Montag, 22. November 2021

Neues zum Finanzskandal- Prozess im Vatican

A. Gagliarducci kommentiert in seiner heutigen Kolumne in Monday in the Vatican den derzeitigen Stand im vaticanischen Immobilien- und Finanzskandal-Prozess. Die Übersetzung haben wir aus technischen Gründen mit Dank von der website "Summorum Pontificum" übernommen.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS:  ÄNDERT SICH DIE  WAHRNEHMUNG DER JUSTIZÄRA?"

Die vierte Anhörung im Prozess um das Londoner Immobiliengeschäft endete mit
einer weiteren Vertagung und weiteren offenen Fragen. Aber der allgemeine Eindruck
ist, daß die Wahrnehmung des Umgangs von Papst Franziskus mit der Justiz sich
verändert – und sei es nur deshalb, weil der Prozess ein Schlaglicht auf eine Reihe von
Verfahrensfehlern wirft, die gezeigt haben, wie willkürlich Papst Franziskus bisher mit
der Justiz umgegangen ist.

Der Vorsitzende des vatikanischen Gerichtshofes. Giuseppe Pignatone, hat darauf
hingewirkt, alle rechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten zu korrigieren. Er hat einigen
Veränderungen zugestimmt, , die eine Neuordnung der gesamten Untersuchungsarbeit
verlangen. Auf diese Weise ist der sogenannte vatikanische Super-Prozess durch
Aufteilung in einzelne Teilprozesse zu einem Verfahren von regulären Ausmaßen
geworden. Es gibt alten Groll zwischen Pignatone und dem Anklagevertreter Diddi, da
der erste der Ankläger und der zweite der Anwalt eines der Angeklagten in einem "Mafia-
Hauptstadt-Prozess in Rom war.  
Dieser Groll ist allerdings nicht das zentrale Element in den Fragen, die Pignatone
gegenüber Diddi aufgeworfen hat. Es geht einfach darum, daß die Art der
vorhergehenden Untersuchung auf Grund von Verfahrensmängeln Probleme
geschaffen hat, die in jedem anderen Land der Erde als schwerwiegend angesehen
würden. Die etwas hemdsärmlige Art, in der Diddi hier vorgegangen ist, hat den
Vorsitzenden des Gerichtshofes dazu veranlaßt, einige Forderungen zu erheben, die
Anträge der Verteidigung unterstützen.

Pignatone hat mitgeteilt, er werde mit dem Prozess nicht eher beginnen, bis sämtliche
Akten in Händen der Verteidigung seien. Didi antwortete, daß sechs weitere
Strafverfahren dazu geführt hätten, Teile der Akten zurückzuhalten, um die
Vertraulichkeit der Untersuchung zu wahren. Die Anwälte4 ihrerseits verlangten, den
Prozess wegen schwerer Verfahrensmängel für unrechtmäßig zu erklären."

Es ist auffällig, daß die Aufmerksamkeit für den Prozess zunächst zurückgegangen
war, um nun zu einigen Aspekten wieder neu zu erwachen. Es steht jetzt fest, daß der
Prozess Einschränkungen hat. Vor allem steht jetzt fest, daß die Weiterführung des
Prozesses auch eine Einbeziehung des Papstes bedeutet.
Die plötzliche Einbeziehung des Papstes in den Fall erfolgte, als einer der Anwälte
dem Gericht Aufzeichnungen einer Zeugenaussage von Msgr. Perlasca vorlegte, der
12 Jahre Leiter der administrativen Abteilung des vatikanischen Staatssekretariats
gewesen war. Der Anklagevertreter (Diddi) erhob Einspruch gegen eine Erklärung
Perlascas, wonach dieser mit dem Papst auf dessen Anfrage nach dem Stand der
Dinge gesprochen habe.


