So überschriebt Sandro Magister seinen Kommentar in Settimo Cielo zur derzeitigen Kontroverse um die Auswirkungen von Traditionis Custodes und seiner Anwendung.
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" ES BRAUCHTE FRANZISKUS UM DIE ALTE LATEINISCHE MESSE ABZUSCHAFFEN. NICHT EINMAL BALTHASAR HAT JEMALS DARAN GEDACHT."
Es gibt kein Nachlassen in der Kontroverse, die das motu proprio Traditionis Custodes von Papst Franziskus ausgelöst hat, deren Auswirkung die Messe im antiken Ritus zum Tode verurteilt hat. Andrea Grillo, ein 62-jähriger Vater zweier Kinder, Professor am Päpstlichen Athenäum von St. Anselm in Rom und einer der vom aktuellen Pontifex meist konsultierten und geschätzten Liturgisten, verteidigt die Gerechtigkeit seines Urteils und hat dazu einen der größten Theologen des 20. Jahrhunderts, Hans Urs von Balthasar (1905-1988) zu seiner Unterstützung herangezogen, so als ob er schon damals seine Rückendeckung gewollt hätte.
Aber ist Grillos Neuinterpretation von Balthasar korrekt? Laut anderer Experten nicht. Zu denen gehört Nicola Lorenzo Barile, Kirchenhistoriker und Mittelalterspezialist, Mitarbeiter am der Universität Berkeley, Kalifornien.
In seinem Kommentar für Settimo Cielo erklärt er, daß von Balthasar nie den Widerruf des alten Missale unterstützt hat, das von Paul VI, dem Papst der nachkonziliaren lituirgischen Reform , nie abgeschafft wurde, viel weniger noch von Benedikt XVI, der sie im Gegenteil ausdrücklich als "nie abgeschafft" erklärte. Und die Nähe zwischen Ratzinger und von Balthasar auf dem Feld der Theologie und der Liturgie ist wohlbekannt.
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Von Balthasar "jenseits des Hl, Pius V" ? Notiz zur angeblichen Auslöschung des antiken Messe-Ritus.
von Nicola Lorenzo Barile
Warum ist es wichtig alte Bücher zu lesen? Weil laut C.S. Lewis "jedes Zeitalter seine eigene Sichtweise hat. Es ist besonders gut, bestimmte Wahrheiten zu sehen und besonders geneigt, bestimmte Fehler zu machen. Deshalb brauchen wir alle Bücher, die die charakteristischen Fehler unserer eigenen Zeit korrigieren" ("Vom Lesen alter Bücher" 1944)
Das ist, was Prpf. Andrea Grillo mit einem seiner eigenen Beiträge "Papst Franziskus und H.U. von Balthasar sind sich einig: der antike Ritus stirbt aus" getan zu haben scheint, das einen Tag nach Papst Franziskus´ motu proprio "Traditionis Custodes" veröffentlicht wurde, und dazu das kleine aber nicht weniger wichtige Werk des Schweizer Theologen "Eine kurze Einführung für einen verunsicherten Laien" (1980) benutzt.
Ich verdanke diesen Hinweis dem Theologen und Liturgiker Nicola Bux, der seine Überraschung über eine der Äußerungen in "Kurze Einführung", die Prof. Grillo unterstreicht, laut der von Balthasar schon damals die "vorherige Form des Römischen Ritus" als zum aussterben bestimmt, ein Statement, daß Prof. Grillo mit den der Messe im antiken Lateinischen Ritus von Traditionis Custodes auferlegten Restriktionen verbindet.
Vor allem vernachlässigt Prof. Grillos Bestehen auf dem "konservativen und wir würden sagen, rechtsgerichtetem Profil von Balthasars den Ruf als progressiver Theologe, das ihm nach der Veröffentlichung von Werken wie "Das Schleifen der Bastionen" (1952) zugesprochen wurde , verflüchtigte sich schnell nach von Balthasars ernsten Warnungen vor einer unterschiedslosen Offenheit gegenüber dem Geist der Welt, was ihm dann den Ruf eines hartnäckigen Verteidigers der Tradition einbrachte.
