Mittwoch, 29. Dezember 2021

Martin Mosebach: "Was wenn Rom nicht mehr römisch sein will "

Für alle, die das Original oder Berichte deutscher Kirchenmedien über das Mosebach-Interview nicht lesen konnten, hier die Rückübersetzung aus dem Englischen, wie es Rorate Caeli heute veröffentlicht hat. Hier geht´s zum Original:  klicken

"WAS WENN ROM NICHT LÄNGER RÖMISCH SEIN WILL?": INTERVIEW MIT MARTIN MOSEBACH" 

Das folgende Interview ist am 26. Dezember 2021 in der deutschen Zeitung "Welt am Sonntag" erschienen. Es ist für Rorate Caeli übersetzt worden. 

Seit Papst Franziskus im Juli ein Dekret erlassen hat, das die Feier der Alten Lateinischen Messe zurückstuft, ist auf der internationalen Bühne der Katholischen Traditionalisten (oder Tradis) die Hölle losgebrochen. Der Schriftsteller Martin Mosebach ist eine Ikone der Bewegung - nicht zuletzt wegen seines traditionellen Pamphlets "Häresie der Formlosigkeit" (2002) . Er hat uns in seiner weniger als 10-Gehminuten von der Alten Oper gelegenen Frankfurter Wohnung zu einem Gespräch empfangen. 

Wann waren Sie zuletzt in der Messe? 

MARTIN MOSEBACH. Letzten Sonntag, am dritten Adventssonntag. Hier in Frankfurt gibt es die Deutschordenskirche, in der regelmäßig die sog. Tridentinische-oder besser-Gregorianische Messe gemäß der präkonziliären Liturgiebücher zelebriert wird. An Sonntagen, Festtagen und auch an manchen Wochentagen." 

Papst Franziskus hat ein Dekret erlassen, ein motu proprio, das es schwerer macht, die Alte Messe zu zelebrieren, d.h. die Messe in Latein und mit einem Priester der dem Altar zugewandt ist. Was ändert das für Sie persönlich? 

"Es gibt jetzt keine sichere rechtliche Grundlage für die Art, wie wir die Liturgie in der Gemeinde feiern. Ob sie stattfinden kann oder nicht wird in Zukunft der Diskretion des Ortsbischofs überlassen sein. Es ist nicht länger das Recht des Gläubigen, um sie zu bitten, wenn nötig mit der Hilfe Roms. Es wird gan geleugnet, daß die alten liturgischen Bücher immer noch Kirchenbücher sind. Die Alte Messe hat keinen definierbaren Status mehr."

Was war Ihre erste Reaktion darauf? 

"Es war ein großer Schock. Ich habe gedacht, daß ein solcher Schritt angesichts der Persönlichkeit des regierenden Papstes und der Agenda der Leute um ihn herum möglich war. Aber ich hatte angenommen, daß sie -im Geist kurialer Höflichkeit- bis nach dem Tod Benedikts XVI damit warten würden. Hier kam offensichtlich ein Element der persönlichen Rache ins Spiel."

Rache wofür? 

"Franziskus hat Benedikt nicht verziehen, zu Beginn von 2020  mit seinem Buch über das Priestertum das Ergebnis der Amazonas-Synode beeinflußt und die erwünschte Abschaffung des Zölibats verdorben zu haben. Das hat Franziskus sehr ärgerlich gemacht. Jetzt hat er zurückgeschlagen, indem er gegen die Alte Messe vorgeht, das heißt, der Liturgie, die eine Herzensangelegenheit von Benedikt ist und die er ausdrücklich rehabilitiert hat."


Was ist so wichtig daran?

"Es geht nicht nur um die Messe, sondern auch um die Sakramente: die Taufe, Ehe, Beichte, Firmung und Weihe. Die sind in den heute gültigen modernen Fassungen einfach nur ernsthaft deifizitär. Nehmen Sie die Taufe: da wird der Getaufte am Anfang gefragt: "Was wünscht Du von der Kirche?" Die alte Antwort war: "den Glauben". Heute ist es :"die Taufe". Ein riesiger Unterschied! Als ich Benedikt XVI danach fragte, hat er sehr bedauert, das während seines Pontifikates nicht geändert zu haben." 

