Montag, 8. April 2019

Welche Kirche spricht Papst Franziskus in "Christus Vivit" an?

In seiner montäglichen Kolumne in "Monday in the Vatican" kommenterit und kritisiert A. Gagliarducci die postsynodale Exhortstion "Christus vivit" - weil sie u.a. pauschale Urteile über eine so nicht existierende Kirche fällt und außer einem verabsolutierten Konzept des "Zuhörens" keinerlei Lösungsmöglichkeiten für den Mangel an Berufungen anbietet.
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"PAPST FRANZISKUS UND DIE KIRCHE,  AN DIE ER SICH WENDET"

"Mit der postsynodalen Exhortation "Christus Vivit" hat Papst Franziskus schließlich ein Dokument verfaßt, das die Diskussionen der Jugend-Synode umfaßt. Anders als Amporis Laetitia hinterläßt Christus Vivit keine offenen Fragen. Eher ist das Dokument ein Schnappschuß der Wirklichkeit, das einige allgemeine pragmatische Vorschläge und bietet viele Beispiele aus den Evangelien und von Heiligen.

Das Dokument enthält aber einen kritischen Mangel: es ist nicht klar, worauf aus welche Kirche es sich bezieht. 

Viele Passagen des Dokuments erscheinen ungerecht gegenüber einer Kirche, die de facto lebt, gegenwärtig ist und sich an die jungen Menschen zuwendet. Diese Kirche ist Protagonistin einiger außerordentlichen Evangelisierungsgeschichten, besonders in den Jahren, die dem Zweiten Vaticanischen Konzil -aber auch vorher. Papst Franziskus kannte diese Kirche gut und bewunderte sie. 

Im Besonderen fordert das Dokument die Einrichtung eines "populärem Jugenddienstes" . Allein dieser Satz erscheint zutiefst unfair. 

Der populäre Jugenddienst hat- laut dem Dokument- "einen anderen Stil, Plan, ein anderes Tempo und eine andere Methode."

Dieser Jugenddienst ist "weiter angelegt und flexibler" und geht hinaus zu den Orten wo die wirklich jungen Menschen agieren und nährt die natürliche Führerschaft, Qualitäten und Charismen., die der Hl. Geist ausgesät hat."

Am Ende liest man : "Er versucht zu vermeiden, vor diesen junge Gläubigen, die natürliche Führer in ihrer Nachbarschaft und anderen Umgebungen sind, Hindernisse, Regeln, Kontrollen und verpflichtende Strukturen zu errichten.

Diese Beschreibung liefert das Bild einer in sich selbst verschlossenen Kirche, die nicht nur gegenüber der Jugend abweisend ist, sondern sogar unfähig, sie zu erreichen. Es ist die Kirche des "du sollst nicht", der moralischen Vorschriften. Das ist nicht eine Kirche, die die jungen Menschen begleitet. 





Dieses Bild der Kirche wird in anderen Teilen des Dokuments unterstrichen. wo festgestellt wird, daß es 
manche Orte gibt, an denen die jungen Menschen zu einer machtvollen Begegnung mit Gott und mit Jesus geführt werden, die ihre Herzen berührt. Aber das einzige, was folgt, ist eine Reihe von "formenden Treffen" mit Reden über doktrinale und moralische Themen."

Auf diese Weise "werden viele junge Menschen gelangweilt und verlieren das Feuer ihrer Begegnung mit Christus  und die Freude, ihm zu folgen; viele geben auf und werden entmutigt oder negativ." 

Schließlich unterstreicht Papst Franziskus, daß "wir -bevor wir uns sorgen, viele Doktrinen zu kommunizieren- lieber versuchen sollten, das große Erlebnis zu erwecken und zu festigen, das das Christliche Leben  trägt."

Ist es wirklich so? 

In einigen Fällen mag es so sein. Aber es gibt viele Beweise, die bezeugen, daß das allgemeine Bild vollkommen anders ist. 

