Samstag, 25. März 2023

Wann und wem ist Kritik am Papst erlaubt und wem nicht? Streit in einer polarisierten Kirche

Marco Tosatti veröffentlicht bei Stilum Curiae einen Kommentar von Msgr. Ics zum Streit zwischen Matteo Matzuzzi und Austen Ivereigh über die Frage ob, wann und wie weit man den Papst kritisieren darf. 
Hier geht´s zum Original: klicken

Liebe Freunde und Feinde von Stilum Curiae, Monsignore Ics, dem wir herzlich danken, bietet euch am Rande des Meinungsaustauschs zwischen Austen Ivereigh und Matteo Matzuzzi einige Überlegungen an. Viel Spaß beim Lesen und Teilen.

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 "DARF MAN DEN PAPST KRITISIEREN? WIE SEHR, WIE UND WIE WEIT? MSGR. ICS"

Von Sydney bis Deutschland ist das Thema zentral für die zunehmend polarisierte Kirche, schreibt Matteo Matzuzzi, Vatikan für Il Foglio.

"Schockiert, daß Anthony Fisher diese schlecht informierte Hetzrede auf der Titelseite der Zeitung der Erzdiözese Sydney zugelassen hat. Fisher will eindeutig die Weigel/Pell-Kampagne gegen Franziskus und die Synode fortsetzen. Ist die Gemeinschaft mit Rom jetzt für Bischöfe optional?", twitterte Austen Ivereigh am Sonntag.

Die Protagonisten: allen voran Anthony Fisher, der Erzbischof von Sydney und George Weigel,  ein konservativer amerikanischer Intellektueller (neokonservative Tendenz) und ehemaliger Biograph von Johannes Paul II. Austen Ivereigh ist ein renommierter englischer Journalist, Schriftsteller, ehemaliger Sprecher von Kardinal Cormac Murphy O'Connor und Autor einer der bedeutendsten, genauesten und tiefgründigsten Biografien von Papst Franziskus (auf Italienisch "Zeit der Barmherzigkeit: das Leben von Jorge Mario Bergoglio", Mondadori, aber der Originaltitel Der große Reformer scheint zentrierter zu sein).

Der fragliche Artikel, der aus der australischen Diözesanzeitung stammt, ist eine Bilanz der Bergoglianischen Dekade. Eine sehr kritische Bilanz, in der Weigel die Mehrdeutigkeiten des Pontifikats überprüft und ein bleiernes Klima beschreibt, das von "Melancholie" dominiert wird, in dem es Scharen von Priestern, Bischöfen und Kardinälen gäbe, die Angst vor dem Risiko haben, unter der päpstlichen Axt zu landen. Der amerikanische Autor bringt alles zusammen, von der Rupnik-Affäre über die Beziehungen zu Peking bis hin zu "den systematischen Bemühungen, das Erbe von Johannes Paul II. zu dekonstruieren".

Über George Weigel kann man natürlich diskutieren, seine Meinung ist die eines rechten Gelehrten, nostalgisch für die von Kulturkriegen geprägte Zeit und der oft das Ziel von Kritik war, die von liberalen Kreisen in und um die katholische Kirche angeheizt wurde. Der Punkt ist ein anderer: Kann man sich aufregen, weil ein Bischof Weigels Meinung zum Pontifikat aufgegriffen hat? Der Autor des Artikels ist kein Parvenü und kann auch nicht in die folkloristische Gesellschaft der Anti-Bergoglianer eingefügt werden, das heißt, zu denjenigen, die die Entthronung des Papstes wünschen, weil er die Albe nicht mit einer halblangen Spitze trägt,  oder weil er die Lämmer am Tag der heiligen Agnes nicht segnet. Es ist auch nicht vergleichbar mit jenen Beobachtern, die ihre Meinung ändern, je nachdem, wo der Wind weht, diejenigen, die zuvor die Rechtmäßigkeit der Wahl von Franziskus leugneten und sich nun betend an der Rezeption der Casa Santa Marta präsentieren.


