A. Gagliarducci kommentiert in seiner heutigen Kolumne für Monday in the Vatican die Ukraine-Politik des amtierenden Papstes und untersucht die Frage, ob es sich dabei um eines Ostpolitik 2.0 handelt. Hier geht´s zum Original: klicken
"PAPST FRANZISKUS IST SEINE UKRAINE-POLITIK EINE OSTPOLITIK DES 21. JAHRHUNDERTS?"
Auf dem Rückflug von Malta betonte Papst Franziskus, daß die Diplomatie des Hl. Stuhls viel für die Ukraine tut und viele Dinge unsichtbar sind, weil "wir nicht alles sagen können." Und das ist wahr. Außer den enormen humanitären Anstrengungen, die die Kirche auf dem Gebiet immer unternimmt, gibt es ein fortwährendes diplomatisches Untergrunddenken, das die Entwicklung der Lage in der Ukraine mit Sorge betrachtet.
Es wäre jedoch falsch, zu denken daß die Aufmerksamkeit des Hl. Stuhls in dieser Angelegenheit neu ist. Über die Jahre sind sowohl Kardinal Pietro Parolin, der Staatssekretär des Vaticans als auch Kardinal Leonardo Sandri, Präfekt der Kongregation für die Kirchen des Orients in der Ukraine gewesen. Letzterer besuchte 2017 die Gebiete des Donbas-Konfliktes.
2016 startete Papst Franziskus die Initiative "Der Papst für die Ukraine" eine Sammlung, speziell dazu gedacht, der Ukrainischen Bevölkerung zu helfen, die durch eine Situation eines permanenten niedrig-schwelligen Krieges erschöpft war, der nach der Annexion der Krim und der Selbsternennung der Republiken Donbas und Luhansk entstanden war.
Kardinal Parolin hat daran erinnert, daß er schon 2017 während seiner Reise nach Rußland -der ersten eines vaticanischen Staatssekretärs seit Kardinal Agostino Casaroli- die Frage der Notwendigkeit einer Verhandlungslösung für die Ukraine angesprochen hatte.
2019 hat Kardinal Parolin nicht gezögert, die Situation in der Ukraine als "hybriden Krieg" zu nennen. Begriffe die wiederkehrten als man einem ähnlichen Problem in Belarus gegenüber stand, bei dem Migranten als Druckmittel benutzt wurden, um Druck auf die Nachbarländer Litauen und Poland auszuüben.
Man sollte nicht vergessen, daß der Hl. Stuhl sorgfältig auf ähnliche Situationen schaut. Z.B. hat Georgien 2008 die selbe Art Invasion in Süd-Ossetien erlebt. In der Folge sind Kardinal Parolin 2019 und Erzbischof Paul Richard Gallagher, der Vaticanische Minister für Beziehungen zu den Staaten 2018 auch an die Besatzungsgrenze gefahren, als sie das Land in den vergangenen Jahren besuchten.
Alles das zeigt, daß die Position des Hl. Stuhls immer klar war. Der Hl. Stuhl fördert den Dialog, dringt darauf, daß Verhandlungslösungen gefunden werden müssen und achtet vor allem vor geopolitischen Interessen. Dieses Vorgehen beruht auf der Sozial-Doktrin der Kirche.
Das Engagement für die große Utopie der vollständigen Abrüstung wurzelt auch in der Soziallehre der Kirche. Um diese große Utopie zu erreichen, gibt er verschiedene Zwischenschritte, wobei die erste die nukleare Abrüstung ist, die heute wieder modern ist. Gleichzeitig gibt es die Angst vor einer Eskalation, die Rußland dazu veranlassen könnte, die Atombombe einzusetzen.
Es kann und sollte nicht überraschen, daß der Hl. Stuhl die Angst vor dieser Art von Eskalation unterstreicht. Einerseits verteidigt Kardinal Pietro Parolin das Prinzip der legitimen Verteidigung einer angegriffenen Ukraine und es gibt bei dieser früheren Einstellung des Hl. Stuhls kein Iota, das geändert worden ist.
Andererseits stellt sich das Problem der militärischen Eskalation fast standardartig in einer solchen Situation. Jeder erwartet vom Heiligen Stuhl politisches Einverständnis, zum Beispiel Waffen an die Ukraine zu schicken, damit sie sich verteidigen kann. Aber dazu konnte es nie kommen, schon gar nicht in dem politisch angestrebten Sinne. Dies bedeutet nicht, dass der Heilige Stuhl Nein zu Waffenlieferungen in die Ukraine sagt, wie die Nuntiatur in Kiew betonte.
