Donnerstag, 19. Juli 2018

Sandro Magister zum Kampf um "Humanae Vitae"

Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo Gilfredo Marengos Buch "Die Entstehung einer Enzyklika "Humanae Vitae" im Licht der Vaticanischen Archive" - das nicht ganz das Ergebnis wiedergibt, das die Vertreter des Paradigmenwechsels und einer Revision der Enzyklika erwartet hatte.  Hier geht´s zum Original: klicken

"HUMANAE VITAE. SO ENTSTAND SIE UND WEHE DEM, DER SIE ANRÜHRT."

"Die Kampagne die "Humanae Vitae"zerstören soll- die die  Enzyklika Pauls VI von 1968, die Nein zur künstlichen Empfängnisverhütung sagte- hat begonnen und ist in den letzten Tagen auf ein unerwartetes Hindernis gestoßen -in einem Buch, das die Entstehung dieses Textes -Dank des erstmaligen Zugangs zu den betreffenden geheimen Dokumenten, von Papst Franziskus persönlich angeordnet, rekonstruiert.

Gilfredo Marengo, "Die Entstehung einer Enzyklika, 'Humanae vitae' im Licht der Vaticanischen Archive" Libreria Editrice Vaticana, Città del Vaticano, 2018.

Das Hindernis ist umso ernster zu nehmen, als die Vertreter eines "Paradigmenwechsels" - d.h. einer Liberalisierung von Kontrazeptiva- von Kardinal Walter Kasper  bis zu dem Theologen Maurizio Chiodi, Urheber der jetzt berühmten Konferenz in der Päpstlichen Gregoriana-Universität, der -mit offensichtlicher Zustimmung von Papst Franziskus- den Startschuß zur Kampagne gab, von diesem Buch kein Hindernis sondern einen weiteren Schub für ihre Ideen erwartet hatten,

Der Autor des Buches war-de facto- der Koordinator der Studiengruppe, die vor mehr als einem Jahr im Vatican genau im Licht eines Klimas der Revision von "Humanae Vitae" gegründet wurde.
Mitglieder waren außer Marengo der Theologe Pierangelo Sequeri, der vom Papst als Leiter des Johannes Paul II-Institutes für die Wissenschaft von Ehe und Familie ernannt wurde, Angelo Maffeis vom Paul VI-Institut in Brescia und der Historiker Philippe Chenaux von der Päpstlichen Lateran-Universität.

Die Vertreter der "Überwindung" der Lehre von Humanae Vitae haben die Einrichtung dieser  Studiengruppe mit großem Beifall begrüßt, als sie sahen, daß sie von einem der ihren, Erzbischof Vincenzo Paglia, Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben und Kanzler der Johannes Paul II Institutes, der dem Papst sehr nahe steht, organisiert wird.
Am vergangenen 8. März ging die Zeitung der Italienischen Bischofskonferenz "Avvenire" in ihrer zu großer Nähe zu den Erneuerern- so weit, überraschende Ergebnisse der von der Päpstlichen Akademie für das Leben autorisierten Studie bzgl. der Entstehung und also auch einer liberaleren Interpretation von "Humanae Vitae" anzukündigen.





Inzwischen jedoch, am 9. Mai, kam für die Erneuerer die erste Enttäuschung durch das maßgebendste Mitglied der Studiengruppe, Sequeri, der in einer Gelehrtenkonferenz zu "Humanae Vitae" an der Katholischen Universität Mailand, "die Praxis, die die künstliche Sterilisation für den ehelichen Akt bereithält und durchführt, als nicht zu rechtfertigen " bezeichnete.

"Überraschung. Unter den Männern von Franziskus ist einer, der Humanae  Vitae verteidigt."

Aber jetzt, nach der Veröffentlichung von Marengos Buch ist aus der Überraschung Bestürzung geworden. Weil das Buch mit der Kraft der Tatsachen den Lieblingsideen der Vertreter der Veränderung widerspricht.

Es genügt de facto, die Zusammenfassung des von Andrea Tornielli bei Vatican Insider vorgestellten Buches zu lesen, einer zuverlässigen Quelle, wenn man ihre Nähe zu Papst Franziskus bedenkt, um zu verstehen, warum es ein substantielles Versagen bei der Strategie gab, als man zusammen mit den geheimen Dokumenten der Vorbereitung der Enzyklika Pauls VI einige Vorwände für eine Rücknahme der Lehre zur Schau stellte.

So ist es z.B. wahr, daß Paul VI die beiden zukünftigen Kardinäle Jacques-Paul Martin und Paul Poupard, zu der Zeit Mitarbeiter des Staatssekretariates, beauftragte, den ersten Entwurf der Enzyklika neu zu schreiben, die vom Theologen des Päptlichen Haushalts- auch er ein zukünftiger Kardinal- Mario Luigi Ciappi verfaßt worden war. Aber in beiden Entwürfen zeigt sich, daß die doktrinalen Aussagen die gleichen sind, wenn auch etwas unterschiedlich formuliert.
Und auch der zweite Entwurf stellte Paul VI nicht zufrieden, so wenig, daß er ihn erneut korrigierte, um das zu entfernen, was ihm zweideutig erschien und es durch eigene Neuformulierungen oder die des Theologen seines Vertrauens, den Mailänder Carlo Colombo, zu ersetzen.

