Montag, 6. November 2017

Zur Kritik an Papst Franziskus

A. Gagliarducci analysiert in Monday in the Vatican die Kritik am amtierenden Pontifex und stellt sie der an den Vorgängern gegenüber.
Hier geht´s zum Original:   klicken

"WIRD PAPST FRANZISKUS TATSÄCHLICH ANGEGRIFFEN?"
"Der Fall von Fr.Thomas Weinandy, OFM Cap. liefert reichlich Stoff zum Nachdenken. Weinandy, Konsultor der Kommission für die Glaubenslehre der US-Bischofskonferenz, wurde aufgefordert, vom seinem Posten zurückzutreten, nachdem ein Brief, den er an Papst Franziskus geschickt hatte, veröffentlicht wurde.
In dem Brief hatte Weinandy den Papst dafür kritisiert, die Wichtigkeit der Doktrin herabgesetzt und einige seiner Kritiker verleumdet zu haben. Der Brief bezeugt aber auch Treue zum Papsttum und Liebe zum Papst- Pater Weinandy sagt, daß er jeden Tag für den Papst betet.

Was passiert ist, ist nicht überraschend, obwohl es das sein sollte. Ein geschätzter Theologe widmet dem Papst eine feste und gründliche Kritik. Dieser Theologe wird dann gebeten, aus Gründen der Inopportunität sein Amt zu verlassen. Trotzdem versorgt uns die Bitterkeit der Reaktion mit einem Schlüssel, um zu verstehen, wie fortgeschritten die Diskussion über den Papst ist.

Jede Situation in der Kirche schafft jetzt zwei entgegengesetzte Lager: die Papstunterstützer und die Papstkritiker. Von beiden Seiten ist der Ton in der Diskussion oft harsch geworden und das Ergebnis  ist ein Kalter Krieg. Am Ende verliert in einem Krieg eine Seite fast immer und beklagt sich dann über die Niederlage. Was in einem Krieg nie vorkommt, ist ein klarer Blick auf die Vergangenheit.
Die Vergangenheit aber hilft am Ende, die Themen zu relativieren.

Zur Zeit -hört man- ist das Narrativ das eines präzedenzlosen Angriffs gegen Papst Franziskus. Dieses Narrativ stellt fest, daß die Kritiker von Papst Franziskus jedes Detail der Handlungen des Papstes ausbeuten, um sein Verhalten, seine Worte und seine Lehre zu kritisieren.
Die Wahrheit ist, daß Kritik an Päpsten nichts Neues ist. Sie wurden etwas öffentlicher als die Massenmedien einsprangen. Und die Medien haben jetzt eine größere Reichweite.

Schauen wir in der Geschichte zurück:

Der selige Paul VI wurde  während seines Pontifikates stark kritisiert und die Kritiken kamen vor allem aus den Rängen jener Katholiken, die seine Wahl enthusiastisch gefeiert hatten. Der Papst des II. Vaticanischen Konzils wurde in der Tat berufen, um die postkonziliare Periode in der Kirche ins Gleichgewicht zu bringen. Paul VI mußte viele Demonstrationen von Dissenz ertragen, die lautstärkste war die säkulare Medienkampagne, die gestartet wurde, um seine Enzyklika Humanae Vitae zu kritisieren.





Paul VI wurde auch von Kritikern von Innen angegriffen- wie z.B. vom Historiker Franco  Bolgiani, der dem Erzbischof von Turin, Kardinal Michele Pellegrino, nahe stand. Diese Geschichte wird von einem alten Vaticanista- Luigi Accattoli- in einem Artikel erzählt.
Währensd  einer Konferenz der Ital. Kirche, hielt Bolgiani einen Vortrag, in dem er darauf bestand, daß die Wahl "Pauls VI für Italien und die ganze Welt ein großes Versprechen war" aber Bolgiani fügt hinzu, daß das Pontifikat "Zeichen einer Korrektur und eines Richtungswechsels" zeige, So beschrieben Katholiken die Lage, während die säkularen Medien von "Wende und Versagen" sprachen.

Vittorio Gorresio hat 1973 in einem Buch mit dem Titel "Der Papst und der Teufel"  festgestellt, daß "die 10 Jahre des Pontifikates von Paul VI ein nie endender Versuch waren, einen Dialog mit der zeitgenössischen Welt herzustellen. In diesem Dialog war Paul VI nicht  erfolgreich"
Der Grund dafür war- sagte Gorresio- daß der Papst den alten Gedanken vom Teufel in den Dialog eingeführt hatte.

