Samstag, 21. März 2015

Kardinal Caffarra: das Interview zu Themen der Familiensynode

Forstetzung
Nun zum Interview von Kardinal Caffarra:   

                                "Glaube und Kultur im Kampf um die Ehe"
Ich glaube, daß es nötig ist, zunächst die Begriffe zu klären, die ich verwende, um in der Lage zu sein, präzise die Konzeption hinter den Themen meiner Überlegungen zu zeigen,.

Glaube:
daran glaube ich -"fides quae" -die Ehe betreffend. Synonym mit "Evangelium der Ehe"- ist, sowohl im objektiven Sinn, was das Evangelium zur Ehe sagt, als auch im subjektiven Sinn -was die frohe Botschaft sagt, was Ehe ist. Es muß betont werden, daß ich die Lehre zur Ehe nicht als solche reflektieren werde, sondern wie sie in einer präzisen kulturellen  Situation gelehrt wird, der Situation des Westens.
Kurz gesagt: ich werde über das Kommunizieren des Christlichen Glaubens zur Ehe innerhalb der westlichen Kultur nachdenken. Zum zweiten Begriff:

Kultur:
Damit meine ich die heute im Westen allgemein geteilte Sicht der Ehe
Mit Sicht meine ich die Art über die Ehe zu denken, besonders wie sie in den juristischen Texten der Staaten und der internationalen Institutionen ausgedrückt wird.

Meine Überlegungen sind in 3 Abschnitte unterteilt.
Im ersten versuche ich, die Umrisse der kulturellen Voraussetzungen zu skizzieren, in denen sich die Ehe heute im Westen befindet.
Im zweiten werde ich versuchen, die fundamentalen Problem zu identifizieren, die diese kulturellen Bedingungen dem Christlichen Bild der Ehe bereiten
Im dritten Abschnitt werde ich einige  fundamentale Wege aufzeigen,  das Evangelium in der heutigen Welt zu verkünden.

Bedingungen der Ehe
 
"Rari nantes in gurgite vasto" dieser berühmte Vers Vergils ist ein perfekter Schnappschuss der Bedingungen der Ehe im Westen. ( "Wenige Schwimmer in den Weiten der Fluten") Das Gebäude Ehe ist nicht zerstört, es ist dekonstruiert worden, Stück für Stück abgetragen und am Ende haben wir noch alle Teile, aber es gibt kein Gebäude mehr.
Alle Kategorien, aus denen sich eine Ehe zusammensetzt sind noch da, - Gegenseitigkeit, Elternschaft, Fortpflanzung, Brüderlichkeit. Aber sie haben keine einheitliche Bedeutung mehr.
Warum und wie konnte diese Dekonstruktion stattfinden?
Schaut man etwas tiefer, bemerkt man, daß da eine Institutionalisierung der Ehe am Werk ist, die von der sexuellen Determinierung der Person abrückt. Es wird immer denkbarer, die Ehe vollständig von der jedem der Partner eigenen Sexualität zu trennen. Diese Trennung wurde sogar auf die Kategorie Vaterschaft-Mutterschaft angewandt.
Die wichtigste Konsequenz dieser "Entbiologisierung" der Ehe ist ihre Reduzierung auf ein bloß privates Gefühl ohne jede allgemeine Relevanz.
Der Prozess, der zur Trennung der Institution Ehe von der sexuellen Identität der Ehepartner geführt hat, war lang und komplex.


Die erste Phase wurde durch die Weise bestimmt, wie man über die Beziehung der Person zu ihrem eigenen Körper denkt, ein Thema, das das christliche Denken immer begleitet hat. Ich möchte metaphorisch beschreiben, wie sich die Dinge entwickelt haben.
Es gibt Nahrungsmittel, die nach ihrer Aufnahme problemlos metabolisiert werden können, sei es sofort oder später, sie stören weder die Verdauung noch steigern sie den Cholesterinspiegel. Und es gibt Lebensmittel, die nach ihrer Aufnahme schwer verdaulich sind. Am Ende sind diese Lebensmittel sogar schädlich für den Organismus, auch auf lange Sicht.

