A. Gagliarducci befaßt sich in seiner heutige Kolumne in "Monday in the Vatican" sehr kritisch mit dem Münchener Mißbrauchs-"Gut"achten, seiner Instrumentalisierung und kommentiert die Null-Toleranz-Strategie des amtierenden Papstes und ihre möglichen Gefahren. Eine Lektüre die man den deutschen Medien aber auch so manchem deutschen Bischof nur dringend empfehlen kann
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"PAPST FRANZISKUS, WARUM DAS THEMA MISSBRAUCH FÜR IHN AUSSCHLAGGEBEND IST"
2013 nach der Wahl von Papst Franziskus fuhr der Veteran der Vaticanisten John Allen nach Argentinien, um mehr über die Geschichte und das Leben von Kardinal Jorge Mario Bergoglio zu erfahren und sein persönliches Profil zu skizzieren. Bei seiner Recherche ergaben sich einige zweideutige Situationen bzgl. der Antwort von Bergoglio auf zwei Fälle von sexuellem Missbrauch, eine Geschichte, die bereits von der Washington Post am 18. März 2013, fünf Tage nach der Wahl, erwähnt worden war.
Die beiden Fälle betrafen Fr. Julio Cesar Grassi, der 2009 wegen zweier Mißbrauchsfälle angeklagt und in vielen weiteren freigesprochen wurde und FR. Napoleon Sasso, 2007 angeklagt fünf minderjährige Mädchen mißbraucht zu haben.
Allen betonte, daß weder Grassi noch Sasso Priester der Erzdiözese von Buenos Aires waren und deshalb nicht direkt der Aufsicht Bergoglios unterstanden. Und er erklärte, daß es sich um zwei Fälle, die man trennen müsse, handelte, weil Bergoglios Beteiligung laut der Geschichten unterschiedlich war.
In Sassos Fall glauben viele, daß die Verantwortung nicht direkt bei Bergoglio liegt. Im Fall von Grassi, wurde Bergoglio beschuldigt, versucht zu haben, das Vorgehen der Justiz zu ändern.
Diese Geschichten sind im Verlauf der Zeit mehrmals an Licht gekommen. Z.B in der vom Martin Baudot gedrehten Französischen Dokumentation mit dem Titel "Der Code des Schweigens" , der 2017 gezeigt wurde, oder in einer Recherche des deutschen Wochenmagazins Spiegel. Genau so wie eine Weile über den wg. Mißbrauchs verurteilten Mario Inzoli gesprochen wurde, der von Benedikt XVI suspendiert und von Papst Franziskus wieder eingesetzt wurde.
Diese Situationen stellen keinen Angriff auf Papst Franziskus dar. Sie dienen jedoch dazu, zu unterstreichen, daß hinter einer "Null-Toleranz"-Einstellung jeder beschuldig werden kann, sich nicht richtig verhalten zu haben.
Das passiert jetzt in Deutschland mit dem Mißbrauchs-Report der Münchener Erzdiözese. Der Report bezieht sich auf eine sehr lange Zeit (1945- 2019), umfaßt um die 1000 Seiten und weist darauf hin, daß mindestens 497 Menschen, die in dieser Zeit in der Erzdiözese Mißbrauch erlitten haben. Dazu gehören zwei Fälle, deren schlechte Handhabung man Kardinal Reinhard Marx zuschreiben kann, der jedoch in diesem Fall nicht seinen Rücktritt anbot, so wie er das einige Monate zuvor getan hatte, als er eine Bitte an den Papst mit "persönlichem Versagen" bei der Handhabung von sexuellem Mißbrauch getan hatte- ein Rücktritt den Papst Franziskus ablehnte.
Aber die Scheinwerfer sind auf die vier Fälle gerichtet als Joseph Ratzinger Erzbischof der Erzdiözese München war. Die Situation eines dieser Fälle - "Kaplan H", Peter Hullermann- war bereits vor 12 Jahren geklärt worden, als er unter den vielen Angriffen ans Licht kam, die 2010 ein wahrer Sturm waren. Zu den anderen 3 Fällen sind die 82 Seiten, die Benedikt XVI als Rückerinnerung und persönlichen Beitrag geschickt hat, authentisch. In der Pressekonferenz sagten die Experten, daß er nichts über die Situation der Menschen wisse, aber daß die Opfer überzeugt sind, daß er das tat.
