Donnerstag, 30. Dezember 2021

Bischof Schneider läßt an Traditionis Custodes und den Responsa ad Dubia kein gutes Haar.

The Remnant veröffentlicht ein Interview, das Bischof Athanasius Schneider Diane Montagna zu Traditionis Custodes, und den Responsa ad dubia der Liturgie-Kongregation gegeben hat. 
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BISCHOF SCHNEIDER ÜBER DEN NEUESTEN SCHLAG DES VATICANS GEGEN DIE TRADITION

"In seinem ersten Interview seit der Veröffentlichung der "Responsa ad dubia " – zu einigen Bestimmungen von Papst Franziskus' Traditionis Custodes durch die Liturgie-Kongregation sagte Bischof Athanasius Schneider, daß das neue Dokument "unnötig Wunden aufreißt", in einer Weise, die "an Hohn grenzt" und eine "feindselige Unnachgiebigkeit" gegenüber Katholiken verrät, die der traditionellen Liturgie des römischen Ritus anhängen. 

Der Bischof führt aus: "Wir werden erstaunlicherweise Zeugen einer unnachgiebigen inquisitorischen Methode in einem Pontifikat, das sich selbst als eines der 'Zärtlichkeit' und der pastoralen Sensibilität bezeichnet hat." "In einer kalten bürokratischen Art und Weise zwingen diese neuen Richtlinien dem Leben sehr vieler junger Katholiken - sowohl Priestern als auch gläubigen Laien - derart unbarmherzige und diskriminierende Normen auf, daß es nicht verwunderlich wäre, wenn in ihnen das Gefühl entstünde, in Zeitlupe geistlich gefoltert zu werden." 
In diesem Exklusivinterview spricht Bischof Schneider, Weihbischof von Astana (Kasachstan), über seine allgemeinen Eindrücke von diesem Dokument, über die Frage nach dessen Rechtmäßigkeit sowie über das Recht der Bischöfe, sich den neuen Maßnahmen "ehrfürchtig und umsichtig zu widersetzen". Bischof Schneider fordert die Kardinäle auf, dem Papst ihre Besorgnis mitzuteilen und ihn auf den "großen Schaden" und die "eklatante Ungerechtigkeit" aufmerksam zu machen, die gegen "eine umfangreiche Gruppe frommer Katholiken" begangen wird. Er ermutigt die Bischöfe, den Gläubigen mit "schöpferischer Nächstenliebe" entgegenzukommen, indem sie das Prinzip der "epikeia" anwenden, wonach "ein Gesetz um eines höheren Gutes willen ganz oder teilweise nicht eingehalten wird". 

Und er gibt Seminaristen und Priestern Ratschläge, die befürchten, daß es ihnen nun verboten sein könnte, die traditionelle Messe zu zelebrieren und andere Sakramente zu spenden. Bischof Schneider empfiehlt den Laien, von denen einige seiner Meinung nach "jetzt zu einem Leben mit Messen in Katakomben gezwungen werden", die aufdringliche Witwe nachzuahmen, von der unser Herr im Evangelium sprach, die den ungerechten Richter hartnäckig bedrängte (siehe Lukas 18,1-8), indem die Laien ihre Hirten "belästigen". 
Um der Transparenz willen sei es außerdem an der Zeit, den detaillierten Bericht über die Anwendung von Summorum Pontificum von Benedikt XVI. zu veröffentlichen, den die Kongregation für die Glaubenslehre auf der Grundlage ihrer Umfrage unter den Bischöfen der Welt für den Papst erstellt hat.

DAS INTERVIEW

Diane Montagna:   Exzellenz, am 18. Dezember hat Erzbischof Arthur Roche, Präfekt der Liturige- Kongregation, neue Richtlinien herausgegeben, um die traditionelle Messe und die Sakramente weiter einzuschränken, und zwar in Form von Antworten auf 11 "dubia" (Zweifel), von denen der Vatikan sagt, daß es sich um "die am häufigsten auftretenden Fragen" handelt, die er zum apostolischen Schreiben Traditionis Custodes (TC) von Papst Franziskus erhalten hat. Was waren Ihre allgemeinen Eindrücke von dem Dokument? 