Das christliche Denken hat die platonische und neuplatonische Sicht des Menschen aufgenommen und diese Entscheidung hat zu ernsten Stoffwechselproblemen geführt. Wie die mittelalterlichen Theologen das auszudrücken liebten: "der Wein läuft eher Gefahr, in das Wasser Platos verwandelt zu werden, als das Wasser Platos in den Wein des Glaubens."
Augustinus hat sehr deutlich und tief gesehen, daß die Schwierigkeit  in "humanitas humilitas verbi" lag, in seinem Fleisch Körper geworden zu sein.
Die rein theologische Schwierigkeit mußte immer auch eine anthropologische werden, die genau die Person.Körper-Beziehung betraf. Das große Werk des Hl. Thomas hat bestätigt, daß die substantielle Einheit der Person nicht siegreich war.

Phase 2
Die Trennung von Person und Körper findet in der charakteristischen Methodik moderner Wissenschaft neue Impulse, die aus dem Studienobjekt jede Subjektivität- als unmeßbare Größe verbannt. Der Prozess der Trennung des Körpers von der Person, als Reduzierung und Verwandlung in ein reines Forschungsobjekt, kann als beendet betrachtet werden.
Einerseits wurde der biologische Aspekt nach und nach aus der Definition der Ehe entfernt und andererseits als Resultat der Definition der Ehe, die Kategorie des Subjektiven auf puren Emitionalismus, der zentral geworden ist- reduziert.

Hier will ich ein wenig verweilen. Vor der entbiologisierenden Transformation, war das Genom der Ehe und Familie durch zwei andere Beziehungen gebildet worden: die Beziehung der Gegenseitigkeit und die Beziehung zwischen den Generationen ( Elternschaft). Diese 3 Beziehungen lagen in der Person, sie wurden als in der Person verwurzelt betrachtet. Sie konnten sicher nicht auf einen biologischen Aspekt reduziert werden, aber der biologische Aspekt wurde in das Ganze der Person aufgenommen und integriert.  Der Körper ist ein Person-Körper und die Person eine Körper-Person,
Jetzt kann die Gegenseitigkeit entweder hetero- oder homosexuell sein, Elternschaft kann durch technische Prozeduren erlangt werden.
Pier Paolo Donati hat richtig gezeigt, daß das, was wir erleben, nicht eine morphologische Veränderung ist sondern die Veränderung des Genoms von Familie und Ehe. 

Probleme die das Evangelium der Ehe schafft

In diesem zweiten Abschnitt würde ich gern die fundamentalen Probleme identifizieren, die dieses kulturelle Umfeld der Präsentation der christlichen Ehe bereiten.
Ich denke, daß das hauptsächlich weder ein ethnisches noch ein Verhaltensproblem ist. Die Bedingungen, denen sich Familie und Ehe heute gegenüber sehen, können nicht zuerst  mit moralischen Verkündigungen angegangen werden. Es ist eine radikal anthropologische Frage, die im Mittelpunkt des Evangeliums der Ehe steht. Ich möchte jetzt erklären in welchem Sinn:

Die erste Dimension der anthropologischen Frage ist die folgende:  
es ist wohlbekannt, daß nach der Katholischen Lehre das Ehesakrament mit der natürlichen Ehe übereinstimmt. Es kann nicht länger irgendeinen theologischen Zweifel über das Zusammengehören der beiden geben, sogar mit und nach Don Scotus- dem ersten, der das leugnete. Es hat in der lateinischen Kirche eine lange Diskussion zu diesem Thema gegeben
Nun, das was die Kirche mit natürlicher Ehe meinte und meint, ist durch die zeitgenössische Kultur abgeschafft worden. Wenn ich es so sagen darf: dieses Thema ist aus dem Sakrament der Ehe entfernt worden

Theologen, Kanoniker und Hirten fragen zu Recht nach der  Beziehung zwischen Glauben und Sakrament der Ehe. Aber es gibt ein radikaleres Problem. Jene die nach dem Sakrament der Ehe verlangen- sind sie zu einer natürlichen Ehe fähig? Hat es eine so große Verwüstung -nicht ihres Glaubens- wohl aber ihrer Menschlichkeit gegeben, daß sie nicht länger ehefähig sind?  
Die beiden Paragraphen des kanonischen Rechts §1096 (damit eine Ehe gültig ist, müssen beide Partner zumindest wissen, daß die Ehe eine dauerhafte Partnerschaft zwischen Mann und Frau zur Zeugung von Nachkommen ist) und § 1099 müssen sicher beachtet werden.
Nichtsdestoweniger darf auch § 1096, Artikel 2 ( dieses Nichtwissen kann nach der Pubertät nicht mehr vorausgesetzt werden) im Hinblick auf den spirituellen Zustand in dem sich viele bzgl. der natürlichen Ehe befinden, nicht vernachlässigt werden.

