George Weigel erklärt für das Wall Street Journal, anläßlich der Propagandalügen mit denen zur Zeit von russischer Seite die Invasion der Ukraine begleitet wird, daß und warum Diktatoren die Wahrheit fürchten und sie und die, die sie sprechen, verfolgen müssen. Und daß- wie das Beispiel der katholischen litauischen Untergrundzeitung "Chronicle" in den Jahren der sowjetischen Besatzung - die Diktatur die Verbreitung der Wahrheit ermutigenderweise trotz maximaler Bemühungen nicht unterdrücken konnte.
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"TYRANNEN WIE PUTIN KÖNNEN DIE WAHRHEIT NICHT ERTRAGEN"
Weder damals noch heute gelingt es der sowjetischen Unterdrückung, die Aufrichtigkeit zum Schweigen zu bringen."
Ein Freund hat Papst Johannes Paul II einmal eine faszinierende Frage gestellt. Angenommen die Bibel würde zerstört. Welchen Satz würden Sie für die Zukunft der Menschheit bewahren wollen? Er hat nicht gezögert: ..."die Wahrheit wird euch frei machen" (Joh, 8:32)
Die gleiche Überzeugung zur befreienden Macht, die Dinge so zu sehen wie sie sind- und sie ehrlich zu beschreiben. hat Vaclav Havel und andere Menschenrechts-Aktivisten dazu inspiriert, das "Leben in Wahrheit" als machtvolles Gegengift gegen die kommunistische Kultur der Lüge während des Kalten Krieges zu unterstützen. Sie hat auch zu den zahllosen Samizdat-Veröffentlichungen animiert, die mit großem Risiko in der alten Sowjet-Union produziert wurden. Eine der außerordentlichsten Untergrund-Veröffentlichungen war die Chronik der Katholischen Kirche in Litauen, deren erste Ausgabe vor 50 Jahren am 19. März 1972 veröffentlicht wurde.
Der Einnahme Litauens 1944 durch die Sowjet-Union folgte das übliche Sowjet-Programm, die nationale Identität eines unterworfenen Volkes zu unterdrücken. In Litauen umfaßte das noch schwerwiegende Restriktionen gegen die Katholische Kirche. Pfarreien und Klöster wurden geschlossen, Bischöfe, Priester und Nonnen in den Gulag verschleppt oder hingerichtet. Einer knappen aber kurzlebigen Tauwetter-Periode nach Stalins Tod 1953 folgten in den frühen 1960-ern drakonische antikatholische Maßnahmen. Priester durften nicht Kinder katechisieren, Kranken die Sakramente bringen, außerhalb des Kirchengeländes pastorale Arbeit verrichten. Pilgerstätten wurden zerstört und in den Lehrplänen der Schule gab es massenweise atheistische Propaganda.
Mutige Kleriker und Laien organisierten Widerstand gegen diese Unterdrückung. In Anlehnung an den "Chronicle" der aktuellen Ereignisse, einer in Moskau ansässigen Samizdat-Zeitschrift, arbeitete Pater Sigitas Tamkevičius von seinem Zimmer in einem ländlichen Pfarrhaus aus mit einem geheimen Redaktionsteam an der Erstellung des Chronicles, der Katholischen Kirche in Litauen, 81 Ausgaben davon wurden über 17 Jahre veröffentlicht – die längste ununterbrochene Aufzeichnung der Samizdat-Veröffentlichung in der sowjetischen Geschichte. (1983 wurde Pater Tamkevičius wegen „antisowjetischer Propaganda“ zu 10 Jahren Gulag verurteilt; im Alter von 81 Jahren wurde er 2019 von Papst Franziskus zum Kardinal ernannt.)
