Montag, 28. März 2022

Zentralisierung statt Dezentralisierung? Der Pontifex als `Papst-König`?

In seiner heutigen Kolumne für Monday in the Vatican kommentiert A. Gagliarducci den Stand des päpstlichen Reformprojekts nach der Veröffentlichung der neuen Kurien-Konstitution und stellt statt der angekündigten Dezentralisierung eine Zentralisierung fest und fragt nach der Rolle des Pontifex als "Papst-König". 
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"PAPST FRANZISKUS, DIE RICHTLINIEN SEINER REFORM"

Die aus heiterem Himmel veröffentlichte Apostolische Konstitution, die die Römische Kurie neu gestaltet, ist wirklich nicht nur eine organisatorische Änderung. Stattdessen spricht sie für einen Wandel in der Philosophie, der vollständig verstanden werden muss. Das Risiko besteht darin, daß wir mit dem Willen zur Veränderung stattdessen zu alten Mustern zurückkehren. Indem wir die historische Rolle bestimmter Organe und Abteilungen aus den Augen verlieren, verlieren wir in der Tat auch ihre Bedeutung und Seele aus den Augen. das kann ein Problem sein. 

Die Apostolische Konstitution heißt bekanntlich Praedicate EvangeliumUm die Neuheiten zusammenzufassen: Es gibt 16 vatikanische Dikasterien, und sie werden alle Dikasterien genannt (daher endet damit die Unterscheidung zwischen Kongregationen und Päpstlichen Räten); die Dikasterien können mit Ausnahme des Tribunals der Apostolischen Signatur auch formell von einem Laien geleitet werden; der Papst übernimmt die Rolle des Präfekten des Dikasteriums für die Evangelisierung, das somit zwei Pro-Präfekte hat, die sich der neuen und ersten Evangelisierung widmen; der Päpstliche Almosenier geht in das Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe über. Kein hochrangiger Mitarbeiter oder Geistlicher darf länger als zwei Amtszeiten von je fünf Jahren in der Kurie bleiben

Viele der Änderungen durch Praedicate Evangelium waren bereits in Kraft. Papst Franziskus hatte bereits die Dikasterien für den Dienst an der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung,  für Laien, Familie und Leben; und für Kommunikation eingerichtet. Die Kongregation für die Glaubenslehre war bereits so reformiert worden, wie sie jetzt in der neuen Verfassung beschrieben wird. In vielen Fällen hatte der Papst Personen in Spitzenpositionen, die für zwei fünfjährige Amtszeiten im Amt geblieben waren, bereits nicht bestätigt; und es gab bereits einen Laienpräfekten, den Präfekten der Abteilung für Kommunikation.

Der Teufel steckt jedoch in den Details. Und es gibt mindestens drei Themen, die fast eine Rückkehr zur Vergangenheit anzeigen. 

Das erste ist, daß die Laien die Leitung eines jeden Dikasteriums übernehmen können. Während der Pressekonferenz zur Vorstellung der Konstitution am vergangenen 21. März sagte Pater Gianfranco Ghirlanda, SJ, ein erfahrener Kanonist, daß diese Entscheidung die Frage löse, die durch Kanon 129 aufgeworfene Frage zur Autorität löse, die nur den Ordinierten zuerkannt wird, während die Laien in Autorität.mitarbeiten. Laut Ghirlanda war der Kanon selbst vage, weil er Resultat eines  Kompromisses war  Auf diese Weise verleiht die  Missio Canonica Autorität und nicht die Weihe.

Diese Position wird Gegenstand ausführlicher Diskussionen sein, weil die Entscheidung, die Autorität an die Ordination zu binden, aus der Notwendigkeit hervorgeht, das Bischofsamt niemals zu einer Funktion zu machen. Früher konnte jemand zum Bischof ernannt werden, auch ohne Priester zu sein, weil er ein Territorium zu verwalten hatte. Die Verknüpfung der Autorität mit der Ordination verhindert jede Ausbeutung der Macht, weil alles mit dem göttlichen Auftrag beginnt.


In Canon 129 lesen wir, daß Laien-Mitglieder Mitarbeiter sein können, aber das bedeutet nicht, daß sie Autorität erlangen müssen. Selbst im Fall der Gerichte können Laien nur Teil des Gerichtes sein, wenn es dort bereits einen geweihten Mitarbeiter gibt und ein Geistlicher diese Notwendigkeit bezeugt. 

Das war schließlich das selbe Prinzip, das Johannes XXIII dazu veranlaßte, zu entscheiden, daß Kardinäle mindestens Erzbischöfe sein sollten- die einzige Ausnahme wird Kardinälen gewährt, die mehr als 80 Jahre alt sind, die nicht länger am Konklave teilnehmen und die deshalb auch keine administrative Verantwwortung haben.