Bischof Athanasius Schneider:  "Mein erster Eindruck war, daß unter dem Vorwand größerer Einheit alte Wunden im Leben der Kirche unnötigerweise wieder aufgerissen werden. Solche Maßnahmen, die auf diese Weise gerechtfertigt werden, grenzen an Hohn, denn sie widersprechen eklatant der allgemeinen Politik von Papst Franziskus, die Wunden im Leben der Kirche unserer Tage zu heilen, wie er es zum Beispiel mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht hat: "Was die Kirche heute am meisten braucht, ist die Fähigkeit, Wunden zu heilen und die Herzen der Gläubigen zu erwärmen; sie braucht Nähe, Nähe. Ich sehe die Kirche als ein Feldlazarett nach einer Schlacht. Es ist sinnlos, einen Schwerverletzten zu fragen, ob er einen hohen Cholesterinspiegel hat und wie hoch sein Blutzuckerspiegel ist! Man muß seine Wunden heilen. Dann können wir über alles andere reden. Heile die Wunden, heile die Wunden..." (Interview mit Papst Franziskus von Pater Antonio Spadaro, L'Osservatore Romano, 21. September 2013). 


Die neuen Richtlinien verraten eine "feindselige Erstarrung", um einen Ausdruck zu verwenden, den Papst Franziskus manchmal benutzt hat, um die Bischöfe zu warnen (siehe z.B. Ansprache zum Abschluss der Dritten Generalversammlung der Außerordentlichen Bischofssynode, 18. Oktober 2014). Wir haben es mit einem Text zu tun, der in seiner unerhörten Unflexibilität und starren Einheitlichkeit an bestimmte Inquisitionsurteile oder "Dubia"-Antworten vergangener Zeiten erinnert, die von einem aufgeblähten liturgischen Legalismus geprägt waren. In einer kalten bürokratischen Art und Weise zwingen diese neuen Richtlinien dem Leben sehr vieler junger Katholiken - sowohl Priestern als auch gläubigen Laien - derart unbarmherzige und diskriminierende Normen auf, daß es nicht verwunderlich wäre, wenn in ihnen das Gefühl entstünde, in Zeitlupe geistlich gefoltert zu werden.
Für jeden objektiven Beobachter vermitteln die neuen Leitlinien an jene Katholiken, die der traditionellen Liturgie verbunden sind, folgende klare Botschaft: "Mit eurer religiösen Erfahrung seid ihr in der Kirche nicht willkommen! Eure Erfahrung mit der traditionellen Liturgie ist falsch und unauthentisch, ihr leidet unter Selbstbetrug! Es gibt heutzutage keine liturgische Pluralität in der Kirche, denn es gibt nur einen einzigen Ausdruck der lex orandi, und das ist die reformierte Liturgie. Es gibt nur ein Gesetz, und nach diesem Gesetz müßt ihr sterben – das heißt, ihr müßt euch von der Liturgie eurer Vorväter und der Heiligen lossagen!"
Die Verfasser dieser neuen Richtlinien haben offensichtlich den folgenden Grundsatz des Zweiten Vatikanischen Konzils vergessen: "In den Dingen, die den Glauben oder das Allgemeinwohl nicht betreffen, wünscht die Kirche nicht eine starre Einheitlichkeit der Form zur Pflicht zu machen." (Sacrosanctum Concilium, 37). Die neuen Richtlinien heben auf, was Papst Franziskus selbst gesagt hatte: "Unterscheidung ... ist ein Gegenmittel gegen die Starrheit, denn nicht überall lassen sich dieselben Lösungen anwenden." (Ansprache an die im vergangenen Jahr geweihten Bischöfe, 14. September 2017)."

Diane Montagna: Viele katholische Bischöfe haben Traditionis Custodes großzügig und entspannt ausgelegt. Die neuen Richtlinien deuten stark darauf hin, daß der Heilige Stuhl nun die Schrauben anzieht, um sicherzustellen, daß die Bischöfe die von der Kongregation für den Gottesdienst vorgegebene "Richtung" einhalten. Was ist Ihre Botschaft an Ihre Mitbrüder unter den Bischöfen?  