Konservative Katholiken sprechen gern von Gehorsam. Jetzt, wo der Papst die Alte Messe zurückstuft, proben sie den Aufstand. Franziskus hat entschieden; warum das nicht einfach akzeptieren? 

"Das Bild des Papsttums, das nach dem I. Vaticanischen Konzil entstand, das den Papst einen Autokraten in allen spirituellen und rechtlichen Belangen der Kirche werden sah, entspricht nicht der Tradition der Kirche. Das Papstamt ist keine absolute Monarchie: gerade in seinem Unfehlbarkeitsanspruch  ist es strikt an die Tradition gebunden, an das, was die Kirche immer gelehrt und getan hat. Der Papst hat keine Herrschaft darüber; seine Autorität besteht hauptsächlich in der Tatsache, daß er sich dem beugt. Wenn Papst Franziskus an der Tradition manipuliert, kann er die Gläubigen nicht länger verpflichten, zu gehorchen. Außerdem greift er die Grundlagen an, auf denen das Papsttum steht."

Der Tridentinische Ritus ist nicht vom Himmel gefallen, sondern historisch gewachsen. Mit seinem Pomp paßt er nicht gut zum Kind in der Krippe, das wir Weihnachten feiern. Warum sollte der Papst das nicht ändern können? 

"Die Traditionen der Kirche haben sich über die Zeit entfaltet. Aber das ist genau der Standart: eine Tradition kann sich entfalten, soll aber nicht gebrochen werden. Die Katholische Feier der Messe ist folgerichtig vom den frühestem Anfängen des Christentums herzuleiten. Der Herr hat während seines Lebens den Tempel besucht und dort den Tempel-Ritus zelebriert. Die Katholische Messe ist mit diesem Ritus verbunden- und das in erstaunlichem Maß. Dennoch sind diese Bezüge in der modernen Lturgie kaum zu erkennen. Man kann nur von einem Versuch sprechen, die jüdischen Elemente durch die Eliminierung der Alten Messe aus der Katholischen Messe zu entfernen."

Der Papst warnt davor, daß die Tradiionalisten zu Sektierertum neigen und die Gemeinden spalten wollen. Warum tun Sie das? 

"Nichts davon ist wahr. Die Traditionalisten sind eine sehr kleine Gruppe und ich kenne keinen einzigen Fall, in dem sie in irgendeiner Weise spalterisch waren. Das Einzige, um das sie sich sorgen, ist die Messe gemäß den 1500 Jahre alten Büchern der Kirche zu feiern. Ja, es ist wahr: im langen Kampf gegen totales Unverständnis kann es  bei dem einen oder anderen zu einer Neigung gekommen sein, die in einzlenen Fällen etwas streitsüchtig war. Ich will mich da nicht ausschließen. Aber in dem Moment, als die Liturgie garantiert und nicht länger behindert wurde, hörten alle Konflikte sofort auf."

Die überwältigende Mehrheit der Gläubigen weltweit. mehr als 95%, feiern den Gottesdienst in der Form, die aus der liturgischen Form von 1969 resultiert. Ist dieser Gottesdienst Ihrer Meinung nach legitimiert? 

"Wenn ein orthodoxer Priester die Neue Ordo-Messe zelebriert, ist das natürlich eine gültige Messe. Die neue Liturgie kann das Eucharistische Geheimnis nicht unzweideutig erfahrbar machen, aber sie kann doch einen sakramentalen Effekt haben." 

Wann waren Sie zum letzten mal in einer modernen Messe? 

"Vor einigen Wochen in Marokko. wo ich an meinem neuen Roman gearbeitet habe.Es gab keine Möglichkeit dort der Alten Messe beizuwohnen. Der Priester lief dauernd zwischen dem Altar und einem CD-Player hin und her, um neue spirituelle Lieder im Stil französischer Chansons abzuspielen- nicht sehr sakramental."

Viele Gläubige werden lieber französische Chansons hören als einem Priester zuzhusehen der Lateinische Formeln in vollkommener Stille murmelt oder betet. 

