In seiner heutigen Kolumne in Monday in the Vatican kommentiert A. Gagliarducci die umstrittene Entscheidung des Papstes an der 13.Station des diesjährigen Kreuzweges im Kolosseum- als Zeichen der Versöhnung, das Kreuz von einer russischen und ukrainischen Frau tragen zu lassen- mitten im Kriegsgeschehen in der Ukraine und kritisiert dabei den Widerspruch zwischen dem Anspruch des Papstes nur Hirte sein zu wollen, alle Vorrechte eines "Papstkönigs" zu beanspruchen, aber nicht als Papst zu handeln.
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"PAPST FRANZISKUS - SEINE IDEE EINER UNIVERSALEN BRÜDERLICHKEIT UND DER KRIEG"
Zum ersten mal seit Beginn der Pandemie hat Papst Franziskus am Karfreitag den Kreuzweg im Kolosseum geleitet und nicht vom Platz vor dem Petersdom aus. Aber der erste Karfreitag nach der Pandemie war ein durch die Rückkehr des Krieges ins Herz Europas gekennzeichneter Karfreitag. Seit dem 24. Februar wird die Ukraine von Rußland angegriffen und ist Kriegsschauplatz. Ein Szenario das sogar Angst vor einer Eskalation, die zum Gebrauch von Atomwaffen führt, erzeugt.
Die Kreuzwegmeditationen dieses Jahres waren der Familie gewidmet, Papst Franziskus hatte gewünscht, daß das Kreuz an der 13. Station von zwei befreundeten Frauen, einer Russin und einer Ukrainerin, getragen werden sollte, um die Möglichkeit zur Versöhnung zwischen Völkern zu bezeugen.
Papst Franziskus wollte mit dieser Geste sein in Fratelli Tutti beschriebenes Ideal von sozialer Freundschaft verdeutlichen. Für ihn war das ein Zeichen, daß Frieden möglich ist und dieser Frieden aus der Freundschaft der Völker entsteht.
Diese Entscheidung hat jedoch eine breite Diskussion provoziert. Auf der einen Seite jene, die diese Entscheidung kritisierten und unterstrichen, daß der Papst Aggressor und Angegriffene auf die selbe Stufe gestellt hat. Auf der anderen Seite, jene, die betonten, daß Papst Franziskus als Hirte außerhalb der Logik der Macht handelte, indem er ein starkes Signal für die Macht der Botschaft des Evangeliums gab.
Über diese Debatte hinaus gibt es einige bemerkenswerte Themen, die vielleicht nicht durchdacht worden sind.
Erstens: Um machtvoll zu sein, brauchen Gesten Geschichte und Substanz. Sie können nicht erfunden werden und aus dem Nichts kommen. Die Geschichte hat besondere Versöhnung zwischen Völkern gesehen und die Katholische Kirche war dabei ein Hauptakteur.
Z.B: nach dem Zweiten Weltkrieg kam die deutsch-polnische Versöhnung auf Initiative der polnischen Bischöfe zustande, besonders Kardinal Kominek, der den Konflikt und die feindliche Beziehung mit Deutschland hinter sich lassen wollte.
Aber warum war diese Versöhnung eine machtvolle Geste? Weil sie Jahre nach dem Ende des Krieges kam, nachdem das Gleichgewicht wieder hergestellt war und die Invasoren vertrieben worden waren oder aufgehört hatten, Invasoren zu sein. Und weil es die Opfer waren, die die Initiative starteten- die Polen, die mit der Anwesenheit der grauenvollen Konzentrationslager auf ihrem Territorium zu kämpfen hatten.
Die Entscheidung wurde getroffen, um die Versöhnung auf einem schwierigen Weg von Bewußtsein und Vergebung zu fördern. Und das machte dieses Ereignis epochal,
Die beiden Frauen, die das Kreuz trugen, waren bereits seit längerer Zeit befreundet und leben in Italien, einem Land, das keinen aktuellen Konflikt erlebt. Deshalb kann man erwarten, daß unter normalen Bedingungen diese ihre Freundschaft zwischen einer Russin und einer Ukrainerin trotz des Konfliktes eng sein kann.