Nein, Weigel ist bekennender Konservativer, er trauer den Zeiten von Johannes Paul II. nach und sieht mit Entsetzen die Realpolitik des gegenwärtigen Pontifikats, die ihn an die viel kritisierte Ostpolitik Pauls VI. erinnert. Meinungen, so legitim und respektvoll sie auch sein mögen, oder auch fragwürdig. Das war jedoch genug, um die Aufregung anzuheizen und für einen ausgewogenen Beobachter wie Ivereigh, um den Erzbischof von Sydney in sozialen Netzwerken zu beschuldigen, der Ankläger eines Anti-Franziskus-Krieges zu sein, der von Weigel selbst und dem verstorbenen Kardinal George Pell begonnen wurde.

Kann man den Papst und sein Pontifikat kritisieren? Auch Ross Douthat fragte sich vor einigen Tagen in seinem Newsletter für die New York Times. Inspiriert wurde Douthat von einem Essay des traditionalistischen Philosophen Thomas Pink, der in der katholischen Zeitschrift The Lamp erschien, in dem er fragte, inwieweit es für Katholiken akzeptabel sei, mit dem Papst zu streiten oder, wenn nötig, sich ihm zu widersetzen.

Wir kehren zum Ersten Vatikanischen Konzil zurück, zur Unfehlbarkeit, zu den Kommentaren der Kardinäle John Newman und Henry Manning. Kurz gesagt, Pink fragt sich, ob es für einen Katholiken nicht erlaubt ist, sich in irgendeiner Weise dem Pontifex zu widersetzen, wenn er in seinem Gewissen glaubt, daß der Papst falsch liegt. Ivereighs Tweet macht deutlich, wie stark die Polarisierung von und in der katholischen Kirche fortgeschritten ist. Die Päpste sind immer kritisiert worden - ohne in die Zeit von Pius IX. zurückzugehen, als mehrere Bischöfe Rom verließen, um nicht über die Unfehlbarkeit abzustimmen, genügt es, die Angriffe auf Paul VI. und Benedikt XVI. zu erwähnen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen - aber es gab nie einen Schrei des Verbrechens der Majestätsbeleidigung. Sie sahen und verurteilten auch nicht Tag um Tag Verschwörungen oder Medienoperationen, die darauf abzielten, das Pontifikat zu beschädigen. Mit Franziskus hat sich das Klima jedoch geändert. Die Polarisierung hat dazu geführt, daß es auf kommunikativer (und hierarchischer) Ebene zwei gegensätzliche Mannschaften gibt, die erste, die als Enthusiasten definiert werden könnte, die den Papst anbeten und bereit sind, den Papst notfalls bis zum äußersten Opfer zu verteidigen (obwohl es nicht scheint, daß der derzeitige Bischof von Rom es braucht), während die andere von denen gebildet wird, die im Wesentlichen eben die Legitimität Bergoglios, auf dem Stuhl Petri zu sitzen, leugnen. Treffpunkte, wenige. Das Schlachtfeld, groß.

Weigel kritisiert, aber das tun auch die Bischöfe. Und die Gemeinschaft ist seit langem untergraben. Nicht nur die Vereinigten Staaten – wo Weigel schreibt und wo das Publikum, an das er sich wendet, in erster Linie anwesend ist – haben in jeder Hinsicht keine gute Fähigkeit gezeigt, sich auf die von Franziskus gesetzten Koordinaten einzustellen, sondern auch in den Europa so nahe Mauern des Vatikans. Was ist der Unterschied zwischen dem Erzbischof von Sydney, der die Veröffentlichung des "inkriminierten" Textes genehmigt, und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Mgr. Georg Bätzing, der seine Zweifel daran äußert, daß die Kirche durch Interviews regiert wird? Oder nochmals, ist ein kritischer Artikel in der Diözesanzeitschrift von Sydney schlimmer oder die Erklärung der flämischen Bischöfe, die den Segen von gleichgeschlechtlichen Paaren, als legal definieren, wenn die Kongregation für die Glaubenslehre (jetzt Dikasterium) mit dem päpstlichen Placet das als illegitim definiert hat? Wo ist hier die Gemeinschaft? Wenn die belgisch-deutsche bischöfliche Parrhesia nicht als Problem angesehen wird, dann kann es auch George Weigels Kommentar in der australischen Sonntagszeitung nicht sein. Ansonsten bedeutet das, daß es auf beiden Seiten nur darum geht, die eigene ideologische Vision durchzusetzen."

Quelle: M. Tosatti, Stilum Curiae, Msgr. Ics

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