Samstag, 23. April 2022

Die Kirche in voller Krise

Sandro Magister kommentiert in Settimo Cielo  die Stimmung der Kardinäle im Hinblick auf die derzeitige Situation der Kirche und das kommende Konklave und veröffentlicht den Essay des Historikers Roberto Pertici über Perioden des Niedergangs und des Wiedererstehens der Kirche in den letzten 500 Jahren. 
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"DIE KIRCHE IST IN VOLLER KRISE, KANN ABER SELBST IN DER DUNKELSTEN STUNDE WIEDER ERSTEHEN. DIE LEHRE AUS DER GESCHICHTE"

Bei den Überlegungen über das kommende Konklave - ein Thema, das in den Überlegungen der Kardinäle zunehmend größeren Raum einnimmt, wie Settimo Cielo dokumentiert, stellt man die drängende Notwendigkeit fest, die fundamentalen Fragen über Gott und den Menschen wieder in den Mittelpunkt zu stellen, jene mit denen die Kirche steht oder fällt, nicht nur um den langsamen Verfall der gegenwärtigen Kirche zu verlangsamen, den alle sehen können, sondern um im Gegenteil um auf eine Wiedergeburt der christlichen Lebenskraft -auch in eine weitgehenden indifferenten oder feindlichen Welt zu vertrauen. 

Auch in anderen Zeiten in der Vergangenheit ist die Kirche durch Perioden des Niedergangs gegangen. Die derzeitige Entchristlichung ist eine von ihnen, Aber nichts sagt, daß das irreversibel oder unwiderstehlich sein muß- so wie es auch keiner der vergangenen Niedergänge  gewesen ist. 

Weil es in der Kirchengeschichte auch Zeiten der religiösen Erneuerung gegeben hat. Nicht immer von den kirchlichen Hierarchien gefördert und angeführt. Tatsächlich  wurden sie nicht selten selbständig von Männern der Kultur, christlichen Intellektuellen ins Leben gerufen, die fähig waren, sogar substantielle Massenbewegungen zu interpretieren und zu inspirieren. 

Die Betrachtung des Wechsels dieser Zeiten ist deshalb für jene, die über die Kirche von heute nachdenken lehrreicher denn je. Und das ist es, was Roberto Pertici, Professor für Gegenwartsgeschichte an der Universität von Bergamo, in diesem Essay tut, den er für Settimo Cielo geschrieben hat. 

Es gibt mindestens drei religiöse Erneuerungen, die Pertici in den letzten 500 Jahren feststellt. Die erste wurde durch das Konzil von Trient ermutigt, hat ihre Wurzeln aber im 14. Jahrhundert und nahm vor allem im Frankreich der 17. Jahrhunderts Gestalt an, dem Jahrhundert Pascals und von "Port-Royal"- das mit dem Beginn der Aufklärung zu Ende ging. 

Die zweite (Erneuerung) erblühte nach der Französischen Revolution und Napoleon, im Klima der Romantik und neuer Freiheiten. Sie war gleichzeitig kulturell und politisch, reichte von Chateaubriand bis zu Rosmini, vom "Genius des Christentum" bis zu den "Fünf Wunden der Hl. Kirche". Sie wurde  durch die antiliberale Erstarrung der Kirchenhierarchie und die Zustimmung zum wissenschaftlichen Positivismus ausgelöscht. 


Die dritte kam zwischen dem !9. und 20. Jahrhundert und wird als "Renouveau catholique" bezeichnet- von den großen Konvertiten- von Bernanos zu Eliot, von Chesterton, Papini mit seiner "Geschichte Christi". Sie gab in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit dem Verdämmern des konservativen Paradigmas auf, das Pertici bereits bei am 31. August 2020 in Settimo Cielo analysiert hat.

Und die vierte? Das II. Vaticanische Konzil hat versucht, sie anzustoßen, dieses mal durch den Drive der Kirchenhierarchien selbst. Aber ohne Erfolg, aus Gründen, die Pertici in einem weiteren Beitrag für Settimo Cielo vom 14. September 2020 untersucht hat. 

Die Kirche befindet sich auf der Schwelle zwischen einer unvollständigen religiösen Wiedergeburt und der unaufhaltsamen Entchristlichung, vor einer Zukunft, in der alles passieren könnte. 

Hier folgt der erste Teil von Perticis Essay. Der zweite Teil und die Schlußfolgerung folgt in wenigen Tagen. 

                             IST EINE "RELIGIÖSE WIEDERGEBURT" MÖGLICH? 

1. Vom Konzil von Trient bis zum frühen 19. Jahrhundert

von Roberto Pertici

1. Bei vielen Beobachtern der Situation, in der sich die katholische Kirche heute befindet, ob gläubig oder nicht, ist die Wahrnehmung weit verbreitet, daß sie eine Institution, ich will nicht sagen, in einer Endphase, aber sicherlich in einer sehr ernsten Krise ist: kurz gesagt, daß zumindest im Westen etwas zu Ende geht. "Vatican, la fin d’un monde“, so lautet der Titel seines neusten Buches des im März 2020 verstorbenen bekannten französischen Vatikanisten Henri Tincq, einer kritischen Stimme der kirchlichen Leitlinien der letzten Jahrzehnte. Daß „Die Kirche brennt“, ist aber auch die Meinung – und der Titel eines der Bücher – einer bedeutenden Persönlichkeit des katholischen Establishments wie Andrea Riccardi.

Dies ist eine Krise der "Leitung" auf allen Ebenen, die durch eine wachsende und beunruhigende Welle sexueller und finanzieller Skandale verschärft wird; durch die schnelle Zersetzung der Figur des Presbyters, die in dieser Institution entscheidend war; von der wachsenden Schwierigkeit in den Beziehungen zur Welt, der man keine überzeugenden Worte und Orientierungen mehr geben kann, wie auch in der jüngsten Pandemiephase zu sehen war; aus einem Mangel an Kultur und Leitlinien, der es mittlerweile unmöglich macht, denjenigen eine Antwort zu geben, die fragen: "Gibt es eine katholische Kultur? Und was ist das?“

Diese übergeordnete Krise wird von dem Prozess der Säkularisierung und der DE-Christianisierung begleitet, der die westliche Welt überrannt hat und der sich im letzten Jahrhundert beschleunigt hat, wodurch der Katholizismus auch in Kontexten vernachlässigbar gemacht wurde, in denen er immer ein Element der Identität von entscheidender Bedeutung war.

Fortsetzung folgt

Quelle: S. Magister, Settimo Cielo, R. Pertici 

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