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EINE GANZ "FRANZISKANISCHE" POLITIK
Zu den in die Länge gezogenen Reden vor den "Volksbewegungen" kann die hinzugezählt werden, die Papst Franziskus am 27. November 2015 vor den jungen Leuten in den Slums von Nairobi hielt - auch sie mit dem Lobpreis der in armen Umgebungen zu findenden Weisheit der Eingeborenen, in der selben Perspektive wie auch seine unaufhörlichen Gesten, Reisen und Reden betreffs der Migranten.
Man muß jedoch auch die Rede, die Bergoglio auf dem Gipfel der lateinamerikanischen Richter Anfang Juni 2019 im Vatikan - ein Jahr nach einem ähnlichen Gipfel in Buenos Aires - zum Thema der sozialen Rechte und der Menschenrechte gehalten hat und die "Franziskanerlehre" (nicht in Bezug auf den Heiligen Franziskus von Assisi, sondern auf den Papst, der seinen Namen trägt), auf die selbe Weise neu interpretieren.
Auch dies war eine lange Rede mit ausführlichen Hinweisen auf die zweite der drei Reden, die- an die "Volksbewegungen" gerichtet- in Bolivien gehalten wurden und die klar nicht von seiner Hand geschrieben worden waren. wenn auch mit seiner vollen Zustimmung, vielleicht von einem der anwesenden argentinischen Richter, z.B. Raúl Eugenio Zaffaroni, einem prominenten Mitglied des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Befürworter einer „kritischen Theorie“ der Kriminologie, die die Entstehung von Verbrechen und die Natur des Rechtes auf die Struktur der sozialen Klassen und auf Ungleichheit zurückführt.
„Es gibt keine Demokratie mit Hunger, es gibt keinen Fortschritt mit Armut, es gibt keine Gerechtigkeit mit Ungleichheit“: so fasste Franziskus seine Vision unter tosendem Applaus zusammen.
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Wie soll man an diesem Punkt Franziskus´ politische Vision bewerten?
Zu den überzeugendsten kritischen Stimmen gehört die von Sergio Belardinelli, Professor für Soziologie der Kulturprozesse an der Universität Bologna und ehemaliger Protagonist des „Kulturprojekts“, das die italienische Kirche in den Jahren unter Kardinal Camillo Ruinis Führung beschäftigte.
In dem Buch, "Am Beginn einer neuen Welt", das er zusammen mit seinem Soziologen-Kollegen Angelo Panebianco geschrieben hat, das von Mulino am Vorabend der Europawahlen 2019 veröffentlicht wurde, sagte Belardinelli :
„Wir geben zu, daß das Lehramt der Päpste, die Papst Franziskus vorangingen, sich zu sehr auf sogenannte "nicht verhandelbare" Themen wie Leben und Familie konzentriert hat. Aber sind wir sicher, daß die Tatsache, daß wir jetzt andere Themen wie den Umweltschutz, die Kritik am Marktkapitalismus oder Themen der Dritten Welt bevorzugen, als ein Fortschritt betrachtet werden muss? […] Ich habe den Eindruck, daß die Verurteilung der Ursachen dieser Übel, durch die heutige Kirche zu „menschlich“ ist. Es ist ein bisschen so, als würde man den Markt und das Laissez-faire als Hauptverursacher herausstellen, denn diese Angelegenheit ist ziemlich umstritten - und so die ungeheure, tragische Ernsthaftigkeit des Bösen, das verurteilt werden soll, abmildert.
Mit der Folge, daß der prophetische Impuls der Verurteilung gerade dadurch geschwächt wird, daß er zu sehr an die Logik der Welt gebunden, zu politisch und nicht eschatologisch genug erscheint. “
Und weiter - auf den Spuren von Niklas Luhmann, dem zufolge es in einer säkularisierten Gesellschaft selbstverständlich ist, daß „Religion, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, mit einem Wort, alle sozialen Systeme sich immer mehr auf ihre eigene Funktion spezialisieren“ - schreibt Belardinelli :
"Die säkulare Gesellschaft -so überraschend das auch sein mag, braucht dringend jemanden, der in einer nicht allzu alltäglichen Sprache über Gott spricht. […] Aber wovon muss man sprechen? Bei Pascal ist es sicherlich angebracht, aus der ungerechten Perspektive des "Gottes der Philosophen" herauszukommen und in die des "Gottes Abrahams und Jesu Christi" einzusteigen. Es erscheint mir jedoch nicht vernünftig, diesen Gott, der die Liebe und Barmherzigkeit ist- in starkem Kontrast zu dem im Katechismus rezitierten „vollkommenen Wesen, Schöpfer und Herrscher über Himmel und Erde“ wahrzunehmen. […] Ein Gott, der nicht allmächtig ist und die Welt nicht erschaffen hat, kann nicht Gott sein. Wie Leo Strauss und Joseph Ratzinger gut verstanden haben, um nur zwei bedeutende Namen zu nennen, hat die Welt nur deshalb eine Bedeutung, weil sie von Gott erschaffen wurde. […] Aber damit dieser Gott wieder zu einem Konzept wird, das Formen des kirchlichen und sozialen Lebens hervorbringt, ist vor allem der Glaube notwendig.“
Das Ratzinger hier zitiert wird, ist kein Zufall. Man sollte seine Rede vor dem Bundestag noch einmal lesen, um zu verstehen warum. "
Quelle: Settimo Cielo , S. Magister
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