Der Hl. Johannes Paul II hat den "Weltjugendtag" geschaffen, der Millionen junger Menschen anspricht und zu einem Treffen wurde, das nicht fehlen darf. 

Dieses Treffen fand mit Benedikt XVI neue Kraft. 2005 fügte Benedikt XVI in das Programm des Weltjugendtages die Eucharistische Anbetung ein. Das war ein Weg, Christus wieder in den Mittelpunkt zu stellen anstatt des Ereignisses selbst.  Nicht zufällig ist der Zeitpunkt der Anbetung jetzt bei den Weltjugendtagen, der Augenblickj, der am meisten mitgefühlt und erwartet wird- trotz Papst Franziskus´ großen Charismas. 

Seltsamerweise erwähnt der erste Entwurf des Schlußdokumentes der 2018-Synode den Hl. Johannes Paul II nicht einmal. Das haben polnische Bischöfe kraftvoll verlangt und am Ende wurde der Hl. Johannes Paul II zumindest im Text erwähnt.

Allgemein gesagt, arbeitet die Jugendpastoral seit Jahren daran, die jungen Leute und die Orte, wohin sie gehen, zu erreichen. Sie versucht eine erneuerte Sprache zu benutzen, ohne die harten Themen aus dem Blick zu verlieren. Viele kirchliche Bewegungen, die nach dem II.Vaticanischen Konzil entstanden sind, haben hart daran gearbeitet. 

Es ist kein Geheimnis, daß der Neokatechumenale Weg immer noch in der Lage ist, zu Berufungen unter jungen Menschen und einem missionarischen Geist zu führen. Um ein anderes Beispiel zu nennen: die Focolare-Bewegung ist immer noch in der Lage, Katholiken und Christen anderer Konfessionen, Menschen anderer Religionen und sogar Menschen ohne Religion im Gedanken der Einheit zusammen zu bringen. 

Das sind zwei Beispiele, die Papst Franziskus gut kennt: er war in Loppiano, um die Stadt der Focolare-Bewegung zu besuchen und er hat den 50 Jahrestag des Neokatechumenalen Weges in Rom gefeiert. 

Papst Franziskus hat den Hl. Johannes Bosco in Turin geehrt und mit ihm eine Reihe von sozialen Heiligen vom Ende des 19. Jahrhunderts, die einen ganz neuen Versuch einer Jugendpastoral entwickelten. Die salesianischen Gebetsstätten sind immer noch Versammlungsort für junge Menschen. Dieses Modell wurde rund um die Welt imitiert und wiederholt- gemäßt einem modus operandi, der die Jugendlichen anzieht und unterstützt und sie nicht in vorfabrizierten doktrinalen Schemata einengt. 

In Italien gibt es mindestens einen Hinweisdd darauf, daß junge Menschen nach radikalen Standpunkten zu Glaubensfragen suchen: die 10-Gebote-Treffen von Pater Fabio Rosini, einem außerordentlichen Prediger, der stark und radikal ist und dennoch die Massen anzieht. 

Es gibt viele andere Beispiele. Überall in der Welt arbeitet die Kirche daran. junge Menschen zu erreichen und gleichzeitig das Wort Gottes auf kreative Weise zu verkünden. Diese Kreativität wird in Erziehung und Empathie gefördert. Nicht zufällig hat Peter Tabichi, ein Kenianischer Bettelmönch den Preis als bester Lehrer der Welt gewonnen. 

Überall werden Katholische Schulen als prestigeträchtig angesehen, so sehr, daß sogar Nichtkatholiken sie für die Erziehung ihrer Kinder aussuchen. Katholische Schulen sind der Ort, an dem Jugendliche Glauben durch Anziehung erleben können. Sie können sogar konvertieren. 2017 wurde das bei einem von der Europäischen Bischofskonferenz organisierten Symposium für Jugendpastoral in Europa berichtet.

