Riccardo Cascioli kommentiert in einem Leitartikel für La Nuova Bussola Quotidiana die päpstliche Enzyklika "Fratelli Tutti"
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"FRATELLI TUTTI, EINE VISION IM GEGENSATZ ZU JOHANNES PAUL II"
Stellen wir die Vision von "Fratelli Tutti" der Predigt bei der Inaugurationsmesse von Johannes Paul II engegen, jenen Ruf "Öffnet die Türen für Christus". Es handel sich um zwei völlig verschiedene Visionen. Papst Franziskus´ Enzyklika steht in klarer Diskontinuität mit den Sozialenzykliken, die ihr vorausgegangen sind. Was soll ein einfacher Gläubiger darüber denken, was soll er tun?
"Habt keine Angst: Öffnet und reißt die Tore auf für Christus!" (Johannes Paul II, 16.10.1979)
Sehr kurz zusammengefaßt, wird gesagt, daß unsere Natur uns anzeigt, daß wir alle Brüder sind und berufen eine universale Bruderschaft zu errichten, deshalb müssen wir unsere Egoismen, unsere Verschlossenheit überwinden, um eine offen Gesellschaft zu schaffen, die auf Inklusion, der Liebe zu allen Menschen, der Wertschätzung der Armen und Letzten basiert, und um allen Nationen bei diesem Ziel zu helfen, ist auf verschiedenen Gebieten eine "globale Regierung" nötig, eine internationale Autorität, die in der Lage ist, die einzelnen Staaten zu dirigieren und zu bestrafen, wenn sie sich verschließen; auch die Religionen, die alle eine Berufung zur universalen menschlichen Brüderlichkeit haben, müssen bei diesem Ziel helfen und ein Beispiel dafür ist das im Februar 2019 von Papst Franziskus und dem Groß-Imam Ahmad al Tayeb unterzeichnete Dokument (die Abu-Dhabi-Erklärung) die die Hauptinspiration für diese Enzyklika war.
Hier im Wesentlichen die tragenden Gedanken von "Fratelli Tutti", der Sonntrag, 4. Oktober unterzeichneten Enzyklika.
Aus einem kuriosen Zufall habe wir uns am Vortag, dem "Tag der Bussola" .noch einmal die berühmte Passage aus der Inauguratiuonspredigt des Hl. Johannes Pauls II (22. Oktober 1978) angehört, die auch Programm und Zusammenfassung seines Pontifikates war. "Habt keine Angst. Öffnet, ja reißt die Tore auf für Christus! Öffnet die Grenzen der Staaten für seine erlösende Macht, die wirtschafltichen und politischen Systeme, das weite Feld der Kultur, der Zivilisation, der Entwicklung. Habt keine Angst! Christus weiß, "was im Inneren des Menschen ist." Nur er weiß es."
Eine kurze Predigt, in der die Herrschaft Christi über die Welt sicher verkündet wurde und die Mission der Kirche zu evangelisieren, so wie sie auch das II.Vaticanische Konzil definiert hatte. Auf die Unsicherheit, Verzweiflung sowohl einzelner Menschen als auch Völker gibt es nur eine Antwort, sagte Johannes Paul II, Jesus Christus. "Erlaubt also- bitte ich euch, flehe ich euch demütig und vertrauensvoll an- erlaubt Christus zum Menschen zu sprechen. Nur er hat Worte des Lebens, ja! des ewigen Lebens."
Die Herangehensweise der Enzyklika "Fratelli tutti" konnte daher nicht nicht an die Worte von Johannes Paul II erinnern, sie nicht noch einmal hören lassen. Weil die beiden radikal unterschiedliche Visionen ausdrücken- ich würde sagen entgegengesetzte. Und das kann nur einige Fragen aufwerfen.
Für Papst Franziskus ist das höchste Ziel jedes Menschen, Christen voran, die universale Brüderlichkeit zu errichten: das genügt als einziger Grund, um sie zu konzipieren und die nötigen Instrumente anzuerkennen, um sie zu realisieren. Und die Religionen- alle unterschiedslos- müssen dabei helfen, weil sie alle- unterschiedslos- zu diesem Ziel berufen sind.
Für den Hl. Johannes Paul II dagegen ist nur Christus eine erschöpfende Antwort auf die Fragen des Menschen wie der Völker, die ganze Welt steht unter seiner Macht, nur er hat "die Worte des ewigen Lebens".
Die Vision, die Papst Franziskus in "Fratelli tutti" ausdrückt, ist keine Weiterführung dieser von Johannes Paul II ausgedrückten Sicherheit, sie ist ganz klar etwas anderes. Sie steht eher im Einklang mit dem Denken, das zu "Our Global Neighbourhood" inspiriert hat, dem Bericht der UNO-Kommission für eine Weltregierung, der 1995 veröffentlicht wurde und eine globale Ethik für eine befriedete und brüderliche Welt entwirft. Die Inspiration und die Grundwerte dieser globalen Ethik sind den in "Fratelli Tutti" formulierten- ganz klar vergleichbar. Es handelt sich um ein sozialistisches und utopisches Manifest, das vorgibt alle "Länder, Rassen, Religionen, Kulturen, Sprachen, Lebensstile" zu verstehen. Die Religionen, die sich bei diesen gemensamen Werten wiederfinden können, sind für diesen Entwurf offensichtlich nötig, weil sie die Fähigkeit haben, einen großen Prozentsatz der Bevölkerung zu kontrollieren.
Die erste Frage ist also ganz natürlich: ist diese Perspektive mit der katholischen Vision kompatibel? Wenn wir bei Johannes Paul II bleiben, der an das II. Vaticanische Konzil erinnert, definitiv nicht. Frieden, Brüderlichkeit sind möglich -sagt Johannes Paul II - wenn die Grenzen der Staaten für die Macht Christi offen sind, nicht für Einwanderer; wenn sich wirtschaftliche, politische Systeme, Kultur jeder Aspekt der Gesellschaft der Kraft Christi öffnen. Die Kirche existiert nur, um dies zu leben und verkünden.
Es bedarf nicht vieler Überlegungen, um sich bewußt zu werden, daß "Fratelli tutti" eine Umkehr dieser Vision ist. Es handel sich ganz klar nicht um zwei verschiedene Empfindungen oder Betonung verschiedener Aspekte der selben Vision, zu verschiedenen Zeiten der Geschichte. Liest man Rerum Novarum von Leo XIII und Centesima Annus von Johnnes Paul II, nimmt man die 100 Jahre, die die beiden Enzykliken trennen, wahr, aber auch die Kontinuität in der Vision der beiden Päpste ist ganz klar. Hier stehen wir vor etwas, das stattdessen diese Kontinuität bricht, und es kann kein Zufall sein, daß etwa zwei Drittel der Referenzen dieser Enzyklika Zitate aus früheren Reden, Botschaften und Enzykliken von Papst Franziskus selbst sind
Dann wird eine weitere Frage unausweichlich: was soll ein einfacher Gläubiger denken und tun, der die Augen vor dieser offensichtlichen Dikontinuität nicht verschließen will?"
Quelle. R. Cascioli, LNBQ
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