Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo einen Text zum Zustand der Katholischen Kirche am Beispiel der italienischen Kirche und veröffentlicht die Gedanken von Sergio Belardelli zu diesem Thema. Hier geht´s zum Original: klicken
"NACH DER WAHL IN ITALIEN MUSS AUCH DIE KIRCHE EIN PROGRAMM WÄHLEN: WIEDER MIT GOTT BEGINNEN."
In dem Italien, das der Hinterhof des Papsttums ist, war Sonntag der 25. September Wahltag. Eine Wahl zu der die Kirchenhierarchie Distanz bewahrte, sogar als sie -wie im Appell der Bischöfe an die Wähler vom 21. September etwas zu sagen hatten, wurde das komplett ignoriert.
Die politische Bedeutungslosigkeit der Kirche im heutigen Italien ist jetzt wirklich unzweifelhaft, in starkem Kontrast zur Zentralität, die die "Katholische Frage" in der Vergangenheit dieses Landes hatte. Da sind jene. doe sich fragen, ob diese Bedeutungslosigkeit definitiv oder reversibel ist, und wenn, dann wie. Zwei die darüber geschrieben - mit unterschiedlichen Meinungen darüber geschrieben haben sind der Katholik Andrea Riccardi, Gründer der Gemeinschaft von Sant´ Egidio und der säkulare Ernesto Galli della Loggia, Professor für zeitgenössische Geschichte. Das wird Thema in der nächsten Ausgabe des Magazins "Il Regno" - der bedeutendsten und intelligentesten Stimme des progressiven italienischen Katholizismus,- von Gianfrancesco Brunelli- für den die einzige Antwort nur eine "radikale anthropologische Veränderung stattfinden muß - der Neubeginn mit einer ersten Evangelisierung oder Kennenlernen des Glaubens, "mit anderen Worten wieder von Gott an beginnen."
Es ist keine Überraschung, daß keiner dieser Ingtellektuellen, aber auch kein anderer, der an der bisher an der Diskussion teilgenommen hat, das Pontifikat von Franziskus als einen Wegweiser für den Pfad, der eingeschlagen werden muß. akzeptiert. Weil "wieder von Gott ausgehen" das Leitprinzip des seines Vorgängers, Benedikt XVI war- genau so wie für Italien das von Kardinal Camillo Ruini konzipierte "kulturelle Projekt", deren Höhepunkt zwei große Konferenzen waren, die erste mit dem Titel "Gott heute. Mit ihm oder ohne ihn, alles änder sich" und die zweite "Jesus unser Zeitgenosse".
Frontmann und Zentrum mit einer aktiven Rolle in diesem "kulturellen Projekt" war Sergio Belardinelli, Professor für die Soziologie kultureller Prozesse an der Universität von Bologna, dessen Beitrag zur Diskussion unten angeboten wird.
Auch nach ihm ist die einzige Sache, die für die Kirche wie für die Welt zählt, daß das, was sie dringend in diesen Zeiten epochaler Veränderungen für die Menschheit braucht, ´"Gott ist, das Kreuz Jesu Christi und sein Evangelium der Erlösung" nicht dieses Übermaß an Kämpfen gegen Armut oder der Verteidigung der Natur.
Er ist an der Reihe.
ALLES AUF DAS EINZIGE SETZEN, DAS ZÄHLT
von Sergio Belardinelli
Immer wieder bringt jemand die sogenannte "Katholische Frage" wieder in unsere öffentliche Debatte. Andrea Riccardi hat das am 18.August im Corriere della Sera getan ("Die Katholische Frage, eine Zentralität, die neu entdeckt werden muß"), Ernesto Della Loggia folgte ihm in der selben Zeitung am 29. August (Das Verschwinden des Katholischen in der Politik) iund noh andere in anderen Verffentlichungen, die ich nicht erinnere.
Im Zentrum der Frage- unnötig das zu sagen. ist die politische Bedeutungslosigkeit der Kirche und der Katholiken, die entweder nicht länger fähig sind, sich in einer sozialen Gegenwart zu präsentieren, die immer noch lebendig und real ist, besonders wo die Frage besteht, den Benachteiligten zu Hilfe zu kommen (mehr oder weniger die Riccardis These) oder jetzt ihre Identität auf eine "äußerst individuelle Tastache" reduziert haben, als ob man sie mit den Worten Galli della Loggias an den Abgrund der öffentlichen Bedeutungslosigkeit getrieben hätte.
Ich glaube, daß beide Thesen ein gutes Stück Wahrheit enthalten. Aber ich glaube auch, dap Gianfranco Brunelli Recht hat, wenn er in einem kommenden Leitartikel in Il Regno die Notwendigkeit betont, aus dem politischen Rahmen von Relevanz und Irrelevanz heraushzukommen und fokussiert sich stattdessen auf das, was er die "dritte Katholische Frage nennt, die durch die totale Säkularisierung der Gesellschaft gestellt wird" (die erste -im 19. Jahrhundert- lautete "freCristianaie Kirche in einem freien Statt" von Cavour und die zweite die der Periode nach dem II. Weltkrieg bis zum Verschwinden der Democrazia Cristiana) , die forderte, daß wir "über den politischen Katholizismus hinausgehen sollten"
Die Dinge zu vereinfachen, ist eine große Sache, das ist, so denke ich, genau das. Die "totale Säkularisierung der Gesellschaft" hat den Kontext in dem die Kirche und die Katholiken zum Handeln berufen sind, hat sich radikal verändert. Wenn es gestern der Unglaube war, der sich in einer Landschaft von Glauben selbstrechtfertigen mußte, hat sich die Beziehung heute umgekehrt und der Glaube wird einfach als eine Option in einem sehr bunten Universum des Unglaubens.
