Mittwoch, 4. Januar 2023

George Weigel: Kirchenlehrer?

In "Briefe aus Rom" bei LifeSiteNews hat George Weigel eine Betrachtung zum Tod Joseph Ratzingers, des emeritierten Papstes Benedikt XVI veröffentlicht.   
Hier geht´s zum Original:  klicken

"JOSEPH RATZINGER, KIRCHENLEHRER? 

In den Tagen seit seinem Tod am 31. Dezember haben mehrere Kommentatoren die Hoffnung ausgedrückt, daß Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI und dann Papa Emeritus vielleicht zum Kirchenlehrer ernannt wird. Ich dachte im Licht dieser Hoffnungen, es wäre interessant noch einmal auf eine Unterhaltung zu blicken, die ich mit dem damaligen Kardinal Ratzinger, Präfekt der Glaubenskongregation hatte, als ich "Zeuge der Hoffnung"  vorbereitete, den ersten Band meiner zweibändigen Biographie des Hl. Papstes Johannes Paul II.

Es war am 20. September 1997  und wir sprachen, wie wir das üblicherweise taten, im Amtszimmer des Kardinals im Palazzo des Sant´ Uffizio. Wie immer war der Kardinal einfach in eine schwarze Soutane ohne Pektoralkreuz gekleidet. Nachdem wir einige andere Themen diskutiert hatten, fragte ich ihn nach der jüngsten Entscheidung Johannes Pauls II, die Hl. Thérèse von Lisieux, die Kleine Blume, zur Kirchenlehrerin zu ernennen, nachdem ihn (wenn meine Erinnerung stimmt) eine Petition das zu tun,  von mehr als 2000 Bischöfen erreicht hatte, in einer Kampagne, die von einem New Yorker Weihbischof im Ruhestand, Patrick Ahern angeführt wurde. Die Entscheidung hatte einige Kontroversen ausgelöst, weil der seltene Titel üblicherweise herausragenden Theologen verliehen wurde. 

Als ich Kardinal Ratzinger ganz klar "Warum ist Thérèse von Lisieux Kirchenlehrerin?" , lachte der Kardinal (das tat er gern, trotz der Karikaturen seiner Persönlichkeit)  und ohne jeden Kommentar zur Unverblümtheit -sogar Unverschämtheit- meiner Frage, fing er an zu sprechen- in kompletten Abschnitten, wie es seine Gewohnheit war). Das Folgende ist eine direkte Transskription seiner Antwort, die- wie ich denke- Licht auf sein eigenes Konzept von Heiligkeit und ihrer vielen Ausdrücke wirft: 

  Wir hatten verschiedene Arten von Kirchenlehrern, sogar vor Antonius von Padua. Auf der einen           Seite die großen scholastischen Gelehrten, Bonaventura und Thomas von Aquin, die Professoren und   Akademiker und große Lehrer im wissenschaftlichen Sinn waren; in der Patristischen Periode hatten   wir große Prediger, die die Lehre nicht in theologischen Diskussionen sondern im Predigen, in   Predigten entwickelten; wir haben auch Ephraim, der seine Theologie im Wesentlichen in Hymnen und   Musik entwickelte. Jetzt, in dieser Zeit, haben wir neue Typen von Kirchenlehrern und es ist wichtig,   den Reichtum der unterschiedlichen Arten der Lehre in der Kirche aufzuheben. Wir haben Theresa von   Avila, mit ihrer mystischen Erfahrung. Wir haben Catherina von Siena mit einer Erfahrungstheologie.     Und jetzt haben wir Thérèse von Lisieux, die auf andere Weise eine Erfahrungstheologie

 In unserer wissenschaftlich denkenden Gesellschaft ist es wichtig, die Botschaft einer einfachen und   tiefen Erfahrung Gottes zu haben und eine Lehre darüber, wie einfach es ist, ein Heiliger zu sein;  das   in dieser Zeit mit ihrem extrem handlungsorientierten Zugang anzubieten, zu lehre, daß ein Heiliger zu   sein, keine Sache großer Aktionen ist, sondern den Herrn in uns wirken zu lassen.

