Dienstag, 3. Januar 2023

Das Paradoxon Benedikts XVI

In seiner gestrigen Kolumne für Monday at the Vatican schreibt A. Gagliarducci -auch angesichts des Ablebens des Papa emeritus-  über die Frage, ob die Welt schon für diesen Pontifex bereit war. 
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                                                 "DAS PARADOXON BENEDIKTS XVI"

Wir waren vermutlich noch nicht bereit für einen Papst wie Benedikt XVI. Weil Benedikt XVI versucht hat, die Kirche auf eine andere Ebene zu heben, außerhalb der von der Gesellschaft und der allgemeinen Diskussion auferlegten Grenzen. Seine Suche nach Gott ließ ihn über die Mode der Zeit hinaus blicken und versuchen, die tiefe Bedeutung aller Dinge zu finden. Und ja, wir sind eines solche auf Gott gerichtete Suche nach Wahrheit nicht gewohnt. 

Seien wir klar: Johannes Paul II war Mystiker bevor er Papst war, fähig sich auf jede Situation zu konzentrieren und den Rosenkranz zu beten; Paul VI war ein Asket des Denkens, gequält durch die Probleme einer Kirche, die in die Welt gebracht werden sollte; Johannes XXIII war den Römischen Formen und Traditionen sehr verbunden, so wie es nur Bauern mit festem Glauben sein können. Und ich könnte in der Zeit weiter zurück gehen, um zu zeigen, daß alle Päpste vor Benedikt XVI ihr mystisches Format, ihre Askese hatten. 

Benedikt XVI jedoch forderte einen weiteren Schritt. Benedikt XVI wollte, daß der Glaube von der Vernunft genährt wird. Tatsächlich so- wie es der Petrus-Brief sagt: zu wissen wie man die Gründe für doe Hoffnung findet. 

Zur selben Zeit aber predigte Benedikt XVI einen bescheidenen, sicheren Glauben, voller Freude über die Begegnung mit dem Auferstandenen und zuversichtlich, daß die Begegnung stattgefunden hat. Benedikts XVI großer Kampf war deshalb nicht der gegen den Säkularismus, ein äußeres Übel für die Kirche, mit dem er diskutieren und verschiedener Meinung sein konnte. Sein großer Kampf hingegen war der gegen die inneren Feinde der Kirche selbst. 

Es war ein Kampf gegen raffinierte Feinde. Benedikt XVI war seit der 1950-er durch das Neuheidentum beunruhigt, durch Christen, die sich selbst Christen nannten, aber nicht länger ans Christentum glaubten und sogar die historische Wahrheit des Glaubens in Frage stellten. 


Er war ein Gelehrter, Benedikt XVI. Als Gelehrter wußte er jedoch, daß man Wahrheit nicht besitzen kann und die Wirklichkeit nicht unverpackt zu haben war, außer zum Preis sie etwas weniger wahr zu machen. Alles gehört in einem seltsamen Gleichgewicht des Kosmos zusammen, das nur von Gott kommen kann.

Also kritisierte Benedikt XVI die historische Methode- eine Kritik, die sogar so weit geht, das Evangelium in Frage zu stellen und er schrieb ein Trilogie über Jesus von Nazareth, die folgendes bedeutet: das Evangelium ist nicht nur ein symbolisches Buch, das von einem abstrakten Glauben erzählt,sondern es ist ein aktuelles Buch mit einer überprüfbaren Geschichte.

Und Jesus kann kein dieser angenommene und auf irgendeine Weise ausgebeuteter Charakter sein und er kann nicht durch einen nur symbolsichen Schlüssel gelesen werden. Stattdessen ist er ein historischer Charakter, der Fleisch und Blut annahm und eine präzise, lineare, nicht-symbolische aber reale Geschichte.

Das ist schon außerordentlich paradox, weil der Papst , der mehr als sonst irgendwer versucht, den Glauben vernünftig zu erklären, dann diesen selben Glauben am konkrete Leben festmacht, an einer Geschichte, die Geschichte ist. Der vernünftige Glaube ist der Glaube der Einfachen, der Glaube derer, wie wirklich glauben. 