Bischof Schneider: "Ich möchte meine Mitbrüder unter den Bischöfen ermutigen, echte Hirten zu sein und eine "kreative Nächstenliebe" auch auf diejenigen unter ihren Gläubigen auszudehnen, die im alten römischen Ritus aufgewachsen sind oder die dank dieser Form der kirchlichen Liturgie eine entscheidende, gnadenreiche Begegnung mit Gott hatten. In der Tat hat Papst Franziskus die Bischöfe ja immer wieder dazu aufgefordert, sich mit pastoraler Kreativität um die Menschen zu kümmern, die an den Rand gedrängt, deren religiöse Bestrebungen verkannt werden. 
Viele Gläubige, die der älteren römischen Form anhängen, vor allem jüngere Menschen, kämen nie auf den Gedanken, sich auf kirchliche und liturgische Polemiken über das Zweite Vatikanum und den Novus Ordo einzulassen. Daher sollten die Bischöfe als wahre Hirten kreativ Lösungen finden, damit diese Gläubigen nicht in ein Ghetto abgeschoben und als Katholiken zweiter Klasse behandelt werden. Hier könnten die Bischöfe das moralische Prinzip der epikeia anwenden, nach dem ein Gesetz um eines höheren Gutes willen ganz oder teilweise nicht eingehalten wird." 

D.M.: In seinem Begleitschreiben zu Traditionis Custodes teilte Papst Franziskus den Bischöfen der Welt mit, er habe den "festen Entschluss" gefaßt, "sämtliche Normen, Anweisungen, Erlaubnisse und Gebräuche, die seinem Motu proprio vorausgehen", als Antwort auf ihre Bitten aufzuheben. Dabei war jedoch, wie in einer Trilogie von gut recherchierten Berichten (sie enthalten die Zusammenstellung von Zitaten der Bischöfe, die in den detaillierten Bericht aufgenommen wurden, den die Kongregation für die Glaubenslehre für Papst Franziskus vorbereitet hat) ausführlich dargelegt wurde, die Botschaft der Bischöfe "im Grunde genommen, Summorum Pontificum nicht anzutasten und mit einer umsichtigen und sorgfältigen Anwendung fortzufahren". Wäre es für die Bischöfe jetzt nicht an der Zeit, den Heiligen Stuhl aufzufordern, den detaillierten Hauptbericht der Glaubenskongregation zu veröffentlichen? (...)

Bischof Schneider: "Papst Franziskus hat wiederholt zu absoluter Transparenz im Leben der Kirche und insbesondere innerhalb der Römischen Kurie aufgerufen, wie die folgende Erklärung bezeugt: "Das zu erreichende Ziel ist stets die Förderung einer größeren Harmonie in der Arbeit der verschiedenen Dikasterien und Büros, um eine effizientere Zusammenarbeit im Rahmen einer absoluten Transparenz, die echte Synodalität und Kollegialität aufbaut, zu ermöglichen." (Grußwort an die ... Kardinäle). Die Veröffentlichung des detaillierten Berichts, den die Glaubenskongregation auf der Grundlage ihrer Umfrage unter den Bischöfen der Welt erstellt hat, ist daher von höchster Dringlichkeit. Doch selbst wenn dies nicht in unmittelbarer Zukunft geschehen sollte, so wissen wir doch, daß "nichts verborgen ist, was nicht offenbar werden soll, und nichts geheim, was nicht bekannt werden und ans Licht kommen soll" (Lk 8,17)."

D.M.: Der heilige Robert Bellarmin, italienischer Jesuit und Kirchenlehrer (1542-1621), hat gesagt: "So wie es rechtmäßig ist, dem Papst Widerstand zu leisten, wenn er die Person eines Menschen angreift, so ist es rechtmäßig, ihm Widerstand zu leisten, wenn er die Seelen angreift oder den Staat bedrängt, und noch viel mehr, wenn er danach strebt, die Kirche zu zerstören. Es ist rechtmäßig, sage ich, ihm zu widerstehen, indem man nicht tut, was er befiehlt, und die Ausführung seines Willens behindert." Haben die Bischöfe als Nachfolger der Apostel also die Pflicht, sich diesen Maßnahmen zu widersetzen?  