Kann diese Art einer Freundschaft Modell für Wiederversöhnung sein? Oder besteht die Gefahr, daß das eine leere symbolische Geste ist? Die Situation wäre am Ende der Krieges eine andere, wenn die gemeinsame Gegenwart zweier frühere Feinde bedeuten würde, einen Dialog zu beginnen. Das Risiko besteht, daß es eine Geste als Selbstzweck bleibt, die als Botschaft ohne reale Wirkung funktioniert,
Das zweite, nicht gut bedachte Thema betrifft die Ukrainer. Die Ukrainer kämpfen in einem Krieg, sehen, wie ihre Frauen vergewaltigt und ihre Häuser zerstört werden. Sie können kein Gefühl von Vergebung und Versöhnung haben, während diese Dinge passieren.
Versöhnung ist ein Weg und kein Beispiel- wie tugendhaft auch immer- wäre je in der Lage einen möglichen Prozess zu einer Versöhnung zu beschleunigen. De facto besteht die Gefahr für das Gegenteil.
Kurz gesagt, Opfer und Täter zusammen zu bringen, mag in dieser Phase des Krieges keine gute Idee gewesen zu sein. Besonders weil der Täter immer noch handelt und das Opfer nicht weiß, wie lange er/sie noch das Opfer sein wird.
Die Ukrainisch-Griechisch Katholische Kirche, die Ukrainische Botschaft beim Hl. Stuhl und sogar der Nuntius in der Ukraine haben Bedenken geäußert. Das Problem ist, daß die Versöhnung mit denen, die auf deinem Territorium Krieg führen, komplex ist und nicht erzwungen werden kann. Eine Geste wird nicht dabei helfen, die erhitzten Gemüter zu beruhigen. Zuerst brauchen wir Unabhängigkeit, Freiheit und Gerechtigkeit.
Das dritte Übersehene ist, daß der Papst Hirte ist, aber daß er auch ein Staatsoberhaupt und Chef der päpstlichen Diplomatie ist. Deshalb hat jede Geste, die er macht globale Wirkung.
In diesem Fall dreht sich die Frage um die globale Wirkung der päpstlichen Geste. Als Benedikt XVI seine berühmte Regensburger Rede hielt- und wir befinden uns in einem gänzlich anderen Kontext- haben alle mit dem Finger auf die Tatsache gezeigt, daß der Papst nicht als Papst sondern als Professor gesprochen habe. Jetzt haben wir jedoch einen Papst, der als Hirte wirkt und nicht als Papst und das in einer besonders kritischen internationalen Situation.
Vor allem wurde in Regensburg über Glauben und Vernunft gesprochen, in einer Rede die ein klarer Schlag ins Gesicht Europas war, mehr als für den Islam- wie das vorher interpretiert worden war. Heute sehen wir uns einem Papst gegenüber, der angesichts eiues Krieges ein Szenario der Versöhnung vorschlägt, das die Opfer zu ignorieren scheint.
Daher hat die spirituelle Ausrichtung Hirte zu sein, den Papst dazu geführt, nicht auf Teile der Herde zu hören, den ukrainischen Teil. Außerdem hat der Papst als Hirte nicht die globale Wirkung bedacht, die diese Geste haben könnte.
Auf gewisse Weise ist das, was passiert ist, ein Spiegelbild des Pontifikats. Da sind die guten Absichten des Papstes. Und dann einige Entscheidungen, die nicht gut durchdacht erscheinen, die zeigen, daß Details nicht bedacht wurden, die aber dennoch massiv von denen verteidigt werden, die glauben, daß die Absicht des Hirten über allem anderen stehen muß. Aber der Papst ist nicht nur Hirte. Er ist der Papst. Und wenn er dann am Ende alle Vorrechte eines Papstkönigs für diese Regierungshandlungen -übernimmt und nutzt, sollte er auch daran denken, daß sein internationales Bild nicht nur das eines Hirten ist und sein kann. "
Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican
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