Die anthropologische Frage hat eine zweite Dimension, die in der Unfähigkeit besteht, die Wahrheit und in Folge das Wertvolle der menschlichen Sexualität zu erkennen. Mir scheint, daß Augustinus diesen Zustand auf die präzisest mögliche Weise beschrieben hat: "untergetaucht und geblendet wie ich war, war ich nicht fähig, an das Licht zu denken und an eine Schönheit, die es wert war, um ihrer selbst willen geliebt zu werden, die den Augen des Fleisches nicht sichtbar war- aber innerlich." (Confessiones, VI, 16, 26)

Die Kirche muß sich selbst fragen, warum sie das Lehramt des Hl. Johannes Paul II zur menschlichen Sexualität und zur Liebe ignoriert hat. Wir müssen das auch uns selbst fragen: die Kirche besitzt eine große Schule, in der sie die tiefgründige Wahrheit über die Leib-Person lernt: die Liturgie.
Wie und warum waren wir unfähig, daraus ebenso eine Lehre im Hinblick auf die anthropologische Frage , von der wir sprechen, zu ziehen?
Bis zu welchem Grad ist sich die Kírche bewußt, daß die "Gender"theorie ein wirklicher Tsunami ist, der nicht zuerst auf das individuelle Verhalten zielt  sondern auf die totale Zerstörung der Ehe und Familie?

Insgesamt zeigt sich, daß das zweite fundamentale Problem im Christlichen Verständnis der Ehe, heute die Rekonstruktion einer Theologie und Philosophie des Leibes und der Sexualität ist, fähig eine neue Erziehungsanstrengung für die Kirche als Ganzes zu generieren,

Die anthropologische Frage, die sich wegen des Zustandes der christlichen Eheverständnisses erhebt, hat eine dritte Dimension und die ist die ernsteste.


Der Zusammenbruch der Vernunft und ihres Strebens nach Wahrheit, wie in der Enzyklika "Fides et Ratio" gesagt wird, hat den Willen und die Freiheit des Menschen mit sich gebracht. Die Verarmung der Vernunft hat dann die Verarmung der Freiheit erzeugt. Als Resultat der Tatsache, daß wir an unserer Unfähigkeit die vollständige und endgültige Wahrheit zu erkennen, verzweifeln, können wir nicht glauben wir, daß ein Mensch sich wirklich auf vollständige und endgültige Weise geben kann und daß ein anderer sich uns vollständig und endgültig geben kann.

Die Verkündung des Evangeliums der Ehe hat mit der Person zu tun, deren Freiheit ihrer ontologischen Substanz beraubt wurde. Dieser Mangel an Substanz führt zur Unfähigkeit der Person an die Unauflöslichkeit der Ehe anders zu denken als an ein von außen auferlegtes Gesetz "exterius data", als an ein dem Maß der Freiheit proportional entgegengesetztes Maß. Auch das ist eine sehr ernste Frage in der Kirche.

Der Übergang des Zivilrechts von der schuldhaften Scheidung zur einvernehmlichen hat das Umfeld, in dem der heutige Mensch seine Freiheit ausübt,  geschaffen.
 

Mit dieser letzten Beobachtung sind wir in die vierte und letzte Dimension der anthropologichen Frage eingetreten, die das Evangelium der Ehe stellt:  die nach der inneren Logik staatlicher Rechtssysteme, die die Ehe und Familie betreffen.
Nicht so sehr das "quid juris"(was ist rechtens) sondern das "quid jus" (was ist richtig), wie Kant sagen würde.
Zu dieser Frage hat Benedikt XVI die Lehre der Kirche in einer seiner fundamentalen Reden- in jener, die er am 22. September 2011 in Berlin vor dem deutschen Parlament gehalten hat, klar artikuliert.