Bischof Schneider: "Die Bischöfe haben das Recht, sich diesen Maßnahmen ehrfürchtig und umsichtig zu widersetzen, da sie eindeutig dem Wohl der gesamten Kirche schaden, indem sie eine jahrtausendealte liturgische Erfahrung, die sich als fruchtbar erwiesen hat, fast vollständig abschaffen. Den großen Schatz an liturgischen Riten, der im Pontificale Romanum enthalten ist, einfach auszulöschen, einschließlich der theologisch und liturgisch reichen Riten der Priester- Diakonats- und Niederen Weihen, des Ritus der Firmung und der verschiedenen anderen Weihen (wie den Weihen von Altären, Kirchen und Jungfrauen), die von der römischen Kirche nicht nur über fünfzig Jahre, wie es bei den reformierten liturgischen Riten der Fall ist, sondern über ein Jahrtausend beibehalten wurden, schadet der gesamten Kirche. Diejenigen, die derzeit in Rom das Sagen haben - deren Amtszeit im Vergleich zur zweitausendjährigen Geschichte der Kirche relativ kurz ist -, können sich nicht so verhalten, als seien sie die alleinigen Besitzer eines jahrtausendealten liturgischen Schatzes der Kirche. Darüber hinaus wird eine beträchtliche Mehrheit vorbildlicher Katholiken, die der traditionellen Liturgie verbunden sind und denen es keineswegs an Treue zum derzeitigen Papst und zu ihren eigenen Bischöfen mangelt, offen verleumdet und diskriminiert. Die Bischöfe - und in erster Linie die Mitglieder des Heiligen Kardinalskollegiums - sollten dem Papst gegenüber ihre Besorgnis zum Ausdruck bringen und ihn auf den großen Schaden und die eklatante Ungerechtigkeit aufmerksam machen, die gegen eine umfangreiche Gruppe frommer Katholiken begangen wird. " 

D.M.: Welche kirchenrechtlichen Fragen werfen die "Responsa ad dubia" auf? Ist das Dokument rechtsgültig?

Bischof Schneider: "Aus formaler Sicht ist das Dokument rechtsgültig, da es von einer legitimen Autorität des Heiligen Stuhls – der Kongregation für den Gottesdienst - mit Genehmigung des Papstes herausgegeben wurde. Die "Responsa ad dubia" sind ein eindrucksvolles Beispiel für die bekannte Maxime "summum ius, summa iniuria", d.h.: Ein formal korrektes Gesetz kann zu einer großen Ungerechtigkeit werden. Dieses Dokument wird als ein tragisches Beispiel dafür in die Geschichte eingehen, daß der Heilige Stuhl ein heikles pastorales Problem mit Gewalt gelöst hat. Die neuen Richtlinien der Kongregation für den Gottesdienst haben nichts gelöst, sondern stattdessen einen pastoralen Stillstand geschaffen und viele Priester und Gläubige in gravierende Gewissensnöte gebracht. Wir werden erstaunlicherweise Zeugen einer unnachgiebigen inquisitorischen Methode in einem Pontifikat, das sich selbst als eines der "Zärtlichkeit" und der pastoralen Sensibilität bezeichnet hat, wie die folgenden Worte von Papst Franziskus bezeugen: "Wenn wir nicht mit einer Haltung von Mitgefühl und Zärtlichkeit dahin kommen, eine solche Kirche der Nähe zu werden, sind wir nicht die Kirche des Herrn. ... Vergessen wir nicht den Stil Gottes, der uns dabei helfen muss: Nähe, Mitleid und Zärtlichkeit. " (Ansprache zur Eröffnung der Synode, 9. Oktober 2021)."

D.M.: Was bedeutet das neue Dokument für die ehemaligen Ecclesia Dei-Institute? Können sie weiterhin Priester nach dem traditionellen Ritus weihen? 

