Sandro Magister veröffentlicht anläßlich des 60. Jahrestages der Eröffnung des II. Vaticanischen Konzils eine Untersuchung der Vorgänge bei der Wahl der Kommissionen, die Guido Ferro Canale anhand der jetzt zugänglichen Acta Synodalia vorgenommen hat.
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"KONZILS-RÄTSEL, SECHZIG JAHRE SPÄTER. WER WIRKLICH DIE WAHL AN JENEM 16. OKTOBER GEWONNEN HAT."
Vor 60 Jahren am 11. Oktober 1962 begann in Rom das II.Vaticanische Ökumenische Konzil. Und sofort begann die Schlacht über das erste Thema auf der Agenda,die Wahl der für die Entwürfe der verschiedenen Dokumente verantwortlichen Kommissionen auf der Basis der Richtlinien der Konzilsväter- zwei Tage später.
Die bisher veröffentlichten historischen Rekonstruktionen -auch wenn sie in ihren Zielen unterschiedlich sind- stimmen in ihrer Ansicht über diese erste Schlacht überein: die Absicht der Vaticanischen Kurie und der Konservativen, die Wiederwahl der Vorbereitungskommissionen zu begünstigen, die sie bereits ausgiebig geprüft und auf die Probe gestellt hatten, während es den Innovatoren darum ging, Männer aus ihren Reihen in die Kommissionen zu wählen.
Tatsächlich hielten die Wähler in der ersten Generalversammlung am 13. Oktober neben der vollständigen, einander größtenteils unbekannten Liste der Konzilsväter nur die Listen der Vorbereitungskommissionen in ihren Händen. Aber genau aus diesem Grund hat der französische Kardinal Achille Liénart, ein Mitglied des Präsidiums, beantragt und erreicht, daß die Abstimmung verschoben wurde, um den nationalen Episkopaten Zeit zu geben, andere Kandidatenlisten vorzubereiten. Und so geschah es am 16. Oktober bei der Wahl von Kommissionen, die sich teilweise aus Mitgliedern der bisherigen Vorbereitungskommissionen und teilweise aus neuen Namen zusammensetzten.
In historischen Rekonstruktionen wie der in fünf Bänden, die zwischen 1995 und 2001 unter der Herausgeberschaft von Giuseppe Alberigo veröffentlichten, wird das von Andrea Riccardi verfaßte Kapitel, das dem Beginn des Konzils gewidmet ist, dieses Kapitel mit dem Titel "Der tumultartige Beginn der Arbeiten“,als erstes Zeichen der Offenheit für Neues sehr positiv bewertet.
Während im Gegenteil die historischen Rekonstruktionen der konservativen Seite- besonders bemerkenswert die von Roberto de Mattei von 2010- Liénarts Schritt als "Bruch mit der Legalität des Konzils" zugunsten der Erneuerer brandmarken.
Aber was ist wirklich passiert? Wenn die Acta Synodalia- die 63 große Bände der offiziellen Dokumente als Primärquelle für die Konzilsereignisse genommen werden- unterscheidet sich die Rekonstruktion erheblich von denen, die bisher veröffentlicht wurden. Und das ist, was Guido Ferro Canale in dem ausführlichen Essay mit einer eindrucksvollen Materialsammlung getan hat, der heute zum erstenmal bei Settimo Cielo veröffentlicht wird.
> Zur Geschichte des II. Vaticanischen Konzils - Die Wahl der Mitglieder der Konzils-Kommissionen
Nach einer kurzen, methodologischen Einführung wird dem breiter Raum eingeräumt. was in den Monaten vor der Eröffnung des Konzils auf der Basis des offiziellen Vorgehens passierte, mit der Schlußfolgerung, daß gerade seitens der wichtigen Persönlichkeiten des konservativen Blocks, wie Kardinal Alfredo Ottaviani und Erzbischof Pericle Felici es keineswegs das Ziel war, die Vorbereitungskommissionen zu bestätigen , sondern im Gegenteil die Idee sogar war, die nationalen Episkopate in Bewegung mit ihren Kandidatenlisten in Bewegung zu setzen, noch gab es irgendeine Absicht, die Reihen wegen des zuvor von der Kurie vorbereiteten Dokumentes zu schließen, von denen bei der Eröffnung der Versammlung nur 7 von 69 an die Konzilsväter verteilt wurden.
