Fortsetzung von hier und hier
2005, Ratzingers Versuch das Konzil einzuordnen
Kurz nach seiner Wahl unterschied Benedikt XVI. in seiner bekannten Ansprache an die Kurie am 22 Dezember 2005 zwischen zwei Interpretationen des Konzils- Reform oder Erneuerung, " der Hermeneutik der Reform oder Erneuerung in Kontinuität", die beabsichtigte- so sagte er- "einen Bruch zwischen der vorkonziliaren und der nachkonziliaren Kirche" zu verhindern. Kurz gesagt, der Papst definierte, was in einer liberalen Demokratie, für deren Denkweisen die Kirche zunehmend durchlässiger wird, eine „Mitte-rechts“ -Position genannt werden würde, die er legitimierte, und eine "Mitte-links“-Position, die er ablehnte.
Von einem Beitritt zur traditionalistischen Front, die das Konzil und/oder seine Liturgie in unterschiedlichem Maße ablehnte, war keineswegs die Rede. Doch aufgrund seines Interesses an der vorkonziliaren Liturgie hätte Benedikt XVI. über die Hermeneutik der „Erneuerung in Kontinuität“ hinausgehen können. Seine eigene Version des "Restaurationismus" hätte der Beginn eines Übergangsprozesses werden können, wie er mit Johannes XXIII. stattfand, aber in die entgegengesetzte Richtung.
Der Prozess blieb aber bekanntlich auch im Hinblick auf die „Erneuerung in Kontinuität“ mitten auf dem Weg: Er führte nicht nur nicht zu einer Ablehnung des Konzils, sondern der Weg des Restaurationismus, der Eindämmung (das war es) des Konzils, wurde als Fehlschlag empfunden, als Versuch ohne entscheidendes Ergebnis. Die Kirche im Westen verschwand weiter aus dem gesellschaftlichen Raum; das kirchliche Personal, Priester, Ordensleute, Seminaristen, nahm weiter ab; das römische Zentrum erweckte den Eindruck, als hätte es keinen Steuermann mehr. Nachdem Benedikt XVI. zum Ziel ständiger Angriffe von Befürwortern der "Hermeneutik der Diskontinuität“ geworden war, isolierte er sich in seiner privaten theologischen Praxis und nahm moralisch den Rücktritt vorweg, den er schließlich 2013 beschloss.
2013, der Versuch Bergoglios das Konzil zu maximieren
Wie selbstverständlich (tatsächlich nach einer intensiven Wahlvorbereitung) versuchte das Konklave von 2013 die andere Option, die Mitte-Links-Option, die entgegengesetzte „Hermeneutik“ des Zweiten Vatikanischen Konzils, für die sich Jorge Bergoglio eingesetzt hatte. Der neue Papst, der 2022 in einer Rede vor den Jesuitenrezensionen sagte, er kämpfe gegen einen "Restaurationismus“, der das Konzil "knebeln“ wolle, und gegen einen "Traditionalismus“, der es abräumen wolle und sich deshalb auf den Weg gemacht habe, "die Mauern einzureißen", so der Ausdruck, den er mag:
• den von Humanæ vitæ und der Reihe von Texten, die in ihrem Gefolge die eheliche Moral vor der Liberalisierung bewahrt hatten, die das Zweite Vatikanische Konzil für die Ekklesiologie mit sich gebracht hatte. Amoris Laetitia erklärte 2016, daß Menschen, die öffemtlich im Ehebruch leben, darin bleiben können, ohne eine schwere Sünde zu begehen (AL 301).
• den von Summorum Pontificum, das der alten Liturgie mit ihrer Katechese und ihrem geistlichen Personal das Recht zuerkannte, als "Konservatorium" der Kirche zu dienen. Traditionis Custodes von 2021 und Desiderio desideravi von 2022 widerlegen diese versuchte "Rückkehr" und erklären, daß die neuen liturgischen Bücher der einzige Ausdruck der lex orandi des Römischen Ritus (TC, Art.1)
Aber die Bergoglio-Option scheitert, wie zuvor die Ratzinger-Option gescheitert war: Die kirchliche Institution zerfällt weiter und die Mission stirbt aus. Und hatte sich unter Benedikt XVI. die Ernüchterung über den Mangel an Regierungsführung herauskristallisiert, so ist es nun der Überschuss an verworrener und diktatorischer Regierung – trotz der Parole der Synodalität und trotz des Praedicate Evangelium –, daß unter Franziskus zunehmend Kritiker auftauchen. Genauso wie Benedikt XVI. nie das Risiko eingegangen ist, unter das Konzil zu fallen, hat Franziskus darauf geachtet, nicht darüber hinauszugehen, um das Risiko einzugehen, eine institutionelle Struktur zu sprengen. Zum Beispiel hat er trotz all seiner Erklärungen gegen den Klerikalismus nie wirklich das priesterliche Zölibat in Frage gestellt oder das Priestertum für Frauen geöffnet.
Somit hat weder der Versuch, das Konzil aufzuweichen, noch der Versuch, es zu maximieren, die Blutung gestoppt, die weiterhin andauert. Sie nimmt sogar zu, insofern dieser Pol der Bewahrung (ratzingerianisch und traditionalistisch, um es grob zusammenzufassen) stärker geworden ist. Dies gilt zunächst einmal, weil dieser Pol im Laufe der Zeit tatsächlich wächst, zumindest durch die Ankunft neuer Generationen, die von den Familien begrüßt werden, während der progressive Pol wenig Transmissionen dieser Art kennt. Und auch, weil es etwas homogener geworden ist, hat sich das Bündnis zwischen den Ratzingerianern, Anhängern einer "Hermeneutik der Reform in Kontinuität“ und der "Verweigerungsfront“, dem Traditionalismus, verfestigt. Letzterer ist präsenter denn je, wie die wiederholten Schläge zeigen, die ihm versetzt werden, als wäre er der Feind schlechthin.