Bischof Schneider: "In dem von der Kongregation für den Gottesdienst herausgegebenen Dokument werden die ehemaligen Ecclesia Dei-Institute nicht ausdrücklich erwähnt. Es ist jedoch ungewiß, ob diese Institute und Gemeinschaften weiterhin das alte Pontificale Romanum für die Niederen und Höheren Weihen sowie für die Feier des Sakraments der Firmung nach demselben Pontificale in ihren eigenen Pfarreien und anderen Orten, an denen sie ihr Apostolat ausüben, verwenden können. Der Heilige Stuhl muß die Tatsache berücksichtigen, daß eben derselbe Heilige Stuhl diesen Instituten bei ihrer Errichtung die Garantie gegeben hat, daß sie alle vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil gültigen liturgischen Bücher verwenden können. Der neuralgische Punkt in dieser Hinsicht ist die Frage der Ordinationsriten. Würde der Heilige Stuhl diesen Instituten und Gemeinschaften die alten Weiheriten verweigern, wäre dies ein entsetzliches Beispiel für den Bruch seines feierlichen Wortes, und es würde die Glaubwürdigkeit und Integrität des Heiligen Stuhls auch in den ökumenischen Beziehungen zu den nicht-katholischen Gemeinschaften beeinträchtigen. Die nichtkatholischen Gemeinschaften beobachten das Geschehen und können deutlich erkennen, daß der Heilige Stuhl sein Wort gegenüber einer Gruppe von Katholiken bricht, mit denen er eine friedliche und versöhnliche Lösung gefunden hatte. Die gewaltsame und heimtückische Behandlung von Katholiken, die an der alten liturgischen Tradition festhalten, wird die orthodoxen kirchlichen Gemeinschaften sicherlich nicht dazu inspirieren, sich mit dem Apostolischen Stuhl zu versöhnen."

D.M. : Warum erlaubt der Vatikan dem “New Ways Ministry“, das die LGBT-Agenda fördert, an der Synode über Synodalität teilzunehmen, versäumt es jedoch andererseits, auf die traditionellen Katholiken zu hören oder sich mit ihnen über irgendeine dieser neuen Maßnahmen zu beraten? Was sollen die Gläubigen von der Synodalität halten, wenn die Hierarchie auf eine Gruppe hört, die gegen die Lehre der Kirche ist, aber nicht auf Katholiken, die die Tradition und Lehre der Kirche hochhalten?  

Bischof Schneider: "Die willkürliche "Auswahl" des Heiligen Stuhls offenbart jedem objektiven Beobachter, daß die "Synodalität" - mit ihrem "Hören auf alle" - in Wahrheit ein einseitig ideologisches Unternehmen ist. Es handelt sich nicht um echte Synodalität, sondern um das egozentrische Bestreben intoleranter Gleichgesinnter mit einem vorgefertigten Programm, das den katholischen Glauben und die katholische Liturgie zunehmend schwammig und nebulös macht. Wer dieser Agenda im Wege steht, wie etwa die vielen Katholiken – darunter viele junge Menschen –, die der traditionellen Liturgie verbunden sind, wird nicht in den Entscheidungsprozeß einbezogen. "

D.M.: Pater Claude Barthe, ein Historiker, Jurist und Experte für die traditionelle Liturgie der Diözese Fréjus/Toulon in Frankreich, sagte dem National Catholic Register nach der Veröffentlichung des Dokuments, daß "wir uns im Namen des sensus fidelium gegen Traditionis Custodes und seine Auslegung durch Nicht-Annahme wehren müssen, weil es ein lehrmäßig ungerechtes Gesetz ist". Wie sollten Ihrer Meinung nach die Laien auf die neuen Richtlinien reagieren? 

Bischof Schneider:  "Um des geistlichen Wohls der gesamten Kirche und der Ehre des Apostolischen Stuhls willen, der das gesamte liturgische Erbe stets wachsam bewahrt und weitergegeben hat, sollten die Laien die Autoritäten des Heiligen Stuhls, in erster Linie den Papst selbst, weiterhin bitten, der traditionellen Liturgie, einschließlich des gesamten liturgischen Erbes der römischen Kirche, die volle Freiheit zu gewähren, und zwar ohne jegliche demütigenden und diskriminierenden Bedingungen. Solche Bitten könnten durch Petitionen und insbesondere durch eine weltweite Gebetskette vorgebracht werden. Sie sollten die von unserem Herrn im Evangelium vorgestellte hartnäckige Witwe nachahmen, die dem ungerechten Richter gegenüber beharrlich war (siehe Lukas 18,1-8). Sie könnten dem Rat folgen, den kein anderer als Papst Franziskus selbst gab: Er forderte die Laien auf, ihre Hirten zu "belästigen", indem er den Heiligen Caesarius von Arles  zitierte. Papst Franziskus sagte: "Einmal habe ich etwas sehr Schönes darüber gelesen, wie das Volk Gottes den Bischöfen und Priestern hilft, gute Hirten zu sein. Es ist ein Text des heiligen Caesarius von Arles, eines Kirchenvaters der ersten Jahrhunderte der Kirche. Er erklärte, wie das Volk Gottes dem Hirten helfen muß, und er gebrauchte folgendes Beispiel: Wenn das Kalb Hunger hat, geht es zur Kuh, zur Mutter, um Milch zu trinken. Die Kuh aber gibt sie nicht sofort: Es scheint, als halte sie die Milch für sich zurück. Und was tut das Kälbchen? Es stößt mit seiner Nase gegen den Euter der Kuh, damit die Milch kommt. Das ist ein schönes Bild! 'So müßt ihr mit den Hirten sein', sagt der Heilige, 'immer an ihre Tür klopfen, an ihr Herz, damit sie euch die Milch der Lehre, die Milch der Gnade und die Milch der Führung geben.' Und ich bitte euch, die Hirten zu belästigen, die Hirten zu stören, uns alle, die wir Hirten sind, damit wir euch die Milch der Gnade, der Lehre und der Führung geben können. Belästigen! Denkt an dieses schöne Bild des Kälbchens, wie es die Mutter nicht in Ruhe lässt, damit sie ihm zu trinken gibt." (Regina caeli, 11. Mai 2014)"