Es ist auch schwer, zu den Kontrast zu erklären, den Prof. Grillo zwischen den zuvor erwähnten Äußerungen aus von Balthasars "Kurzer Einführung" und dagegen denen in der fast gleichzeitigen "Autobiographie" (1978) des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger zu erklären, laut der während die liturgische Reform "begleitenden Charakter" hatte, während der Tridentinischen Ritus von 1962 "unangreifbar" blieb. Zwischen dem bayrischen Theologen und seinem Schweizer Kollegen gab es in der Tat eine große Affinität. "Ich habe Ratzinger immer gekannt und er war immer so, so hat er immer darüber gedacht [...] Da gibt es wenig zu sagen, Ratzinger hat Recht" sagte von Balthasar über ihn in das "Verbotene und Verlorene Interview", das er 1984 Vittorio Messori gegeben hatte. Während Ratzinger von von Balthasar sagte "Sogar wenn ich mit seiner Bildung nicht mithalten kann,..ist die inwendige Zielrichtung als solche habe ich geteilt" ("Letztes Testament", 2016)
Es gibt also zwei Methoden, die ich als korrekte Interpretation von von Balthasars "Kurzer Einführung" auf die Prof. unsere Aufmerksamkeit gelenkt hat.
1. "die individuellen Passagen des Buches in gegenseitige Beziehung setzen" wie von Balthasar selbst im Nachwort sagt.
2. sich auf sein oben zitiertes "Verbotenes und Verlorenes Interview" beziehen, aus dem weitere Erleuchtung hervorgehen kann.
Tatsächlich erklärt von Balthasar im Eröffnungskapitel von "Kurze Einführung", daß er nur einen Teil der traditionalistischen Welt erforschen will, die in spektakulärer Abspaltung von anderen, mehr oder weniger radikalen Gruppen der traditionellen Milchstraße, entweder offen die Legitimität des letzten Konzils leugnen oder einige seiner Regelungen bedauern oder laut gegen ihre Auswirkungen protestieren. Von einzelnen Bischöfen unterstützt, orientieren sie sich völlig an der präkonziliaren Periode und wollen das gesamte Credo bewahren, indem sie etwas von einer liturgischen Form darin einführen, was nicht länger anerkannt wird.
Wer die Traditionalisten sind, auf die der "Kleine Führer" anspielt wird auch in "Verbotenes und verlorenes Interview" erklärt, wo von Balthasar sein heiteres Urteil nicht über die Form eines speziellen Ritus ausdrückt, sondern über die Zelebration der Liturgie im allgemeinen, aber auf die deutsche Region beschränkt ausdrückt. "nüchtern und gut gemacht, d-h- auf eine Weise, die das Sakrale respektiert ,. [...] von denen wohlwollend aufgenommen, die noch in die Kirche gehen."
Dem Interviewer, der ihn bedrängt, indem auf "bestimmte fundamentalistische Kreise hinweist, die aus der liturgischen Reform ihr Steckenpferd gemach haben, und besonders auf die Lefebvristischer Bewegung" und ihre sehr harschen Angriffe auf den Papst und Ratzinger" antwortet von Balthasar unzweideutig "Lefebvre und seine Leute sind keine wahren Katholiken. Rechter Fundamentalismus scheint mir noch unkorrigierbarer zu sein als linker Liberalismus. Sie glauben, daß sie schon alles wissen, daß sie nichts lernen müssen. Andererseits ist ihre offensichtliche Treue zu den Päpsten -aber nur zu denen, die mit ihnen übereinstimmen- ist widersprüchlich."
Deshalb also keine Feindschaft seitens von Balthasars gegenüber einem bestimmten Ritus oder einer Form davon, auch wenn die Diskussion darüber schon im Gange war, sondern stattdessen eine Polemik gegen eine bestimmte Art- inspiriert von einer "irrigen Auffassung dessen, was Offernbarung ist, "die deren Inhalt als geschichtslos versteht, so daß sie die Dimension der Beziehung verliert und nur für die Form Raum läßt ("Integralismus heute" in "Diakonia 19" , 1988)
Nach dieser kurzen Rekonstruktion des Kontextes in dem es geschrieben wurde, stellt sich von Balthasars Äußerung, daß die Auslöschung des antiken Ritus keineswegs den Ängsten des damaligen Kardinals Ratzinger widerspricht- wegen der Bewahrung ritueller Formen, deren Größe immer bewegt, aber die in eine extreme Manifestation einer sturen Isolation gedrängt wurden". ("Der Mut eines wahren Zeugen" Vorwort für K. Gambler "Die Infragestellung der liturgischen Reform", 1992)
