Montag, 28. November 2022

Papst Franziskus´ Reformen: eine Rückkehr vor das Konklave von 2005 und eine "Wieder-Verweltlichung" der Kirche?

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert und analysiert A. Gagliarducci anläßlich der angekündigten Kommissionierung von Caritas Internationalis kritisch den Stand der vielbesungenen Reformen von Papst Franziskus.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS, REVOLUTION ODER RESTAURATION?" 

Papst Franziskus´Entscheidung, Caritas International zu kommissionieren, stellt für das Pontifikat erneutes Abtauchen in die Vergangenheit. Der Gedanke die Statuten von Caritas nach 10 Jahren und die präzise Ausrichtung, die Benedikt XVI ihnen gegeben hat riskiert, den Eindruck zu erwecken, daß es kein genuines Interesser daran gibt, die Kirche zu reformieren. Stattdessen scheint es den Wunsch zu geben, die Zeiger der Uhr auf die Zeit vor Benedikt XVI zurückzudrehen.

Um diese Äußerung zu verstehen, müssen wir ins Jahr 2012 und die von Benedikt XVI gewünschte Reform der Statuten von Caritas Internationalis zurückgehen. Die Reform kam mitten in einer intensiven Debatte, die in der Institution entstanden war, als beschlossen wurde Lesley-Ann Knight als Generalsekretärin der Vereinigung nicht wiederzuwählen.

Knights Arbeit war vom damaligen Präsidenten Kardinal Oscar Andrés Rodrigues Maradiaga gepriesen worden. Aber es gab diverse Probleme. 

Z.B. schloss sich während ihrer Amtszeit die kanadische Organisation für Entwicklung und Friede (CCODP) der Vereinigung Caritas Internationalis an. Viele Pro-Life-Organisationen wiesen darauf hin, daß diese CCODP die Legalisierung von Abtreibung unterstützte, Empfängnisverhütungsmittel verteilte und die Gender-Politik unterstützte. Knight dagegen verteidigte die CCODP in einem Brief an Spender. 

Diese Umstände veranlaßten Benedikt XVI dazu, die Statuten von Caritas Internationalis zu reformieren, die Vereinigung unter den Schirm des damaligen Päpstlichen Rates Cor Unum zu stellen. Die neuen Statuten legten auch eine Reihe von Prinzipien fest, daß dem Risiko vorbeugten, in der Vereinigung Organisationen aufzunehmen, die nicht mit der Katholischen Lehre übereinstimmten. 

Es war das von Benedikts XVI Enzyklika in "Caritas in veritate" beschriebene Prinzip. Prinzipien, die die scheidende Generalsekretärin in einem Interview kritisierte, in dem sie betonte, daß ein zu katholisches Prinzip die Spender fernhalten würde. Knight wurde später Vorsitzende der humanitären Organisation The Elders, zu deren Präsidenten Kofi Annan zählte, der die kontroversen globalistischen Prinzipien weiterführte.


10 Jahre später jedoch werden die Caritas-Statuten in Frage gestellt und in einem übertrieben erscheinenden Schritt wird ein Kommissar ernannt, wenn man bedenkt, daß dieselben Pressemitteilungen nur von Managementproblemen und nicht von Finanzproblemen oder sexuellen Skandalen sprechen. Als Caritas-Kommissar wurde ein Manager ausgewählt, Pier Francesco Pinelli, der bereits berufen worden war, die Zusammenlegung der Päpstlichen Räte für Gerechtigkeit und Frieden, Migranten und Cor Unum zu konzipieren, und der sich dann dem Inspektorenteam der daraus resultierenden Abteilung anschloss.

Das ist eine Entscheidung, die auf einen anderen Ansatz hinweist, der weniger prinzipiengebunden ist und sich mehr an den Grundsätzen der Unternehmensführung orientier

Eine solche Behauptung erscheint vielleicht übertrieben. Es sind jedoch mehrere Elemente zu berücksichtigen.

