Der Direktor des Acton-Institutes, Samuel Gregg kommentiert bei Firstthings die an die Presse durchgesickerten Pläne zur Neugestaltung des Innenraums von Notre Dame de Paros nach dem Brand. Hier geht´s zum Original: klicken
"WIEDERHERSTELLUNG VON NOTRE DAME"
Abgesehen von den Liturgiekriegen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil lösen wenige Themen eine heftigere Auseinandersetzungen innerhalb der katholischen Diözesen aus als die Architektur – genauer gesagt Vorschläge zur Renovierung von Kirchenbauten und -Innenräumen.
Man muss kein Enthusiast des gegenreformatorischen Barocks sein, um zu erkennen, daß ab Ende der 1950er Jahre in vielen westlichen Ländern im Namen der Erneuerung eine zeitgemäße Entkernung der Altäre vorgenommen wurde. Joseph Ratzinger nannte es in "Der Geist der Liturgie" einen "neuen Bildersturm“, der "viel Kitsch und unwürdige Kunst beseitigte, aber letztendlich ... eine Leere hinterließ." Jahrzehntelang, so scheint es, war Schönheit out, und eine Mischung aus Infantilismus und neostalinistischem Brutalismus in.
Heutzutage sind katholische Laien nicht schüchtern, wenn es darum geht, jene herauszufordern, die das Innere von Kirchen "updaten" (wie der Euphemismus heißt) wollen. Selbst manche Katholiken, die sich als "progressiv" beschreiben, sind dagegen Altar-Schranken herauszureißen, Tabernakel in eine Seitenkapelle in der Krypta zu verbannen oder die Wände des Sanktuariums mit Kunst zu dekorieren, die mehr als nur entfernte Ähnlichkeit mit den Kritzeleien eines Kindergartenkindes hat.
Kurz gesagt, es steht bei diesen Diskussionen mehr auf dem Spiel als nur ästhetische Streitereien, Sie berühren Konflikte vom Zweck der Messe bis dazu, was die Kirche über den Inhalt der Christlichen Glaubens vermitteln sollte. Kirchenarchitekten verstehen, daß das Design eines Gebäudes beeinflussen kann, was Gläubige und Nichtgläubige über das Christentum denken. Das tun auch viele normale katholische Kirchengänger, die glauben, daß ihre Kirchen weder Museen für Touristen noch das kirchliche Äquivalent zum Filmset von Kampfstern Galactica sein sollten.
Einige dieser Spannungen sind kürzlich in den öffentlichen Blickpunkt gerückt, als die Pläne für die Rekonstruktion des Inneren der Pariser Kathedrale Notre-Dame in die Britische Presse "geleakt" wurden. Das vorgeschlagene Neu-Design beinhaltet einen "Entdeckungs-Pfad" der Besucher durch 14 Themen-Kapellen führen soll, wobei in jeder ein Text auf die Wand projiziert wird und jede mit einem zeitgenössischen Kunstwerk, um "einen fruchtbaren Dialog zwischen zeitgenössischer Schöpfung und der Kirche zu schaffen", was immer das bedeuten mag. Der Plan schlägt auch fas Entfernen zahlreicher klassischer Skulpturen und der meisten Beichtstühle vor, und Ton-Licht-Shows um "emotionale Räume" zu schaffen und die christliche Grundlehre in vielen Sprachen zu erklären, helle "mobile Bänke" (zur Seite geschoben werden können, um nach der Messe mehr Raum für die Touristen zu schaffen) zu installieren und die farbigen Glasfenster und Kapellen-Wände mit zeitgenössischen abstrakten Gemälden von Wolken zu verdecken.
Die vorgeschlagenen Änderungen wurden letzte Woche gemäß dem Abkommen zwischen der Erzdiözese Paris und der französischen Regierung der "Commission nationale du patrimoine et de l’architecture", die über die Restaurierung der Kathedrale entscheidet, vorgelegt. Die Kommission hat dem Entwurf mit zwei Ausnahmen zugestimmt. Die Statuen dürfen nicht aus den neu entworfenen Kapellen entfernt werden und der Plan für die mobilen Bänke muß überarbeitet werden. Die Kommission hat auch mündliche zugesichert, daß kein Objekt oder Gemälde, das sich vor dem Feuer in Inneren der Kathedrale befand, aus ihr entfernt werden wird.