Was die wirkliche Zusammensetzung der wichtigsten Kommission- der für die Doktrin- unter den am 16. Oktober gewählten angeht, weist Ferro Canale darauf hin, -wieder mit Rückgriff auf die Acta Synodalia- daß es weder für den Lobpreis der fortschrittlichen historischen Rekonstruktionen noch für die Wehklagen der konservativen Rekonstruktionen eine Grundlage gab, denn in Wirklichkeit "verfügte die konservative Front mit siebzehn sicheren Namen von fünfundzwanzig in der Doktrin-Kommission über eine solide absolute Mehrheit, tatsächlich war es fast eine Zweidrittel-Mehreheit“.
Gar nicht zu reden von der Liste mit 9 Kandidaten, vor der Wahl herumgereicht von der "sog. Europäischen Allianz", die als Brückenkopf der Progressiven betrachtet wurde, die alle gewählt wurden -aber zu denen ein sicher nicht-progressiver Kardinal wie Franjo Seper und drei andere Kardinäle gehörten, die auch auf einer anderen, vom ultrakonservativen Kardinal Ottaviani zusammengestellten Liste zu finden waren.
Am Ende seines Essays weist Ferro Canale, ein geschätzter Spezialist für kanonisches Recht, auch vom legalen Standpunkt aus, die von der konservativen Front vorgebrachten Einsprüche gegen Kardinal Liénarts Manöver und die folgende Planänderung zurück.
In der Schlußfolgerung schreibt Ferro Canale, daß seine Studie "die Wichtigkeit der offiziellen Quellen bestätigt, um zu entscheiden, wer was beschloss oder die allgemeinde historiographische Ansicht, die entstand, bevor solche Quellen zugänglich waren. "
Er hofft, daß "das Vorgehen der Konzils-Kommissionen auch veröffentlicht wird" nicht zuletzt, um zu verifizieren, wie sehr sie wirklich daran arbeiteten "einen breiten Konsens zu schaffe, um am Ende die Zustimmung zu den Dokumenten zu ermöglichen" anstatt sich zwischen Progressiven und Konservativen aufzuspalten.
Er rät dazu, "nicht das Bürgerkriegsklima, das später entstand, auf 1962 zurück zu projizieren, von dem es damals noch keine Spur gab- zumindest nicht offen."
Und schließlich hofft er, daß die Paradigmata, die bis jetzt die historischen Rekonstruktionen des II. Vatzicanums beherrschten, in Frage gestellt werden- mit einer Wiederaufnahme der Forschung an "einer Tatsache zur Zeit, einer Dokumenten-Passage zur Zeit."
Genau so wie er es in diesem Essay - mit der ersten Akte dieses Konzils zwischen dem 13. und 16. Oktober vor 60 Jahren- getan hat.
Zu den gängigen Interpretationsparadigmata kann hinzugefügt werden, daß es auch das des Zweiten Vatikanischen Konzils als "verfassungsgebendes“ Konzil gibt, das in den fünf Bänden von Herders "Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil“, herausgegeben von Peter Hünermann und Bernd J. Hilberath, dargelegt wird.
Aber gegen dieses Paradigma –vom Zweiten Vatikanischen Konzil "als eine Art konstituierende Versammlung, die eine alte Verfassung aufhebt und eine neue schafft“ – hat Benedikt XVI. bereits in seiner denkwürdigen Rede vom 22. Dezember 2005 zur richtigen Interpretation des Konzils eine radikale Kritik formuliert."
Quelle: S.Magister, G.F. Canale, Settimo Cielo
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