Es gibt keinen Beweis für diese Behauptung. Genau wie es keinen Beweis für Vertuschung oder Missmanagement von Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln gab, der zu einem 6-monatigen spirituellen Rückzug wegen -wie die Nuntiatur es nannte. eines Kommunikations-Fehlers. Genau so wie es keine Beweise gegen Kardinal Philippe Barbarin , emer. Erzbischof von Lyon gab, der von der Anklage der Vertuschung freigesprochen wurde, aber nicht von der Öffentlichen Meinung, in einem Ausmaß. daß er zum Rücktritt gezwungen wurde.
Heute birgt die Weitergabe eines externen Organen übergebenen Berichts von Bischofskonferenzen das Risiko, sich in das Gegenteil dessen zu verkehren, für das er geplant war. Mehr als Operationen zur Wahrheitssuche werden sie Marketing-Operationen, bei denen die Bischöfe sich fleißig entschuldigen und Scham ausdrücken, um in der Öffentlichen Meinung zu punkten.
Es gibt keinen Zweifel, daß Mißbrauchsfälle verurteilt und die Priester, die sie begehen bestraft werden und an der weiteren Ausübung ihres pastoralen Dienstes gehindert werden sollten. Es steht jedoch auch außerhalb jedes Zweifels, daß das rechtmäßig geschehen muß unter Berücksichtigung des Kontextes. Papst Franziskus hat mehrmals darüber gesprochen, daß die Hermeneutik der Zeit nötig ist, um Situationen und modi operandi zu verstehen.
Diese Berichte jedoch erreichen keine juristische Wahrheit, sie basieren auf nur teilweise verifizierten Zeugnissen und liefern eine geschätzte Zahl von Opfern, die nicht auf Justizberichten fußen. Die Methodik ist nicht solide. Aber das darf man nicht sagen. In Frankreich hatte Karine Dalle, Kommunikations-Chefin der Französischen Bischofskonferenz einen starken Standpunkt eingenommen. Sie wurde gefeuert. Sie war zuerst Sprecherin der emeritierten Erzbischofs von Paris, Michel Aupetit, der sich kurz darauf einer Medien-Kampagne wegen einer angeblichen unangemessenen Beziehung zu einer Frau wiederfand: der Papst nahm seinen Rücktritt "auf dem Altar der Heuchelei an".
Der Fall des Berichts der Münchener Erzdiözese ist keine Ausnahme. Aber -und das ist der Punkt- jeder könnte von Vorwürfe von Missmanagement betroffen werden, vielleicht, weil er ein Ersuchen unterschätzt hat oder seine erste Reaktion nicht die beste war. Das passiert. Und dann wird das prominenteste Ziel ausgesucht, und dabei de facto das Gesicht der anderen Beteiligten gewahrt. Das ist mit Benedikt XVI zu oft passiert, als er Papst war und es passiert jetzt wieder, wo er Papst emeritus ist.
Die Frage bleibt jedoch, ob diese von Papst Franziskus gewünschte "Null-Tolerauz" mit Aktionen der verschiedenen Art, beginnend mit dem spektakulären Mißbrauch-Gipfeltreffen im Februar 2019 bis zur Abschaffung des Papst-Geheimnisses sich nicht eines Tages gegen den Papst selbst wenden kann. Fälle, über die schon gesprochen wurde, werden nicht zurückgezogen und werden benutzt, um das Pontifikat anzugreifen. Das ist möglich, weil das der Stand der Dinge ist.
Der Papst ist sich dessen bewußt. Deshalb hat er angefangen sich selbst von denen zu lösen, die einen Skandal gegen ihn hätten verursachen können, wie Erzbischof Gustavo Zanchetta, der mit der ad-hoc-Rolle eines Assessors bei der APSA nach Rom geholt und dann nach Hause geschickt wurde, als ein Prozess gegen ihn begann.
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