Was war am Ende das Modell der Kirche, nach dem die Kritiker Pauls VI suchten?  Es war das einer säkularisierten Kirche im Dialog mit der zeitgenössischen Welt, die deren säkulare Sprache benutzt."

Dieses Modell einer Kirche, lag auch vielen Kritiken am Hl. Johannes Paul II während seines Pontifikates zugrunde. Der Brief der 62 Theologen und Katholischen Gelehrten an Papst Franziskus, der seine Positionen in Amoris Laetitia kritisiert, ist kein Ausnahmefall. Der Hl. Johannes Paul II sah sich viel härteren Angriffen gegenüber.

Der Veröffentlichung des "Ratzinger-Berichts", dem Interview-Buch des damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, folgte 1989 eine starke Reaktion- mitten in der Diskussion über die Ernennung des neuen Erzischofs von Köln, die von deutschen Theologen nicht begrüßt wurde.
Letztere schrieben eine Art offenen Brief, der von 162 deutschsprechenden Theologen unterschrieben wurde. Der Brief wurde dann auch in den Niederlanden verbreitet, wo er weitere
17.000 Unterschriften sammelte. Der Brief wurde von mehr als 100 Katholischen Gruppen begrüßt und es gab ähnliche Reaktionen in Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, Brasilien und den USA.

Der Brief sollte als Ganzes gelesen werden, weil viele der angesprochenen Themen immer noch aktuell sind.
Er beschreibt das II.Vaticanische Konzil als "radikale und irreversible" Wende im "Verständnis des kirchlichen Glaubens". Er sagt, daß das Glaubenserbe "keinen absoluten Wert hat" sondern seinen Wert wegen seiner "pastoralen Connotation" gewinnt, die eine gläubige Interpretation der Wahrheit innerhalb der bestehenden historischen Existenz der Gemeinschaft ist."
Der Brief beschreibt den Hl. Stuhl auch als von einer "privilegierten Mentalität" geprägt, während er der "Idee von der Kirche als einer Kommunion der Kirchen" Raum geben sollte. Der Brief fordert auch ein Überdenken der Funktion des Lehramtes.

Diese Themen sind immer noch aktuell und viele von ihnen werden sogar in einigen Teilen der apostolischen Exhortation "Evangelii Gaudium" von Papst Franziskus vorgeschlagen, besonders in dem Abschnitt über die Autonomie der Ortskichen.
Ein Schub zu einer größeren Autonomie der Ortskirchen kann auch im Brief festgestellt werden, den Papst Franziskus an Kardinal Sarah, Präfekt der Liturgiekongregation, geschickt hat- zur korrekten Interpretation des Motu Proprio "Magnum Principium", das den Bischofskonferenzen bei der Übersetzung liturgischer Texte größere Freiheit einräumt.

Die Themen des Kölner Briefes wurden von Italienischen Theologen in dem sog. "Dokument der 63" vom 15. Mai 1989 wieder aufgenommen. Dieses Dokument entstand aus dem "Unbehagen, das einige angesichts der Haltung der zentralen Kirchenautorität in der Lehre, Disziplin und auf institutionellem Gebiet verspürten" und wegen "des Eindrucks. daß es in der Katholischen Kirche nur so von regressiven Impulsen wimmelt."

Diese Arten des Dissenses führten zur Entstehung der Bewegung "Wir sind Kirche". Der Hl. Stuhl reagierte mit mehreren Dokumenten: "Donum Veritatis" von 1990, ein Dokument zur kirchlichen Berufung des Theologen, dessen Autor Kardinal Ratzinger war.
"Veritatis Splendor" 1993, eine Enzyklika des Hl. Johannes Pauls II zum Primat der Wahrheit;
und vor allem die Revision des Glaubensbekenntnisses durch das Dokument "Ad Tuendam Fidem (1998), das einen formalen Entwurf für das Konzept der "endgültigen Wahrheit" enthält.