Erstens wurde Benedikt XVI. Papst nach einer langen Endzeit des Pontifikats von Johannes Paul II., der nicht mehr alle Entscheidungen treffen konnte und um den es Macht- und Interessennetz lag, das nicht leicht zu entwirren waren.
Benedikt XVI. wurde genau deshalb gewählt, weil er einer der wenigen mit einem unanfechtbaren Ruf und der Fähigkeit war, ein so großes Vermächtnis auf seinen Schultern zu tragen. Benedikt XVI. begann mit der Arbeit, die Dinge neu zu definieren, sie zu reinigen, sie zu entweltlichen, gemäß einem Begriff, der ihm sehr am Herzen lag. Die Philosophie hinter dieser Reform wurde in seinen Reden in Deutschland im Jahr 2011 skizziert, vor einer Kirche, die-wie er erklärte in Gefahr sei, reich an Werken, aber arm an Geist zu sein. Für war die Kirche in Deutschland ein Beispiel, dem man nicht folgen sollte oder eher ein Versuchslabor für Dinge, die man vermeiden sollte.

Viele Reformen von Benedikt XVI. müssen in diesem Sinne gelesen werden. Zum Beispiel die Reform der Satzung von Caritas Internationalis. Aber auch die Reform des Finanzsystems und die Einhaltung internationaler Standards, die mit dem Auftrag der Kirche vereinbar sind. Und die Institution des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung, das Amt für Seminare innerhalb der Kongregation für den Klerus und die Richtlinien für die päpstliche Diplomatie.

Das Pontifikat von Benedikt XVI. war ein großer Versuch, die Prinzipien des Glaubens wiederherzustellen, alte Machtkonsortien aufzubrechen und der Kirchenführung eine neue Philosophie zu geben. Dann, 2013, verzichtete Benedikt XVI., und in der Verzichtserklärung gab es ein klares Signal: Wir brauchten einen jüngeren Papst, der das Werk weiterführen kann. Es war nicht mehr an der Zeit, die Prinzipien zu erstellen, sondern sie mit Kraft, Energie und Beständigkeit gegen jeden Gegenwind in die Praxis umzusetzen.

Das Pontifikat von Benedikt XVI. war ein großer Versuch, die Prinzipien des Glaubens wiederherzustellen, alte Machtkonsortien aufzubrechen und der Kirchenführung eine neue Philosophie zu geben. Dann, 2013, verzichtete Benedikt XVI., und in der Verzichtserklärung gab es ein klares Signal: Wir brauchten einen jüngeren Papst, der das Werk weiterführen kann.Es war nicht mehr an der Zeit, die Prinzipien zu erstellen, sondern sie mit Kraft, Energie und Beständigkeit gegen jeden Gegenwind in die Praxis umzusetzen.

Andererseits wählten die Kardinäle im Konklave keinen jungen Papst sondern möglicherweise ein Übergangspontifikat. Es war bekannt, daß Papst Franziskus den Auftrag hatte, die Kurie zu reformieren. Aber es wurde sofort offensichtlich, daß die Debatte von der alten Kurie dominiert wurde, die von Benedikt XVI marginalisiert worden war. Viele waren schon älter und viele würden ihre MAcht bald verlieren. Der Rücktritt bot ihnen eine letzte Chance. 

Kardinal Danneels hat von der "St. Gallen Mafia“, und Austen Ivereigh vom „Team Bergoglio“ gesprochen, das bei der Wahl von Papst Franziskus operierte. Es gab jedoch eine klare Agenda hinter dem Rücken von Papst Franziskus, die in der Zeit zurückgehen wollte. Zurück gehen, um vorwärts zu gehen, das ist das Paradoxon. Zurück zu einer Kirche, die zeitgemäßer, mehr Management-mäßig, organisierter und fähiger ist, mit der Welt zu sprechen.

