibt dickere und dünnere Blätter Papiere. Im übrigen möchte ich langsam mal wissen was daran toll sein soll, 2 Päpste zu haben, in vergangenen Zeiten war es immer das Kennzeichen schlechter Zeiten.
    Davon abgesehen haben wir keine 2 Päpste, sondern nur einen und der ist alles mögliche nett und lieb und naiv oder superschlau und was weiß ich was, aber brillant ist er nicht!
    Hatten wir übrigens auch schon öfter, in der Geschichte.

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    1. Doch, Franziskus ist brillant. "Brillanz" ist nicht nur eine geistige, intellektuelle Kategorie. Franziskus ist brillant in seiner seelsorglichen, pastoralen Art, in der er vom Professor bis zum Müllmann jeden anzusprechen und das Herz zu erreichen versteht. Natürlich hat er nicht die Brillanz der wunderschönen, tiefen Gedanken - aber dies ist eben auch eine sehr mitteleuropäische, intellektuelle Sicht, die in anderen Teilen der Welt nicht diese Rolle spielt. Ich bleibe bei der "Papier-These" - und das Blatt Papier, das zwischen die beiden nicht paßt, ist superdünn.

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    2. Ach Ottaviani, Mantras herunterbeten ist eigentlich so gar nicht katholisch. Das sollten Sie doch eigentlich wissen. Wenn Ihnen das viel Spaß macht, mit dem Mantras murmeln, sei es Ihnen unbenommen. Nur warum müssen Sie dazu ausgerechnet unseren Blog benutzen?
      Und noch dazu ihre Mantras ausgerechnet unter einen Beitrag setzen, in dem es um einen Brief des Emeritus geht, in dem er wieder einmal anspricht, wie wichtig die Verbindung von Glaube und Vernunft ist.
      Und die Sicht auf das berühmte Blatt Papier sollten wir in Zukunft unserem Gott überlassen. Denn der ist der einzige, der weiß, was und was nicht zwischen seine KIrchenführer passt. Dafür braucht er keine Mantras. Denn die gehören in eine andere Abteilung.
      Unter einem so brillanten Text über so etwas profanes wie Papier zu diskutieren ziemt sich ohnehin nicht. Deshalb werden wir das hiermit beenden.

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  4. Also, dass diese Situation, mit 2 Päpsten in Zukunft einmalig ist glaube ich nicht. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Franziskus, sollte es gesundheitlich nicht mehr gut laufen, bis zum bitteren Ende weitermacht (womöglich noch zu Lebzeiten Benedikts)- es sei denn, er würde ganz plötzlich abberufen. Eine bizarre Vision: ein Altersruhesitz im Vatikan für die zurückgetretenen Päpste??!!

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  5. Savonerola25.09.13, 11:14

    Savonerola hat gesagt...
    dieses kindische Rechthaberauftrumpfen -doch er ist aber doch brillant ( vielleicht von einem trotzigen Aufstampfen mit dem Fuß begleitet?, Das paßt aber gar nicht zu so einem Namen Her Ottaviani!)) ist nun wirklich zu lächerlich, um unter diesem Text zu stehen. Abgesehen davon, daß der "neue" Pontifex wirklich brillant ist- allerdings nur auf einem einzigen Gebiet -der Public Relation, alles andere würde ihm sowieso auch seine Demut verbieten, oder?

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  6. Zu Bedenken ist vielleicht auch :-) daß es wohl das erste mal ist, daß ein Fundamentalatheist aus der Veröffentlichung eines Papsttextes finanziellen Gewinn erzielen wird ( weil der ganze Brief ja als Anhang seinem Buch angehängt wird).

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