Jetzt wird die Autorität durch die Missio Canonica gewährt, die direkt vom Papst verliehen wird.  Die Rede war von Dezentralisierung. Stattdessen gibt es jetzt in den Entscheidungen des Papstes eine weitere Zentralisierung. Der Abstand vom iustum (gerecht) zum iussum ( befohlen) ist sehr klein. 

Diese Zentralisierung auf den Papst ist auch in der Entscheidung sichtbar, Präfekt des Dicasteriums für die Evangelisierung zu sein. Bis zu Paul VI war der Papst Interims-Präfekt der Sant´ Uffizio, aber es war Paul VI , der das zugunsten einer gesunden Trennung von Macht und Verwaltung anders entschied. Kardinal Marcello Semeraro hat während einer Pressekonferenz erklärt, daß die Glaubenskongregation zu einer Zeit zentral war, in der die Kirche überwiegend europäisch war.  
Daher bestand die größte Notwendigkeit darin, die Grundsätze des Glaubens festzuhalten, anstatt sie zu verbreiten. Jetzt muss evangelisiert werden, um eine globalere Vision zu erlangen, und deshalb tut der Papst für die Evangelisierung – die zum ersten Dikasterium wird – das, was er einst für die Glaubenslehre getan hat.

So logisch die Erklärung erscheinen mag, verbirgt sie doch eine weiter Zentralisierung des Rolle des Papstes. Er hat u.a. bereits die Migranten-und Flüchtlingssektion ad interim übernommen. In der Praxis delegiert der Papst nicht, sondern stellt sich selbst an die Spitze aller Dicasterien, die ihn besonders interessieren. Am Ende ist er auch wenn es um die Römische Kurie geht, ein Papst-König. 

Dass der Papst als Papst-König agiert, zeigt sich in den rund 40 Motu Proprio, die in diesen neun Jahren des Pontifikats veröffentlicht wurden, sowie in den Rescripta, die oft verwendet wurden, um die Regeln laufender Prozesse zu ändern – so geschehen im aktuellen vaticanischen Prozess zur Verwaltung der Finanzmittel des Staatssekretariats. Diese Rückkehr zur Zentralität des Papstes ist jedoch ein Schritt zurück.

Bis jetzt haben die Pontifikate immer durch Subtraktion gehandelt. Das haben sie schon im Mittelalter getan, als der Papst oft nach Anhörung der Kardinäle in einem Konsistorium entschied. Die Zeiten haben sich geändert, Kardinäle können sich nicht mehr so oft im Konsistorium treffen. Die Päpste haben jedoch immer versucht, in Kollegialität zu arbeiten.

Auch die Arbeit der Glaubenskongregation war immer kollegial, weil alles- sogar disziplinarische Themen, Teil der Vergehen gegen den Glauben waren. Jetzt- in zwei Sektionen unterteilt- könnte das Dicasterium einen weniger ganzheitlichen Zugang zuden Dingen haben, mit dem Risiko, daß die Disziplin wichtiger wird als die Glaubenslehre. 

Es gibt Hinweise, die zeigen wie diese Reform am Ende die gegenteilige Wirkung als die erwünschte haben könnte. Die Bischofskonferenzen werden mehr als 50 mal erwähnt, Synodalität wird fast zu einem Regierungsinstrument. Aber dann bleibt da ein Papst, der persönlich entscheidet, Präfekt einer Kongregation wird und über seine Wohltätigkeit bürokratisch entscheidet. 

Weil die Päpstliche Wohltätigkeit sich immer von einem Dicasterium unterschieden hat- gerade weil es die Wohltätigkeit des Papstes war, gab es nichts Bürokratisches; Sie hat keine Projekte finanziert, wie der Päpstliche Rat Cor Unum, der auch für Caritas Internationalis (später ins Dicasterium für die Ganzheitliche Entwicklung verschoben) zuständig war. 

Diese Änderungen scheinen sich um Dinge zu handeln, die nicht wichtig oder nur an alte Traditionen gebunden sind. In Wahrheit verändern sie das Wesen der Institution selbst. Und man fragt sich, ob diese Änderungen bestehen bleiben werden. Natürlich wird es nicht einfach sein, langfristige Pläne zu machen, wenn der Amtsleiter nicht länger als 10 Jahre bleiben kann. Bei der Pressekonferenz wurde gesagt, daß es nicht nur zwei Amtszeiten sind, daß der Leitung immer erneuert werden kann. Die Konstitution erwähnt jedoch nur eine Verlängerung und nicht zwei. So wird für einen Priester, Bischof oder Laien, der ein Dicasterium leitet, der Hl. Stuhl nicht Teil eines Engagements, einer Lebensaufgabe sein, Er wird nur ein bürokratisches Zwischenspiel sein, dem die Rückkehr in die Diözese folgt. "

Quelle: Mondayin the Vatican, A. Gagliarducci 

 

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