Daß Papst Franziskus in gewisser Weise der Vergangenheit entgegenwirken wollte, ist an vielen Anzeichen erkennbar. So signalisierte beispielsweise die Kreierung der sogenannten Sanierungskardinäle eine klare Haltung gegenüber vergangenen Entscheidungen. Wie der ehemalige Nuntius in Belgien Rauber, der derjenige war, der die Ernennung von André-Joseph Leonard zum Erzbischof von Brüssel nicht wollte (und tatsächlich hat Papst Franziskus ihn dann nicht zum Kardinal kreiert, sondern seinem Nachfolger de Kessel). Oder der rote Hut, den Erzbischof Fitzgerald erhielt, den Benedikt XVI. als Nuntius nach Ägypten geschickt hatte, als seine Beförderung zum Leiter einer Abteilung selbstverständlich erschien, weil der Papst seine Vision vom Dialog mit anderen Glaubensrichtungen nicht teilte. Oder wiederum die Kreierung Enrico Ferocis zum Kardinal, den Kardinal Ruini nie zum Bischof befördern wollte

Das sind Zeichen, die auf ein klares Urteil über die Vergangenheit hindeuten. Formal hat Papst Franziskus nichts an der Lehre geändert. In der Praxis führte er jedoch eine Reihe von Aktionen durch, die tatsächlich eine Rückkehr zu einer früheren Ansicht waren, in der die Lehre geändert oder zumindest eine Abweichung von der Lehre toleriert werden konnte.

Sogar die ersten Reformideen der Kurie und auch des Kardinals-Rates waren Teil einer Agenda, die in den letzten Tagen von Johannes Paul II. definiert worden war, ebenso wie Kardinal Carlo Maria Martini die Idee einer großen Debatte über die Familie in den Generalkongregationen vorgeschlagen hatte, die dem Konklave von 2005 vorausgingen.

Papst Franziskus hat überall dahin, wo es einen Schnitt mit der Vergangenheit gab, eine Inspektion geschickt. Die Inspektion diente dazu, Entscheidungen zu treffen, die schon gemacht worden waren. Die Betonung wurde auf die Anwendung der Standpunkte des II. Vaticanischen Konzils gelegt, die z.B. in klarem Kontrast zur gemäßigten Anwendung des Konzils  stand, die es in den Jahren von Johannes Paul II und besonders unter Benedikt XVI gab, der seit der ersten Rede in der Sixitinischen Kapelle auf das Thema der Hermeneutik der Kontinuität baute. 

Im vergangenen Jahr hat Papst Franziskus mit Traditionis Custodes die finale Beschleunigung eingeleitet, die darauf abzielt, seine Prinzipien zu etablieren und die alten auszuradieren. Traditionis schafft eine vorherige Anordnung von Papst Benedikt XVI ab- die Freigabe des Alten Ritus. 

Dann war da die -endlich definierte- Kurienreform, die eher auf die pragmatischen als gedanklichen Kriterien antwortete. In der Tat war es die Abtrennung der Autorität von der Weihe als Teil dieser postkonziliaren Agenda, die am Ende den Priester in den Hintergrund stellte. Diese Entscheidungen beinhalten auch das von Papst Franziskus gefürchtete Risiko einer NGO-Kirche. 

Jetzt gibt es diese Entscheidung die Statuten von Caritas Internationalis zu revidieren, die u.a. gerade erst vor 3 Jahren reformiert wurden. Das löst das Gefühl aus, daß das ein weiterer Schritt zu einem Abbau der geleisteten Arbeit ist.

Natürlich gab es hinter dem Rücken von Papst Franziskus eine Agenda, so wie es hinter dem Rücken jedes Papstes gewesen ist. Was nicht verstanden wird, ist, wie sehr der Papst der Agenda zugestimmt oder wie sehr er nur so gehandelt hat, weil die Berater ihn dazu gedrängt haben. Tatsächlich wurde das evangelische Prinzip der Nächstenliebe in Wahrheit durch das pragmatische Prinzip "Wirklichkeit ist größer als Ideen“ ersetzt. Aufgrund dieses Prinzips besteht die Gefahr, daß die Kirche irrelevant wird. Und nicht nur für die Welt, sondern für die Katholiken selbst."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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