D.M.: Aus dem Dokument scheint hervorzugehen, daß hier ein Triumph des lehramtlichen Positivismus vorliegt, nicht aber der Triumph eines empfangenen Glaubens. Mit anderen Worten: Uns wird jetzt vorgeschrieben, was wir über die Liturgie zu glauben haben, im Gegensatz zu dem, was wir von unserer Heiligen Mutter Kirche gelernt haben, was wahr, gut, schön und heilig ist? 

Bischof Schneider:  "Ich denke, wir alle, und vor allem die Verantwortlichen in der Kirche, täten gut daran, uns an die konstante Haltung der römischen Kirche über die Jahrtausende hinweg zu erinnern, d.h. an die Achtung vor dem entscheidenden Gewicht der Tradition im Glauben und in der Liturgie der Kirche. Der von Papst Stephan I. formulierte Grundsatz aus den ersten Jahrhunderten bleibt ein leuchtendes Beispiel: nihil innovetur nisi quod traditum est, d.h. "Es darf nichts Neues eingeführt werden, was gegen die Tradition gerichtet ist.“ Wendet man diesen Grundsatz auf eine Liturgiereform an, so sollten nicht nur der Inhalt, sondern auch andere relevante Teile des liturgischen Ritus beibehalten werden. Der Novus Ordo Missae ist ein Beispiel für eine Reform, bei der in wichtigen Teilen der Messe Neuerungen eingeführt wurden, die nicht überliefert waren, wie z. B. die neuen Offertoriumsgebete oder die Existenz einer Vielzahl von eucharistischen Gebeten. Die authentische Messe des Zweiten Vatikanischen Konzils ist der Ordo Missae von 1965 mit seinen vorsichtigen, nicht revolutionären Änderungen. In Zeiten großer und allgemeiner lehrmäßiger und liturgischer Verwirrung, in Zeiten von Experimenten und Neuerungen muß ein Katholik dem Altüberlieferten folgen, so der heilige Vinzenz von Lerins : Was wird also der katholische Christ tun, wenn sich irgendein kleiner Teil der Kirche von der allgemeinen Glaubensgemeinschaft absondert? Was anders als dem ansteckenden, kranken Gliede die Gesundheit des ganzen Leibes vorziehen? Wie nun, wenn eine neue Seuche schon nicht allein einen kleinen Teil, sondern die ganze Kirche zugleich zu verpesten sucht? Dann wird er in gleicher Weise besorgt sein, sich ans seit alters Überlieferte zu halten, das in keiner Weise mehr von irgendeiner trügerischen Neuerung verführt werden kann. 
Wenn nun aber auch früher ein Irrtum zweier oder dreier Männer oder sogar einer ganzen Stadt oder Provinz angetroffen würde? Dann wird er vor allem darauf bedacht sein, der Vermessenheit oder der Unkenntnis weniger die Beschlüsse eines allgemeinen Konzils, wenn solche in alter Zeit von der Gesamtheit gefaßt wurden, vorzuziehen. Wie aber, wenn so etwas auftaucht in Dingen, über die sich kein derartiger Beschluß finden läßt? Dann wird er sich Mühe geben, die Aussprüche der Alten miteinander zu vergleichen, heranzuziehen und zu befragen, jedoch nur derjenigen, die, wenn auch zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten, doch in der Gemeinschaft und im Glauben der katholischen Kirche verharrten und so als maßgebende Lehrer sich bewährten; wenn er dann findet, daß nicht nur einer oder zwei, sondern alle zugleich und in demselben Sinne etwas klar, wiederholt und andauernd festgehalten, geschrieben und gelehrt haben, so soll er wissen, daß auch er dieses ohne alles Bedenken für wahr halten muß. (Commonitorium, 3) In Zeiten des Zweifels sollten wir dem Althergebrachten folgen und an ihm festhalten, was bedeutet, daß wir an der Tradition festhalten, die gültig war, bis zweifelhafte Neuerungen eingeführt wurden. Dies war das Leitprinzip der römischen Kirche durch die Jahrhunderte hindurch".