Katholische und nichtkatholische Designer und Kunstkritiker haben ihr Mißbehagen über die Pläne geäußert und sie u.a. als Äquivalent für ein "politisch korrektes Disneyland" und "woken Themen-Park" kritisiert. Der Mann hinter den Plänen, Fr. Gilles Drouin. hat die Neugestaltung verteidigt und argumentiert, daß wie nicht annehmen können, daß 12 Mio Touristen , die jedes Jahr durch die Kathedrale gehen, viel über das Christentum im allgemeinen und Katholizismus im besonderen wissen. Das neue Innere, versichert er, werden die christliche Lehre den zeitgenössischen Besuchern zugänglicher machen.
Fr. Drouin hat Recht damit, daß tiefe religiöse Ignoranz für die heutigen Westeuropäer eher die Regel als die Ausnahme ist. Darüber hinaus sollen katholische Kirchen um 1756 nicht für immer eingefroren werden. Jede Generation von Katholiken kann dazu beitragen, daß ihre Kirchen Gott ehren. Aber Kirchenarchitekten und Liturgien müssen erkennen, daß sie, egal wie sehr sie sich bemühen, ihre säkularen Altersgenossen niemals "übertreffen“ können, wenn sie versuchen, den Glauben zum sogenannten Moment sprechen zu lassen. Und jeder, der ernsthaft an der Evangelisierung durch Kirchendesign interessiert ist, sollte bedenken, daß der Einsatz elektronischer Ton- und Lichtshows, um die gegenwärtige architektonische Harmonie von Notre-Dame zu stören, die seit Jahrhunderten sowohl Messebesucher als auch Besucher inspiriert hat, wahrscheinlich nicht der beste Weg ist, die transzendente Schönheit des Glaubens für Touristen zu kommunizieren.
Eine etwas andere Sichtweise hat die Notre-Dame-Restauratoren des 19. Jahrhunderts geleitet. Eugène Viollet-le-Duc, als er versuchte, die von den bilderstürmenden französischen Revolutionären in den 1790er Jahren verursachten Schäden zu reparieren. In seinen Entwürfen wollte er einen tiefen Sinn für das Heilige, das Transzendente und das Geheimnis der Sakramente vermitteln, die die sichtbare und unsichtbare Realität Gottes ausdrücken und enthalten – des Gottes, der sich, wie Christen glauben, dem hebräischen Volk zuerst offenbarte bevor er in der Person Jesu von Nazareth direkt in die Menschheitsgeschichte eintrat. Sein neugotischer Stil strebte danach, Glauben und Kunst zu integrieren, wobei der Schwerpunkt darauf lag, die Besucher der Kathedrale – Reiche und Arme, Fromme und Skeptiker – zum Beten zu inspirieren, wobei die Säulen und Türme nach oben auf denjenigen gerichtet waren, der das eigentliche Gebetsobjekt ist. Viollet-le-Duc wollte auch, daß die Besucher von Notre-Dame erhabene Bilder und Kunstwerke kennenlernen, die sie an die Heiligen erinnern, die für uns eintreten und als Vorbilder der Heiligkeit dienen.
Mit anderen Worten, Viollet-le-Ducs Entwürfe – die sich auch in seiner Restaurierung von Kirchen, wie der auf dem Mont Saint-Michel in der Normandie und der Pariser Sainte-Chapelle ausdrückten – waren weder Übungen reiner Nostalgie noch Versuche, "mit dem Moment zu sprechen“. Es ging darum, die Schönheit und Wahrheit des katholischen Glaubens zu vermitteln. Auch die geschmackvolle Restaurierung vieler Kirchen in Frankreich war in den letzten zwanzig Jahren nicht von Nostalgie angetrieben. Viele Kircheninnenräume in ganz Frankreich wurden so renoviert, daß nicht nur die Absurditäten der 70er und 80er Jahre aufgegeben wurden, sondern auch traditionelle Kunst und modernes Design kombiniert wurden, um ein Gefühl des Staunens zu vermitteln und die menschliche Vernunft für die erstaunlichen Möglichkeiten zu öffnen dass es einen Schöpfer gibt, der uns liebt und uns ernst nimmt.
Das, würde ich vorschlagen, ist der Maßstab, nach dem wir die Innenräume katholischer Kirchen beurteilen sollten. Ob er sich letztendlich bei der Sanierung von Notre-Dame de Paris durchsetzt, bleibt leider abzuwarten."
Quelle: S. Gregg, Firstthings
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