Der Chronicle wollte nicht unterhalten, sondern detailliert die Schikanen und Verfolgungen beschreiben, denen einzelne Katholiken und katholische Institutionen in Litauen ausgesetzt waren. Appelle an die sowjetischen Behörden waren die Klammer: Aufforderungen, die Einmischung in Seminare zu beenden, Forderungen an die Sicherheitsdienste ihre Bemühungen einzustellen, zukünftige Priester als Informanten zu rekrutieren, und Petitionen, in denen darauf gedrängt wird, daß die Bischöfe des Landes in ihre litauischen Diözesen zurückkehren dürfen.
Nachdem Pater Tamkevičius und andere, angeregt durch die Wahl von Johannes Paul II. im Jahr 1978, das litauische Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen gegründet hatten, veröffentlichte der Chronicle regelmäßig die Dokumente des Komitees, darunter an die Vereinten Nationen gerichtete Appelle zur Befreiung von der sowjetischen Unterdrückung, an Staats- und Regierungschefs sowie an religiöse Führer. Der Chronicle diente auch als Tresor der Erinnerung des litauischen Katholizismus, dokumentierte die Repressionen der 1950er und 1960er Jahre, veröffentlichte Listen ermordeter Geistlicher und führte Aufzeichnungen darüber, welche katholischen Dissidenten wofür verhaftet worden waren, und verfolgte ihre Strafen und Orte der Gefangenschaft oder Verbannung.
Die Veröffentlichungs- und Verteilungsprozesse des Chronicle waren ein streng gehütetes Geheimnis, das der KGB nie knacken konnte. Handschriftliche Informationen, die von Chronicle-Redakteuren gesammelt wurden, wurden auf manuellen Schreibmaschinen transkribiert, wobei Kopien mit Kohlepapier angefertigt wurden. Tastaturen und Tasten von Schreibmaschinen wurden geändert, um die Entdeckung durch die Geheimpolizei zu vereiteln. Eine geheime Druckerei in Kaunas, die von dem Dissidenten Petras Plumpa betrieben wurde, stellte höchstens einige hundert Exemplare auf einmal her.
Der Chronicle wurde innerhalb Litauens per Hand verteilt und auch ins Ausland versandt. Zunächst wurden Kopien an Moskauer Dissidenten verteilt, die sie an sympathisierende westliche Journalisten weitergaben. Später wurden Mikrofilmkopien von Chronicle-Ausgaben in Zahnpastatuben oder Bonbonpapier versteckt und an westliche Touristen verteilt. Die litauische katholische Religionshilfe, eine in Brooklyn ansässige Agentur, vervielfältigte massenweise Ausgaben des Chronicle und brachte sie zu Radio Liberty, Radio Free Europe, Radio Vatikan und anderen westlichen „Ersatz“-Radiosendern, die echte Nachrichten in die Sowjetunion sendeten. Siebzig litauische Emigrantengruppen außerhalb der UdSSR halfen finanziell bei der internationalen Verbreitung des Chronicles.
17 Jahre lang hat der KGB alles in seiner Macht Stehende getan, um den Chronicle zu stoppen. Herr Plumpa wurde im Dezember 1974 einem Schauprozess unterzogen und zu acht Jahren Arbeitslager verurteilt, ebenso wie Schwester Nijolė Sadūnaitė, eine Untergrundschwester, die an der Veröffentlichung des Chronicle beteiligt war, zusammen mit vielen anderen. Aber den Kollegen des zukünftigen russischen Diktators Wladimir Putin, der 1975 dem KGB beitrat, gelang es nie, den Chronicle oder seine Leute zu knacken.
Tyrannen können die Wahrheit nicht tolerieren. Aus diesem Grund überschwemmt Putins Russland den globalen Informationsraum mit Lügen über seine Invasion in der Ukraine. Und das macht den 50. Jahrestag der Chronik der Katholischen Kirche in Litauen zu einem geeigneten Zeitpunkt, um über die befreiende Kraft der Wahrheitsfindung nachzudenken, koste es, was es wolle."
Quelle :G.Weigel,
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