D.M.:  Welche Auswirkungen wird dieses Dokument Ihrer Meinung nach auf die Priesterseminare  haben, und was ist Ihre Botschaft an Priester und Seminaristen? 

Bischof Schneider: "Priester und Seminaristen sollten ihr Studium der Dokumente über die Tradition des katholischen Glaubens und der katholischen Liturgie intensivieren und dadurch ihre Liebe zu dem verstärken, was unsere Vorfahren und die Heiligen glaubten, schätzten und lebten: die traditionelle Liturgie der römischen Kirche. Sie sollten ihre Vorgesetzten und Bischöfe beharrlich bitten, die Feier der traditionellen Liturgie zuzulassen und das Prinzip der epikeia1 anzuwenden, indem sie zumindest individuell das Recht gewähren, im Alten Ritus zu feiern. Wenn ihnen ein solches Recht verweigert wird, können sie unter Anwendung desselben Prinzips der epikeia - und in der gegenwärtigen Notsituation einer beispiellosen Krise in der Kirche - zumindest privat den traditionellen Ritus der Heiligen Messe zelebrieren." 

D.M.: Wenn Papst Franziskus das Vermächtnis von Papst Benedikt XVI. (d.h. Summorum Pontificum) rückgängig machen und Benedikts Lehre in einer so wichtigen Angelegenheit wie der heiligen Liturgie (und der Lehre von Papst Pius V. in Quo Primum) direkt widersprechen kann, bedeutet dies, daß jede Lehre eines Papstes von seinem Nachfolger ohne Weiteres rückgängig gemacht werden kann, und wenn ja, wo bleibt dann die Autorität Petri? Welchen Präzedenzfall schafft das für die Autorität künftiger päpstlicher Lehren und für die Autorität der Kirche im Allgemeinen? 

Bischof Schneider: " Hier sollten Tradition und Alter immer Vorrang haben. Je mehr ein Papst die lebendigen Schätze des Glaubens u. der Liturgie der römischen Kirche treu bewahrt und weitergibt - die ja keineswegs "Museums1 Epikie: gegen den Wortlaut einer Regelung dann zu verstoßen, wenn dies nötig ist, um ihrem Sinn zu gehorchen. stücke" sind, sondern eine lebendige Realität, was viele große Heilige durch ihr Leben bezeugen -, desto besser erfüllt er seine eigentliche Aufgabe und übt seine eigentliche Autorität als Nachfolger Petri aus. Ein Papst sollte die Entscheidungen seiner Vorgänger nur dann rückgängig machen, wenn es sich eindeutig um Neuerungen und Brüche mit dem Glauben und den liturgischen Riten handelt. Wir haben mehrere Beispiele aus der Geschichte. Die Briefe von Papst Honorius I. (+638), die in lehrmäßiger Hinsicht sehr zweideutig waren, wurden von seinen Nachfolgern rückgängig gemacht, zum Beispiel vom heiligen Leo II., der feststellte: "Anstatt diese apostolische Kirche zu reinigen, hat Honorius zugelassen, daß der unbefleckte Glaube durch einen profanen Verrat befleckt wird." Ein weiteres Beispiel: Im Jahr 1535 gab Papst Paul III. ein Brevier heraus, das von Kardinal Quiñones zusammengestellt wurde und mehr als 100 Auflagen erlebte. Wegen der Mißachtung der Tradition wurde es jedoch 1558 von Papst Paul IV. verboten. Traditionis Custodes und das aktuelle Dokument der Kongregation für den Gottesdienst zerstören die geduldige Arbeit für Frieden, Versöhnung und kirchliche Gemeinschaft, die Papst Johannes Paul II. mit dem Motu Proprio Ecclesia Dei und Benedikt XVI. mit Summorum Pontificum geleistet haben. Diese haben echte Brücken zur Tradition und zu einem beträchtlichen Teil des traditionellen Klerus und der Gläubigen gebaut und damit gezeigt, was es in Wahrheit bedeutet, ein "Pontifex" zu sein. Papst Franziskus hingegen hat die Brücke, die seine beiden Vorgänger gebaut haben, nun abgerissen. "