Auch Papst Benedikt XVI war Ziel von Kritiken, aber - unglaublich aber wahr- diese Kritiken kamen nicht nur von Liberalen sondern auch aus dem traditionalistischen Sektor. Der Vatican-Veteran Sandro Magister hat die Kritiken an Benedikt in einem Artikel vom 8, April 2011 wiedergegeben.
Er stellte fest, daß die Ankündigung Benedikts nach Assisi zu fahren, um einen Tag "des Überlegens, des Dialogs und Gebetes" zur Erinnerung an den 25. Jahrestag des ersten Treffens in Assisi zu begehen, das im Traditionalisten-Sektor einen Aufruhr hervorgerufen hatte- so sehr sogar, daß ein öffentlicher Appell gegen den Beschluss Benedikts unterschrieben wurde.
Die Kritik der Traditionalisten an Papst Benedikt- stellte Magister fest- hatte an Intensität zugenommen- und gab so eine wachsende Enttäuschung wegen der restaurativen Erwartungen an das Pontifikat wieder " weil der Papst" seine Kritik auf die postkonziliare Degeneration der Kirche beschränkte und seine Kritik nicht gegen das II.Vaticanische Konzil als Ganzes richtete.

Es gibt eine ganze Serie von Beispielen, die zeigen, wie es immer Kritik und sogar Rebellion gegen den amtierenden Papst gegeben hat und wie sie manchmal auch als gewalttätig betrachtet wurde.

Was überrascht, ist, wie die Kritik an Papst Franziskus sich jetzt verschärft-bis zu dem Punkt, daß sie manchmal sogar als Plan beschrieben wird, den Papst zu deligitimieren.

Es ist wahr, daß es in der Vergangenheit harte Diskussionen gegeben hat und viele sich über die Entscheidungen des Hl. Johannes Pauls II beschwerten. Und jedes Pontifikat ein Belohnungs-Sytem beibehielt, in dem Leute, die dem Denken des amtierenden Papstes näher standen, Machtpositionen erhielten, während andere marginalisiert wurden.

Aber die Diskussion dieser Tage ist vergiftet worden, So vergiftet, daß der Papst daran dachte, einem Kardinal direkt mit einem Brief zu antworten und ihn sogar dazu aufzufordern, seinen Brief an die websites zu schicken, die die dezeitige Lage mit anderen Worten beschrieben hatten. Und es war nicht das erste mal, daß Papst Franziskus  auf seine Kritiker einschlug.
Das passierte auch während der Synode, nachdem  ein von 13 Kardinälen unterzeichneter Brief, der tiefe Sorgen über die Prozeduren der Synode ausdrückte, dem Papst zugestellt wurde.

Allgemein wird jede Kritik an diesem Papst als Akt des Verrats interpretiert. Das ist in vielen Fällen vorgekommen und besonders im Hinblick auf Amoris Laetitia, Papst Franziskus´postsynodale Exhortation, die immer noch Diskussionen auslöst.
Kardinal Gerhard Ludwig Müller, emeritierter Präfekt der Glaubenskongregation, hat noch einmal unterstrichen, daß es nur eine Art gibt, "Amoris Laetitia" zu lesen und das ist durch die Linse der Tradition. Die Professoren José Granados und Joseph Kampowski haben das selbe in einem Buch mit dem Titel "Amoris Laetitia, Richtlinien" getan.

Diese Art der Interpretationen werden durch ein Narrativ erstickt, das versucht, eine Ruptur festzustellen, die noch größer ist, als der Papst selber behauptet, während die Medien eine Agenda weiter vorantreiben, die manchmal hinter dem Rücken von Papst Franziskus verfolgt zu werden scheint.

Wie sehr sich der Papst dieser Agenda bewußt ist, muß man noch sehen. Im Buch "Latino América" - einem buchlangen Interview, das der Papst dem Argentinischen Journalisten Hernan Reyes Alcalde gewährte, kann man viele der Themen der Katholischen Dissidenten von 1990 wiederfinden, und manche werden vom Papst aufgenommen.

Aber der Papst betrachtet diese Themen von einem lateinamerikanischen Blickwinkel aus, mit der verborgenen Notwendigkeit, einer Theologie eine neue Würde zu geben, die er als zu sehr der Westlichen Theologie unterworfen zu sein ansieht. Sicher hat dieser lateinamerikanische Schub zu größerem Raum und Gewicht- den Raum für das Wiederauftauchen der liberaalen Agenda auf der Bühne gegeben. Aber die Liberalen gehen jetzt ziemlich heftig vor, auch wenn ihre Reaktionen respektvoll zu sein scheinen.
Das ist eines der Resultate des Klatsch-und -Tratsch-Terrors, vor dem der Papst uns immer warnt."

Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci

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