Für eine wahre Reform
Das Sprichwort Ecclesia semper reformanda, „die Kirche muss sich immer reformieren“, geht auf den Beginn des 15.Jahrhunderts, die Zeit des großen Schismas zurück, als die Notwendigkeit der Reform an Haupt und Gliedern, der Papsttums und in der ganzen kirchlichen Körperschaft, für alle sichtbar wurde. Aber erst mehr als ein Jahrhundert später verwirklichte sich dieser große Wunsch der katholischen Welt über die Reformation in Form des Aufstandes des Protestantismus hinaus- mit dem Konzil von Trient.
Tatsächlich stammt das Thema der Reform einer Kirche, die an sich heilig ist, aber aus Sündern besteht, aus dem elften Jahrhundert, aus dem, was Historiker die gregorianische Reform nennen – heute spricht man lieber vom "gregorianischen Moment“. Sein Ferment war das religiöse Leben, besonders das des cluniazensischen Mönchtums. Es liegt in der objektiven Ordnung der Dinge, daß die evangelische Vollkommenheit des Ordenslebens das Modell für die notwendige Erneuerung der Kirche sein wird. Begleitet und angeregt werden diese von Ordensreformen (neben vielen anderen können wir die des Karmel im 16 sündige Welt, um sich zu bekehren und sie zu bekehren (Joh 17, 16, 18)
Aber seit dem Christentum der Aufklärung begann man in den germanischen Ländern, in Frankreich und Italien, den Begriff "Reform" auch für ein ganz anderes Projekt zu verwenden: das der Anpassung kirchlicher Institutionen an die umgebende Welt, die war Beginn der Flucht aus dem Christentum.
Von da an sollten sich oft zwei Arten von Reformen widersprechen: die traditionelle Reform, die die Identität der Kirche wiederbelebt, und die Art von Reform, die versucht, die Kirche an die neue Gesellschaft anzupassen, in der sie lebt. Es ist im Wesentlichen der traditionelle Reformgedanke, der sich in Bewegungen wie der Wiedergeburt religiöser Orden, insbesondere der Benediktiner, im 19. Jahrhundert nach den revolutionären Wirren, der thomistischen Restauration ab Leo XIII., den liturgischen und disziplinären Reformen des Hl.Pius X fand, zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Versuche einer lehrmäßigen und liturgischen Eindämmung des großen Aufschwungs der 1950er Jahre durch Pius XII. Im Gegenteil, der adaptive Reformgedanke mit seinem programmatischen Buch Vraie et fausse réforme dans l'Église [Wahre und falsche Reform in der Kirche] von Yves Congar (Cerf, 1950) ist in der "neuen Theologie" der Nachkriegsjahre zu lesen, in der ökumenischen Bewegung und in gewissem Maße (zumindest später) in der liturgischen Bewegung; die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil triumphierte.
Die ekklesiologische Umkehr
Eine Reform gregorianischen Typus, mit einer wiederentdeckten Liturgie, einer strengen Disziplin, einer anspruchsvollen Ausbildung der Priesteramtskandidaten, einer heiligen und starken Statur der Pfarrer, einer Re-Evangelisierung durch eine Re-Katechisierung, geht Hand in Hand mit einer ekklesiologischen Umkehrung.
Aber ist es nicht reine Fantasie, sich eine Rückkehr zu einer Kirche vom Typ des „gregorianischen Moments“ zu wünschen, wenn der Zustand unserer Mutter ein halbes Jahrhundert nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (und zu einem großen Teil aufgrund dieses Konzils) in einem Zustand von maximaler Vernachlässigung ist, ohne jegliche Fähigkeit, die "triumphalen" Ansprüche geltend zu machen, die dem Papsttum des elften Jahrhunderts zugeschrieben werden.
Sicherlich nicht, wenn man bedenkt, daß Gottes Stärke zuerst in der Schwäche entfaltet wird. Die Schwäche hier ist extrem – die eines Katholizismus, der für die umgebende Kultur immer anomaler wird. Und sehr schwach ist auch, was in ihr trotz allem immer weiter gedeiht und was man sich nur schwer als Schmelztiegel einer geistlichen, katechetischen, missionarischen, berufsbezogenen Erneuerung vorstellen kann, was aber dennoch daran teilhaben kann. Der sogenannte "neue Katholizismus" in seiner jetzigen Form, bestehend aus Priestern, die wie Priester aussehen und handeln, jungen Gläubigen, ernsthaft praktizierenden Familien, neuen Gemeinschaften, Traditionalismen aller Befindlichkeiten,: die im Westen alles repräsentieren, was in ein paar Jahren lebendig bleiben wird. Ihre zahlenmäßige Bedeutung ist sehr gering, und sie hat außerdem die größten Schwierigkeiten, dem Gewicht der Moderne, der Prägung durch einen verheerenden Individualismus und der "bürgerlichen“ Versuchung, die auf sie ausgeübt wird, zu widerstehen.
Welche art Reform morgen? "Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor 12,10). Und um auf Rom und seine Kurie zurückzukommen, ist es notwendig oder überhaupt möglich, daß der Nachfolger Petrus weiterhin als eine Art universeller Führer auftritt? In einer großen "Gebrechlichkeit“, um es mit Paulus zu sagen, könnte das erscheinen, was das Wesen des römischen und universalen Episkopats ausmacht – nämlich die Tatsache, den Glauben im Namen Christi ohne die Möglichkeit des Abweichens auszusprechen, das reine Gold, das am Boden des Siebs der Krise zurückbleibt. "
Quelle: Abbé C. Barthe, Rorate Caeli
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