Genauso wird durch die Tatsachen widerlegt, daß Paul VI bei der Vorbereitung der Enzyklika die Gebote der Synodalität und Kollegialität übersah, die heute-paradoxerweise- während eines der monokratischsten Pontifikate der Geschichte- so gepriesen werden.

1967 -ein Jahr vor der Veröffentlichung- bat PaulVI ungefähr zweihundert Synodenväter, die sich in Rom zur ersten ordentlichen Versammlung der Bischofssynode zusammengefunden hatten, ihm ihre Meinung vertraulich mitzuteilen. 26 von ihnen antworteten ihm mit Ansichten, die im Buch vorgestellt werden. Unter denen, die sich für das Nein aussprachen, war ein zukünftiger Papst, Karol Wojtyla, und der sehr populäre amerikanische Bischof Fulton Sheen, mit einer großen Predigt-Begabung- auch er auf dem Weg zur Ehre der Altäre.
Wojtyla, der damalige Erzbischof von Krakau, deutete in den Aufzeichnungen, die er an Paul VI sandte, die Ausweitung der Lehre von "Humanae Vitae" an, die er später einleiten sollte.

Unter denen, die für die Zulassung von Kontrazeptiva waren, waren einige erstrangige Kardinäle und Bischöfe aus den Reihen des progressiven Lagers, von Suenens über Döpfner zu Léger.
Und in der von Johannes XXIII eingerichteten und dann von seinen Nachfolgern gestärkten  wichtigen Studienkommission,  gab es sogar noch mehr, die dafür als dagegen waren.
Aber Marengos Buch bestätigt die Tatsache, daß Paul VI auch ihre Positionen "sehr sorgfältig prüfte"  wies sie- wie er später im Vorwort der Enzyklika  schrieb-zurückwies, nur weil er in ihnen "Kriterien für eine Lösung dieser Frage erkannte, die von der Morallehre zur Ehe abwichen, wie sie vom immerwährenden Lehramt der Kirhe gelehrt wurde."

Mit anderen Worten:  aus dem Buch kann man schließen, daß Paul VI -weit da von entfernt bis zum Schluß zögerlich und voller Zweifel zu sein- "Kraft der Uns von Christus anvertrauten Mandats" genau diese Unterscheidung traf, die heute so gepriesen wird und die-im gleichen Jahr, 1968, ihn zur feierlichen Bestätigung der fundamentalen Wahrheiten des Katholischen Glaubens gegenüber weitverbreiteten Zweifeln veranlaße, durch die öffentliche Proklamation dessen zu bestätigen, was er das  "Credo des Gottesvolkes" nannte.

Wie bekannt ist sah sich "Humanae Vitae" sofort einem  massiven Widerstand gegenüber, sogar von wichtigen Teilen der Hierarchie. Aber Paul VI ist nie zurückgewichen. Im Gegenteil, er ist immer dabei geblieben, daß das einer der wichtigsten Punkte seiner Mission als Nachfolger Petri war.
In seiner letzten öffentlichen Predigt am Fest der Heiligen Petrus und Paulus 1978 in einer Zusammenfassung wies er darauf hin, daß "Humanae Vitae" und das "Credo des Gottesvolkes" das Wichtigste in seinem Pontifikates waren.

Den Vertretern einer Revision von "Humanae Vitae" bleibt jetzt nichts anderes zu tun, als darauf zu bestehen- wie sie es tun- daß ihre Lehre "weder unfehlbar noch unreformierbar ist", wie effektiv zur Zeit ihrer Veröffentlichung durch einen führenden Theologen der Päpstlichen Lateran-Universität, Ferdinando Lambruschini, festgestellt wurde, die nach dem aktuellen Narrativ in diesem Sinne auf direkte Forderung des Papstes gemacht wurde.

Tatsache ist jedoch, daß unmittelbar nach diesen Feststellungen Lambruschini aus seinem Lehramt entfernt und zum Erzbischof von Perugia ernannt und im Lateran durch einen extrem strengen Moraltheologen, Ermenegildo Lio, ersetzt wurde.

Um nicht zu erwähnen, daß so gesehen, die Frage ein bißchen am Thema vorbei geht, weil "Humanae Vitae" keine Proklamation einer Glaubenslehre  enthält und sich deshalb selbst nicht als "definierendes Lehramt" präsentiert sondern eher als "definitives Lehramt" , was eine Bestätigung einer immerwährenden Lehre der Kirchengeschichte bedeutet, wie der Nachfolger Pauls VI, Johannes Paul II, in einer erinnerungswürdigen Rede zum zwanzigsten Jahretag der Enzyklika in Erinerung rief:
 "Humanae Vitae" unter Belagerung, aber das geht nur über die toten Körper von Wojtyla und Caffarra." 

Quelle: Settimo Cielo, S. Magister 

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