Es ist nicht zu leugnen, daß es auch andere und schlimmere Situationen gibt. Nicht alles wird richtig gemacht. Ebenso ist nicht zu leugnen, daß diese Haltung der Kirche. die sich nicht ausstreckt, wie sie in der postsynodalen Exhortation beschrieben wird, unfair gegenüber der Arbeit so vieler ist. 

Das Thema geht sogar noch tiefer, wie man schon an den Arbeitsdokumenten der Synoden von 2014 und 2015 feststellen konnte: es gibt einen Mangel an Gemeindepfarrern. Diese Thema wird jetzt zur Seite geschoben.

Über die spezifische Formung zu bestimmten Themen hinaus, "schmiedet"  der gut ausgebildete Gemeindepfarrer die Gemeinde. Der Gemeindepfarrer lehrt die Gründe für ein christliches Leben und warum es möglich ist, aus diesen Gründen ein freudvolles Leben zu führen. Der Gemeindepriester ist der Bezugspunkt für die Gemeinde: er konsekriert die Eucharistie - den Mittelpunkt der Kirche.

Am Ende scheint diese ganze Aufmerksamkeit nach außen gerichtet zu sein. Man glaubt, daß die Kirche während dieser Jahre darin versagt hat, neue Berufungen hervorzurufen und Gemeindepriester heranzuziehen, die in der Lage sind, ihre Gemeinden mit gesundem Menschenverstand und klug zu leiten. Das sind zwei Eigenschaften, die nicht banal sind. Man kann ein guter Priester sein, sogar ein großer Theologe, aber das garantiert nicht automatisch, daß man ein guter Gemeindepreister wird.

Das Thema der Ausbildung der Gemeindepriester ist zeitlos. Das postsynodale Dokument ergeht sich- dem Trend zur Entklerikalisierung folgend- in der Ausbildung von Gemeindeleitern.  Entklerikalisierung bedeutet jedoch nicht einfach, die Preister aus der Leitung zu entfernen. Sie bedeutet eher zu versuchen. einer Mentalität vorzubeugen. die die priesterlichen Funktionen über die menschlichen Qualitäten des Priesters stellt.

Die Kirche wird dann als ein Ort beschrieben. in dem Priester marginalisiert werden, in der Gemeindepriester nicht zählen und in der man auf die Jugend hören muß. Das Thema des Zuhörens ist auch ein zweischneidiges Schwert: wie viele junge Leute denken, daß man ihnen nicht zuhört, weil die Kirchenmänner die großen Themen nicht ansprechen?  Und bis zu welchem Ausmaß führt die Verabsolutierung des Konzeptes des Zuhörens zum Fehlen der wirklichen Botschaften? 

Der langjährige Missionar Fr. Piero Gheddo hat das Fehlen der Botschaft Christi als im Zentrum der Abnahme der missionarischen Berufungen stehend identifiziert. Seine Überlegung wurde durch die Schließung eines Missions-Magazins ausgelöst.
Dieses Problem trifft auf die ganze Kirche zu. Es ist kein Zufall, daß die Zahl der Priester erstmals seit 10 Jahren abgenommen hat.  Es gibt keine Berufungen, weil es keinen Grund für eine Berufung gibt. Wenn es nur um das Zuhören geht, gibt es keine Wahrheit, die es wert ist, sich für sie einzubringen.

Christus Vivit scheint am Ende ein Dokument zu sein, daß die Probleme nicht an der Wurzel anpackt. Es beschreibt eine nicht existierende -oder teilweise nicht existierende- Kirche. Jeder wird wegen irgendetwas beschuldigt, aber es gibt keine Hinweise auf reale Lösungen. Die Exhortation trägt alle Begrenzungen der 2018-Synode in sich. Und vielleicht sagt sie schon etwas darüber aus, wie die Pan-Amazonas-Synode 2019 sein wird."

Quelle: Monday-in-the-Vatican, A. Gagliarducci 

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