 Das ist auch für den ökumenischen Dialog interessant. Luthers REchtfertigungslehre wurde durch seine Schwierigkeit provoziert, sich selbst durch die komplexen Strukutren der mittelalterlichen Kirche gerechtfertigt und erlöst zu sehen. Die Gnade gelangte nicht in seine Seele und wir müssen die Explosion von "sola fide" in diesem Kontext verstehen: daß er am Ende entdeckte, daß er am Ende dem Herrn nur fiducia- Vertrauen geben mußte, sich in die Hände des Herrn zu geben- und erlöst zu sein. Ich denke, daß das auf auf eine sehr katholische Weise in Thérèse von Lisieux wiedergekehrt: man muß keine großen Dinge tun. Ich bin arm, spirituell und materiell- und es genügt, mich in die Hände Jesu zu geben, Das ist eine wirkliche Interpretation dessen, was es bedeutet, erlöst zu werden; wir müssen keine großen Dinge tun, wir müssen Vertrauen haben und in der Freiheit dieses Vertrauens können wir Jeus folgen und ein christliches Leben verwirklichen. Das ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zum ökumenischen Dialog sondern zu unserer gemeinsamen Frage- wie kann ich erlöst werden, wie werde ich gerechtfertigt?[Thèrèses] "kleiner Weg" ist eine sehr tiefgehende Wiederentdeckung des Mittelpunktes des christlichen Lebens.

Das andere Konzept ist das des Klosters, weit weg von der Welt kann man viel für die Welt tun. Kommunion mit Christus ist Gegenwart für Christen in der ganzen Welt. Jeder kann für die universale Kirche in diesen Tagen "effizient" sein. Das ist auch eine neue Definition von "Effizienz" in der Kirche. Wir haben so viele Aktionen und wir müssen entdecken, daß Effizienz mit der Kommunion mit dem Herrn beginnt.  Diese Idee, daß das Herz der Kirche in allen Teilen des Körpers gegenwärtig ist, ist eine gute Korrektur einer nur pragmatischen Kirche, einer "effizienten" Kirche im äußerlichen Sinn. Das sit die Wiederentdeckung der Wurzeln allen christlichen Handelns. 

Sie hatte auch eine neue Vorstellung vom Himmel, von der Beziehung zwischen der Ewigkeit und der Zeit. Auf der Erde anwesend zu sein und Gutes auf der Erde zu tun, ist mein Himmel. Wir haben eine neue Beziehung zwischen Ewigkeit und Zeit: der Himmel ist nicht von der Erde abwesend, sondern eine neue und stärkere Gegenwart. Ewigkeit ist in der Zeit präsent und für die Ewigkeit zu leben, heißt in und für die zur Verfügung stehende Zeit zu leben, Indem wir ein christliches Leben führen, sind wir für die Erde präsenter, verändern wir die Erde; wir können hier über eine neue Eschatologie sprechen, die eine bedeutende Doktrin ist. 

 Diese Dialektik von Anwesenheit und Abwesenheit ist eine sehr große Doktrin. Thérèses Subtilität ist auch wunderbar, um mit einigen Anforderungen neuer Marien-Dogmen umzugehen. Sie schrieb: "Sprecht nicht immer über die Privilegien Marias, sprecht über sie als ein Wesen, wie wir es sind." Es gibt einige wundervolle Texte [entlang dieser Aussage] und die sind sehr hilfreiche Korrekturen gegen diese [hypermarianischen] Tendenzen...

Das war Joseph Ratzinger vor 25 Jahren, zur Berufung zur Heiligkeit und ihre vielfältigen Formen und Spielarten in der Kirche; zu Zeit und Ewigkeit; darüber sich selbst ins Vertrauen zum Herrn zu übergeben; zum unumkehrbaren Christozentrismus des christlichen Lebens. Indem ich an diese Unterhaltung von vor einem Vierteljahrhundert erinnere, kann ich  nicht umhin, zu denken, daß Ratzinger mir erlaubte, einen Blick in sein eigenes tiefes Innenleben zu werfen; das Leben eines Mannes, das von Kardinal Joachim Meisner passend beschrieben hat- "den Geist von 12 Professoren zu haben" und die klare Frömmigkeit eines  Kommunionkindes."

Quelle: G. Weigel, LifeSiteNews

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Mit dem Posten eines Kommentars erteilen Sie die nach der DSGVO nötige Zustimmung, dass dieser, im Falle seiner Freischaltung, auf Dauer gespeichert und lesbar bleibt. Von der »Blogger« Software vorgegeben ist, dass Ihre E-Mail-Adresse, sofern Sie diese angeben, ebenfalls gespeichert wird. Daher stimmen Sie, sofern Sie Ihre email Adresse angeben, einer Speicherung zu. Gleiches gilt für eine Anmeldung als »Follower«. Sollten Sie nachträglich die Löschung eines Kommentars wünschen, können Sie dies, unter Angabe des Artikels und Inhalt des Kommentars, über die Kommentarfunktion erbitten. Ihr Kommentar wird dann so bald wie möglich gelöscht.