Es ist wahrscheinlich eine revolutionäre Passage, die die Trennung zwischen den Menschen und der Elite überwindet, wie nur das Christentum es kann. Diese Passage überwindet auch den Kontrast zwischen Traditionalisten und Progressiven. Sie geht über jede Ideologie hinaus. Das Ziel Benedikts XVI war tatsächlich, Harmonie zu schaffen, nicht Opposition. 

Das kann man an vielen Regierungsentscheidungen Benedikts XVI als Papst sehen, sogar den am wenigsten verstandenen. Wie die Liberalisierung des Zelebrierens des antiken Ritus, gemacht um Einheit und nicht Spaltung zu schaffen, Opposition zu überwinden und Harmonie zwischen zwei verschiedenen Positionen zu suchen. Aber auch wie die diplomatischen Entscheidungen, beginnend mit denen zu China, die eine klare Verkündigung der Wahrheit vorsah, aber auch einen konstanten Dialog, beginnend bei den soliden Grundlagen, ohne jemals nachzugeben oder Konzessionen zu machen.

Alles mußte bei Benedikt XVI ein Ziel haben und es mußte den Zweck der Kirche reflektieren. Z.B. wurde die Reform der Vatican-Finanzen mit Respekt für die Mission der Kirche gemacht (und der Hl. Stuhl erklärt das im Moneyval-Bericht) und die Reform von Caritas Internationalis wurde im Gedanken durchgeführt, mit den Werten übereinstimmen, die die Kirche predigte.

Es gibt keine Entscheidung, nicht mal die kleinste, die nicht von einer präzisen Idee Benedikts XVI ausgeht und es gibt keine Idee, die nicht mit der Christlichen Wahrnehmung und letztlich vom Kommen Jesu Christi, wahrer Gott und wahrer Mensch beginnt. 

Wahrscheinlich war das alles zu viel in Zeiten, in denen Religion fast als Lametta  betrachtet wird und, wenn in abstrakten Begriffen gedacht, ein Problem wird. Die Wirklichkeit kann nicht länger von einer Idee ausgehend geformt werden, weil es scheint, daß es keine Möglichkeiten gibt. Das ist es, wo der Säkularismus geboren wird und die Abneigung gegenüber einer Religion, die der heutige Mensch schwer zu verstehen findet. Verehrung ja. Irrationalität, ja. Glaube, der aus der Vernunft ernährt wird, nein-das ist zu schwierig.

Das ist die Vision, der sich Benedikt XVI  Zeit seines Lebens gestellt hat. Nicht nur, daß der Mensch groß denken kann,  er ist berufen, das zutun, nicht zu vereinfachen, dennoch gleichzeitig einfach zu sein. Der Mensch ist berufen, für große Ideen zu leben und nicht für kleine Ergebnisse. Und der Glaube, die Sicherheit der Auferstehung ist vielleicht die unglaublichste Idee, die der Mensch je hatte. 

Das Problem war nicht Benedikt XVI. Es war stattdessen das Problem einer Kirche, die nicht länger glaubte oder zu sehr an sich selbst glaubte. So die Einladung Benedikts XVI zur Entweltlichung und den Vorsehungs--Charakter von Säkularisations-Trends auszunutzen, die eine freiere und wahrhaftigere Kirche ermöglichten. 

Und so auch Ratzingers Prophezeiung einer Kirche, die gezwungen sein wird, die Machtstrukturen aufzugeben und die kleiner, fast unbedeutend wird. Aber das war eine positive Prophezeiung, weil Benedikt XVI betonte , daß die Welt dann mit Hoffnung auf die wenigen übrig gebliebenen Christen , die wirklich glauben, blicken werde. 

Wir haben mit Hoffnung auf Benedikt XVI geschaut. Er gehörte zur alten Epoche, aber die neue hatte noch nicht begonnen. Und es ist Zeit, sie zu errichten und seine Lehre gut zu gebrauchen."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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