Zu allererst ist es nicht wichtig, was viele Gläubige vorziehen würden- sie Sakramente sind eine Basis, ein Geschenk, das den Menschen gewährt wird, das die Gegenwart Gottes vermittelt. Tatsächlich ist die Alte Liturgie nicht leicht zugänglich. Sie erfordert eine Initiation und eine lebenslanges Üben. Sie is eine Schule der Ehrfurcht. Ihre Wirkung ist ein lebenslanges Reifen. Sie muß wie eine Sprache gelern werden. Bis zum II.Vaticanischen Konzil haben die meisten Katholiken diese Sprache verstanden, womit ich nicht speziell Latein meine, sondern den gesamten Prozess von Gesang, Gesten und Bildern, die eine sinnliche und transzendente Gegenwelt erschufen. Dieses traditionelle liturgische Gebäude wurde abgerissen; das Zefrschlagen lief schnell ab, weil wertvolle Dinge oft zerbrfechlich sind. Das Resultat ist für jedermann offenbar: das Schrumpfen der Westlichen Kirche." 

Die Kirche wäre besser dran, wenn sie dezidiert anti-modern wäre? 

"Sie wäre nicht besser dran: sie wäre wie sie ist. Wenn sie ihrer Tradition treu geblieben wäre und deshalb Mitglieder verloren hätte, wäre sie zumindest als spirituelle Kraft ungebrochen geblieben- als eine am Übernatürlichen orientierte Institution, zum Anderweltlichen hin. Der Bankrott der Westlichen Kirche wurde jedoch nicht durch eine maximale Anpassung an die moderne Zivilisation gestoppt. Denken wir an das Schicksal der Griechischen Kirche unter den Osmanen, oder an die Russische Kirche, die aller Möglichkeiten öffentlich zu handeln,  beraubt wurde, Werke der Nächstenliebe zu tun, während der 70 Jahre des Kommunismus Klassen einzurichten. Und dennoch hat diese Kirche Dank der Liturgie überlebt. Dank der Zelebration, dieauf den Himmel ausgerichtet war und nichts mit dem kommunistischen Alltagsleben zu tun haben."

In Deutschland wird die Zahl der Kirchenmitglieder bald unter 50% fallen. Was verliert das Land? 

"Ich bin überzeugt, daß der Verlust der Religion ein Land destabilisiert. Wenn der Glaube, daß der Mensch nicht die höchste und endgültige Autorität ist, verschwindet, wird die Welt dunkel. Zu was die Vergötzung der menschlichen Autonomie führen kann, hat sich im 20.Jahrhundert in den großen totalitären Systemen gezeigt. Zusätzlich gibt es einen Geschichtsverlust, des Bewußtseins sich selbst als ein Glied in einer langen Kette wahrzunehmen, als ein Erbe. Wenn wir heute Christen sind, dann deswegen, weil unsere Ur-Ur-Urgroßeltern Christen waren. Die Kette dieser Tradition geht in das Heilige Land zurück. Ohne diesen hallenden Raum der Vergangenheit kann ich mir den Menschen nur als Schattenexistenz vorstellen. "Bleibt so ein kleiner Kopf stecken, stellt er sich sofort das Ende vor,"

Die Orthodoxen Kirchen sind Sehnsuchtsorte für Traditionalisten, weil ihre Liturgie so alt ist, Warum nicht konvertieren? 

"Die Orthodoxie ist für mich eine wundervolle Garantie: es gibt eine große Kirche, die die Tradition des ersten Jahrtausends  bewahrt. Was immer Falsches in der Katholisches Kirche geschieht, kann niemals die ganze Kirche Christi im Kern treffen. In der Orthodoxie hat sie das Gegenbeispiel vor sich, an dem sie sich messen lassen muß und an dem sie sich selbst korrigieren kann. Dennoch bin ich persönlich der Lateinischen Welt und Rom verbunden. Ich weiß auch, was ich aufgeben müßte. Petrus war in Rom- Aber was wenn Rom nicht länger römisch sein will? "

Quelle: M. Mosebach, Rorate Caeli, Welt am Sonntag
 

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