Ich finde es daher kühn, zu schlußfolgern, wie Prof. Grillo es tatsächlich tut, daß von Balthasar das Ende der Zelebration der Messe nach dem antiken Ritus, so wie es Traditionis Custodes befiehlt, sehr gern akzeptiert hätte. "Von Balthasar hat uns immer eingeladen, die Schönheit des unglücklicherweise nicht mehr geliebten und sogar von der Religion nicht mehr geschätzten wieder zu entdecken, speziell die Schönheit des liturgischen Ritus. Heute ist die Gefahr jedoch weniger die eines Ästhetizismus als vielmehr die eines Pragmatismus, und wegen der Vereinfachung und der Beschneidung.ist es nötig, das decorum und die Majestät der göttlichen Verehrung wiederzuentdecken (s. Amt für die Liturgischen Feiern des Obersten Pontifex: "Die Schönheit des Liturgischen Ritus" an dem für die Schweizer Theologen reservierten Platz). Und Unterschiedlichkeit ist eine der Komponenten dieser Schönheit so wie das Erleben der mittelalterlichen Kirche schon gelehrt hat. "In Rom - wie anderswo- waren verschiedene liturgische Gebräuche weit verbreitet aber keiner wurde verachtet, weil Vielfalt im Gottesdienst anziehend ist, Uniformität aber Ekel." (S.J.P.Van Dijk-J. Hazelden Walker "Der Ursprung der Modernen Liturgie" 1960)
Trotz der Promulgierung eines neuen "Ordo Missae", der in der Tat den Platz des alten einnahm ("ut in locum veteris substiueretur"). Paul VI selbst hatte auf keinen Fall die Absicht, den Gebrauch der Formen der Zelebration der liturgischen Riten (lex orandi) Roms, Erbe des einen und unveränderten Glaubens (lex credendi) zu reduzieren. Ein Beweis dafür ist die apostolische Konstitution "Missale romanum" vom 3. April 1969, die sicher das Missale von 1962 durch ein neues ersetzen wollte, aber absolut un ausdrücklich nicht das vorgehende widerrief, wie es später von Benedikts XVI motu proprio "Summorum Pontificum" vom 7. Juli 2007 bestätigt wurde.
Die von Paul VI promulgierte, fortwährende Gültigkeit des Missale von 1962 wird außerdem vom Existenzrecht der "consuetudo centenaria aut immemorabilis” garantiert, sanktioniert durch den Kodex des Kanonischen Rechts in Kodex 28: "außer wenn es sie ausdrücklich erwähnt , widerruft das Gesetz nicht Jahrhunderte von unvergeßlichen Gebräuchen."
Die höchste kirchliche Autorität kann de facto die antike und ehrwürdige Liturgie der Kirche nicht munter verändern, wie vom Katechismus der Katholischen Kirche erklärt ("Sogar die höchste Autorität der Kirche kann die Liturgie nicht willkürlich verändern, sondern nur im Gehorsam zum Glauben und religiösem Respekt vor dem Geheimnis der Litugie " Nr. 1125) ohne einen Machtmißbrauch zu begehen ("abusus postetatis", Kan, 1389).
Das ist immer eine aktuelle Frage. Sogar von Balthasar lädt uns in dem dichten Kapitel seiner "Kurzen Einführung"- die den bedeutsamen Titel "Kritischer Gehorsam" trägt, ein, sorgfältig die Fehlbarkeit religiöser Autoritäten zu bedenken, obwohl er anerkannte, daß es "schwer ist, die Grenze zwischen dem ordentlichen Lehramt aller Bischöfe, dessen Orthodoxie garantiert ist, und der Fehlbarkeit einzelner Bischöfe und Bischofskonferenzen zu ziehen (gar nicht zu reden, von einfachen Priestern und Vikaren) und daß "[sogar] der Papst nur in bestimmten, genau definierten Situationen unfehlbar spricht", so daß der Gläubige immer aufmerksam sein muß und er muß z.B; unruhig werden, wenn etwas in einer Predigt verkündet wird, das nicht mit dem Credo oder dem Kanon der Liturgie übereinstimmt."
Es ist also ein ziemlich langer Weg von der Rückversetzung sogar von Balthasars "über den Hl. Pius V hinaus" um den Titel eines Buchs von Prof. Cricket von 2007 zu paraphrasieren. Sicher wird es uns nicht gelingen, den Gewinn zu erzielen, den Lewis für uns im Sinn hat, wenn wir uns darauf beschränken, in den alten Büchern die Irrtümer und Hypothesen zu lesen, die für unsere Zeit charakteristisch sind und für die wir blind geworden sein können. Wir werden nicht viel von ihnen lernen wenn wir, anstatt die Bücher unsere Annahmen in Frage stellen zu lassen, versuchen sie zu Verbündeten in unseren aktuellen ideologischen Schlachten zu machen."
Quelle: S. Magister. Settimo Cielo
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