Man könnte auch sagen, daß die Individualisierung des Katholizismus, die Religion allein in den Bereich des individuellen Gewissens zu stellen, am Ende immer mehr Bewusstsein von den Gläubigen verlangt. Und dies, wenn es einerseits immer schwieriger wird, als Gemeinschaft, sagen wir sogar "als Kirche“, zu reagieren, könnte andererseits dem auch zugutekommen, gerade weil es bewusster wird.
Aber auch die Kirche als Volk Gottes und sein lebendiger Leib muss sich ihrerseits vor allem für diese sich herausbildende neue Konstellation rüsten. Wie ich seit langem sage, ist das wichtigste Merkmal der säkularen Moderne, das wir keineswegs leugnen können, nicht, daß sie Materialismus, Atheismus oder Nihilismus gefördert hat, sondern daß sie einen Raum dafür eröffnet hat. Die Menschen können sich zwischen all diesen Optionen bewegen, einschließlich der religiösen Optionen, für die zu kämpfen, gerecht und legitim ist, ohne von irgendjemandem gezwungen zu werden, sich für eine von ihnen einzusetzen.
Genau genommen ist dies die positive Seite des modernen Individualismus, die gerade durch ihre individualistische, materialistische oder nihilistische Radikalisierung gefährdet werden könnte. Aber leider erkennen wir nicht immer die Bedeutung dieses Vermächtnisses und den Vorteil, den es einer Kirche bringen könnte, die, anstatt (manchmal übereilte) sozioökonomische Untersuchungen zu den Ursachen von Armut und Ungerechtigkeit einzuleiten, sich dafür entscheiden würde, alles auf das eine zu setzen was wirklich zählt und was die Welt heute wie immer dringend braucht: Gott, das Kreuz Jesu Christi und sein Heilsevangelium.
Der Rest, einschließlich der grundlegenden Bedeutung der Pflichten, die wir gegenüber anderen und der uns umgebenden Natur haben, wird als Überschuss hinzugefügt. Umso mehr, wenn wir an die epochalen Veränderungen denken, die sich in unserer säkularisierten Welt abzeichnen: das Digitale, das Metaversum, Big Data, Gentechnologien. Hier ist es der Mensch, der sich verändert, der "über“ sich selbst hinaus (und gegen sich) geht. Weit weg von der Politik oder dem Mangel an politischer Substanz seitens der Katholiken. Gerade durch diese Veränderungen wird die Politik in kurzer Zeit nicht mehr das sein, was wir kennen.
Ich schätze also nicht nur Brunellis Aufruf, "über den politischen Katholizismus hinauszugehen“, sondern ich glaube, daß wir bereits "jenseits“ sind. Das zeigt sich zum Beispiel an der absoluten Substanzlosigkeit der Ideen (nicht nur der Katholiken!) im gerade zu Ende gegangenen Wahlkampf in Italien, der immer plumperen und zweckdienlicheren politischen Instrumentalisierung mancher katholischer Prinzipien, der entmutigenden Vagheit der Wahlaufruf der italienischen Bischöfe.
Ein Zeichen dafür, dem Trend entgegenzuwirken, scheint das Bewusstsein für die Schwierigkeiten zu sein ("wir haben noch nicht verstanden, was der digitale Mensch wirklich ist“), politische Besonnenheit und "Leidenschaft für den Menschen“, das Kardinal Matteo Zuppi – Erzbischof von Bologna und Präsident der italienischen Bischofskonferenz – in der Rede vom 21. August auf dem Treffen von Rimini, das von Communion and Liberation organisiert wurde, gezeigt hat. Hoffen wir, daß es Früchte trägt. Wir haben derzeit einen Bedarf dafür, der weit über den politischen Bereich hinausgeht.
Natürlich habe ich nichts gegen eine potentielle katholische Partei. Wer glaubt, daß auch in dieser Zeit eine von katholischen Grundsätzen inspirierte Partei möglich ist, braucht sich nur an die Arbeit zu machen, ohne sich allzu sehr um das Misstrauen von Leuten wie mir zu kümmern, die es für unrealistisch halten, oder um die Meinung dieses oder jenes Bischofs. Ich bin jedoch nach wie vor davon überzeugt, daß in dem Kontext, in dem wir uns befinden, viel zu tun ist, insbesondere auf kultureller Ebene und, wenn ich so sagen darf, auf kirchlicher Ebene. Vielleicht sind die radikale Säkularisierung und der geringe Einfluss der Katholiken in der Politik von geringer Bedeutung im Vergleich zu der Gefahr, daß die Struktur der westlichen Kultur explodieren könnte. Und ich habe nichts über den Krieg in der Ukraine gesagt.
Quelle: S. Magister, Settimo Cielo
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