Die Rechtssysteme haben schrittweise das Familienrecht aus der Natur des Menschen entwurzelt. das ist eine Art Tyrannei des Künstlichen, die aufgezwungen wird und das Recht auf eine Prozedur reduziert.
Ich habe von der Tyrannei des Künstlichen gesprochen. Nehmen wir den Fall, dass der homosexuellen Cohabitation die Gegenseitigkeit zuerkannt wird. 
Während bis jetzt das Rechtssystem von der Voraussetzung der natürlichen Ehefähigkeit von Mann und Frau ausging, und sich selbst darauf beschränkte, die Voraussetzungen für die Ausübung dieser Fähigkeiten zu schaffen und die Form, innerhalb welcher das geschehen soll, maßt sich die gegenwärtige Justiz die Autorität an, selbst die Fähigkeit, das Recht auf Ehe auszuüben, zu schaffen.
Das Gesetz maßt sich selbst die Autorität an, das künstlich möglich zu machen, was auf natürliche Weise nicht möglich ist.
Es wäre ein schwerer Fehler, zu denken- und entsprehend zu handeln- daß die Zivilehe nichts mit dem Evangelium der Ehe zu tun hat, das nur durch die sakramentale Eheschließung betroffen wäre und die Zivilehe den Tendenzen der liberalen Geselschaft zu überlassen. 

Die Verkündung
In diesem dritten und letzten Punkt möchte ich einige Wege aufzeigen, die auf keinen Fall bei der Verkündung zur christlichen Ehe beschritten werden dürfen- und einige, wie man es machen kann.
Drei Wege müssen vermieden werden.

1. Der Traditionalistische, der eine bestimmte Form Familie zu sein mit der Familie und Ehe als solcher verwechselt

2. Der Weg der Katakomben- der es vorzieht in die Katakomben zurück zu kehren und dort zu bleiben.Konkret : die privaten Tugenden der Ehepartner genügen, es ist vom Standpunkt der Institution besser, die Ehe so definieren zu lassen, wie es die liberale Gesellschaft tut.

3. Der nachbarschaftliche Weg: der anerkennt, dass die Kultur, von der ich sprach, ein unaufhaltsamer historischer Prozess ist, und deshalb vorschlägt, sich mit ihm zu arrangieren, um das zu bewahren, was man als Gutes erkennen kann.


Ich habe keine Zeit, länger über diese drei Möglichkleiten nachzudenken, deshalb will ich jetzt einige entgegengesetzte Wege aufzeigen.


Ich beginne mit einer Beobachtung. Die Rekonstruktion der christlichen Vision der Ehe im Bewußtsein des Einzelnen und in der Kultur des Westens muß als ein langer und schwerer Prozess erkannt werden.
Wenn eine Pandemie eine Bevölkerung heimsucht, ist es am dringendsten den Erkrankten zu helfen , aber es ist auch nötig, die Ursache zu eliminieren,.

Die erste Notwendigkeit ist die Wiederentdeckung des ursprünglichen Selbstverständnisses von Ehe und Familie. Aus den Augen und Herzen den Grauen Star der Ideologie zu entfernen, der uns daran hindert, die Wirklichkeit zu sehen.
Es ist die sokratisch-augustinische Pädagogik des inneren Lehrers- nicht nur eines einfachen Konsens´.
Das ist die Wiederentdeckeung des "wisse selber", das die spirituelle Reise des Westens begleitet hat.
Das ursprünglich Evidente ist in die Natur jedes Menschen eingeschrieben. Die Wahrheit der Ehe ist nicht ein "Lex exterior data" sondern eine "veritas indita".

Die zweite Notwendigkeit ist die Wiederentdeckung der Zusammengehörikeit der natürlichen und der sakramentalen Ehe. Die Trennung der beiden führt auf der einen Seite dazu, daß man die sakramentale Ehe als etwas Besonderes, außerhalb Liegendes betrachtet und Gefahr läuft, die Institution Ehe dieser Tyrannei des Künstlichen zu überlassen, von der ich oben sprach.

Die dritte Notwendigkeit ist die Wiederentdeckung der Theologie des Leibes, wie sie im Lehramt des Hl. Johannes Pauls II gegenwärtig ist. Die Christliche Pädagogik braucht jetzt theologische und philosophische Abstrengungen, die nicht länger aufgeschoben oder auf eine bestimmte Insitution begrenzt werden dürfen.

Wie Sie sehen, bedeutet das die Überlegenheit der Zeit über den Raum anzuerkennen, von der "Evangelii Gaudium" spricht. Ich habe eher drei Vorgehensweisen als drei dringende Eingriffe angezeigt.

Auch ich bin der Meinung George Weigels, daß am Anfang der Synodendiskussion die Beziehung der Kirche zur Postmoderne stehen muß, in der der Schiffbruch und die Dekonstruktion der Ehe die dramatischte und unmißverständlichste Realität ist.

Kardinal C. Caffarra

Quelle: www.chiesa. Sandro Magister
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