D.M.: Exzellenz, Sie haben häufig mit orthodoxen Geistlichen zu tun. Die orthodoxen Kirchenführer haben sich während des Pontifikats von Benedikt der katholischen Kirche vor allem deshalb angenähert, weil sie seinen Respekt für die heilige Liturgie schätzten. Wie, glauben Sie, werden sie diese Maßnahmen zur Abschaffung der traditionellen Liturgie und der Sakramente der römischen Kirche aufnehmen? Welche Auswirkungen wird dies Ihrer Meinung nach auf die ökumenischen Beziehungen zu den Orthodoxen haben? 

Bischof Schneider:  "Solche Maßnahmen des Heiligen Stuhls, die eindeutig eine Mißachtung der alten liturgischen Tradition darstellen, werden zweifellos die Kluft des bereits bestehenden Mißtrauens der orthodoxen Kirchen, insbesondere der russisch-orthodoxen, gegenüber dem Heiligen Stuhl vertiefen. Ich erinnere mich gerne daran, daß mir mehrere russisch-orthodoxe Priester und Bischöfe gratulierten, als Papst Benedikt XVI. das wahrhaft epochale und großherzige Motu Proprio Summorum Pontificum veröffentlichte. Ein orthodoxer Bischof schlug sogar vor, sonntags in unserer Kathedrale regelmäßig eine traditionelle lateinische Messe zu feiern." 

D.M.: Wie kann die Situation gelöst werden? Was muß geschehen, damit diese liturgischen Kriege, von denen die traditionellen Katholiken sagen, daß sie durch die jüngsten Dokumente erneut entfacht wurden, aufhören? 

Bischof Schneider: "Wir müssen bedenken, daß Gewaltakte nicht von langer Dauer sind. Die Gewalt und Ungerechtigkeit, die einer beträchtlichen Gruppe von vorbildlichen Söhnen und Töchtern der Kirche durch das jüngste Dokument des Heiligen Stuhls angetan wurde, wird einen gegenteiligen Effekt haben. Die liturgische Tradition wird noch mehr geliebt und gepflegt werden. Einige Priester und Gläubige werden zu einem Leben mit "Katakombenmessen" gezwungen sein. Das sollte sie jedoch nicht entmutigen oder verbittern. Die göttliche Vorsehung hat diesen schmerzlichen Prozeß zugelassen, in dem wir erleben, wie die Behörden des Heiligen Stuhls fromme Katholiken verfolgen, die dem jahrtausendealten liturgischen Schatz der römischen Kirche verbunden sind. Sie sollten den Papst und ihre Bischöfe weiterhin lieben und ihre Gebete und Taten der Wiedergutmachung und Buße verstärken, indem sie Gott demütig anflehen, er möge dem Papst und den Bischöfen die Augen öffnen und in ihnen die Wertschätzung und Liebe für den Schatz dieser alten liturgischen Traditionen wecken. Möge in Papst Franziskus und vielen anderen Bischöfen die Erinnerung an die Freude der Tage ihrer Kindheit und Jugend wieder erwachen, als sie diese bewegenden und ewig jungen Worte hörten oder selbst sprachen: "Introibo ad altare Dei, ad Deum qui laetificat iuventutem meam!", d.h. "Zum Altare Gottes will ich treten: zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf." Wir hegen die feste Hoffnung, daß der Papst diese Worte eines Tages wieder selbst am Fuße des Altars im Petersdom in Rom sprechen wird."  

Quelle: The Remnant, D. Montagna, Bischof Athanasius Schneider

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