Der Grund ist klar: über moralische Bedenken hinaus kann und darf der Hl. Stuhl keine Stellung zu den Entscheidungen des Staates nehmen. Der Hl. Stuhl hat keine wirtschaftlichen, politischen oder andere Interessen, sorgt sich dafür aber um die Menschlichkeit. Wenn er in Entscheidungen der Staaten eintreten würde, würde er Teil eines Krieges werden und zwar eines Krieges- wie Msgr. Janusz Urbanczyk letzte Woche in einer Rede vor der OSCE feststellte- gibt es bereits ein Bruch der internationalen Ordnung, eine Situation, die bereits außerhalb jeglichen Kanonischen Rechts ist.
Andererseits hat der Hl. Stuhl die Aufgabe, außerhalb jedes Konfliktes zu bleiben und mehr als alles andere, Frieden zu vermitteln, wann immer das zugelassen wird oder er das tun kann. Es geht nicht darum, einen Schritt zurück zu machen. Es geht darum, sich vorsichtig vorwärts hu bewegen und zu versuchen, Eben zu retten.
Für Papst Franziskus ist diese Notwendigkeit ganz klar. Aber natürlich denkt er nicht wie ein Diplomat und erscheint in einigen Situationen manchmal unausgeglichen. Z.B. folgte dem Besuch der russischen Botschaft beim Hl. Stuhl zu Beginn des Krieges kein sofortiger Besuch der Ukrainischen Botschaft und schuf so ein Ungleichgewicht. Papst Franziskus sagte, daß er dieses Ungleichgewicht dadurch behoben habe. indem er dem Ukrainischen Präsidenten Zelensky am Telefon und dem Großerzbischof der Ukrainisch-Griechisch-Katholischen Kirche Svjatoslav Shevchuk zugehörte habe. Trotzdem bleibt meiner Meinung nach eine kleine diplomatische Wunde.
Jetzt hat der zunehmend isolierte Patriarch Kyrill von Moskau nach der Videokonferenz der beiden den Kontakt zum Papst gesucht. Vor dem Krieg war an ei neues persönliches Treffen gedacht worden und in diesem Augenblick möchte Kyrill ein Treffen mehr als der Papst. Papst Franziskus sagte, daß dieses Treffen im Mittleren Osten stattfinden könnte. Viele weisen auf Jerusalem als bevorzugten Ort hin, vielleicht als Endpunkt nach der Reise in den Libanon, der im kommenden Juni stattfinden soll.
Aber wäre ein Treffen mit Kyrill diplomatisch angemessen? Würde das nicht wieder so aussehen, daß der Papst gegenüber dem russischen Standpunkt nicht neutral ist? Es gibt tatsächlich Erklärungen und Aktivitäten, die von einer seit langem bestehenden Ausgewogenheit sprechen, aber es ist auch wahr, daß Gesten etwas bedeuten.
Hier erscheint dann der Gedanke, daß ein Blitzbesuch in Kiew nicht etwas Weitentferntes zu sein, Der Papst sagte der "sei auf dem Tisch", aber seine diplomatischen Mitarbeiter denken, daß dieser Gedanke verwirklicht werden sollte. Wenn auch nur um ein Treffen mit Kyrill auszugleichen, über das Kardinal Kurt Koch bei einem Treffen mit den Botschaftern der Europäischen Union beim Hl. Stuhl auch feststellte, daß man bei einem solchen Treffen sehr vorsichtig sein müsse.
Ist das also eine Art Ostpolitik 2.0 des Hl. Stuhls? Schwer zu sagen. Wir leben nicht länger in Sowjet-Zeiten und das Gleichgewicht, das bewahrt werden muß, ist ein anderes. Tatsächlich kann man niemals erwarten, daß der Hl. Stuhl eine dezidierte politische Position einnimmt. Der Hl. Stuhl sit der Hl. Stuhl. Er mischt sich nicht in die Entscheidungen der Staaten ein, Stattdessen hat er das Ziel für die Menschheit zu sorgen."
Quelle: A. Gagiarducci, Monday in the Vatican
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