Die Anwälte der Verteidigung verlangten, eine Zeugenaussage des Papstes
beizubringen, damit die Angeklagten sich bei ihrer eigenen Verteidigung darauf stützen
könnten. Diddi antwortete, er habe den Papst nie um eine Stellungnahme gebeten und
daß es "in einem Verhör immer wieder vorkommt, daß ein Zeuge an seine Grenzen
stößt, und das wollte ich vermeiden“.
Bei alledem fällt das Fehlen von Neutralität auf. Eine Zeugenaussage ist eine
Zeugenaussage, und einem Zeugen muß es erlaubt sein, seine Version der Ereignisse
in vollem Umfang vorzutragen. Ihn zu korrigieren bedeutet, seine Aussage in eine
bestimmte Richtung zu lenken. Und das beeinträchtigt ganz klar die Unparteilichkeit
des Staatsanwaltes.
Bemerkenswert an der Einführung des Papstes in den Prozess ist, daß nun früher oder
später erkennbar werden wird, daß nur der Papst selbst bestimmte geschäftliche
Vorgänge autorisieren konnte. Das verändert natürlich die Wahrnehmung und das ist
unheimlich.
Diddi sagt, er habe den Papst (in dieser Angelegenheit?) nur ein Mal getroffen, aber es
gibt vier Erlasse des Papstes, die höchst wahrscheinlich nicht ohne Einbeziehung des
Anklagevertreters geschrieben worden sind. Und es gibt noch mehr Anzeichen dafür,
daß der Papst in die Affäre eingegriffen hat, die zu untersuchen wären.
Aber genau dieses päpstliche Eingreifen verleiht dem Ankläger eine starke Stellung.
Von dem prozeduralen eingreifen Pignatones abgesehen hat der Vertreter der Anklage
den eingeschlagenen Weg nicht im geringsten geändert und hat seine Mängel
verteidigt, indem er Anwälte angriff oder sich über Mißverständnisse beklagte.
Zweifellos kann sich Diddi auf des päpstlichen Auftrag berufen – aber es ist genau
dieser Auftrag, der die Bedenken über die Weise hervorruft, in der der Papst die
vatikanische Justiz lenkt. Zwar wissen wir gegenwärtig noch nicht, zu welchem
Ausgang dieser Prozess führen wird, aber wir wissen mit Sicherheit, daß er dorthin
führen wird, wo der Papst es haben will. Und die Absichten des Heiligen Vaters sind
unergründlich.

Doch nicht nur das. Wenn der Papst in die Geschäfte (mit den Immobilien) eingegriffen
hat, muß man wissen, in welchem Ausmaß er über die Angelegenheiten tatsächlich
informiert war. Sowohl ein Dokument von Erzbischof Edgar Pena Parra, dem
Substituten des Staatssekretariats, als auch eine kürzlich erfolgte Mitteilung des
Gerichtes an Associated Press lassen erkennen, daß der Papst zumindest in einige
entscheidende Phasen der Verhandlungen einbezogen war.
Der Prozess scheint nun sein Gesicht zu ändern und droht, zu einem regelrechten
Bumerang für das päpstliche Rechtssystem zu werden. Internationale Beobachter
haben bereits die Schwächen des Prozesses wahrgenommen und haben nicht
versäumt, ihre Bedenken darzulegen. Auch werden die Angeklagten wahrscheinlich
nicht zögern, an Straßburg zu appellieren – also einen ganz anderen Gerichtshof als
den, mit dem die vatikanischen Richter umzugehen gewohnt sind. Und was werden
Alessandro Diddi und die anderen Ankläger tun, wenn man ihnen detaillierte
Beschuldigungen von Menschenrechtsverletzungen vorhält?
Das alles ist zu bedenken, während der Prozess weiter vorangeht. Aber zu aller erst
wird man herausbekommen müssen, ob wir es hier mit dem Prozess des Jahrhunderts
zu tun haben oder nur mit einem von einem der vielen Vatican-Prozesse, an die sich später niemand mehr erinnert?"

Quelle: A. Gagliarducci. Monday in the Vatican, M.Charlier

 

 

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