Montag, 20. März 2023

Wie hoch wird der Preis für die Kirche am Ende der Vatican-Prozesse sein?

In seiner heutigen Kolumne in Monday at the Vatican befaßt sich A. Gagliarducci mit der Prozess-Serie im Vatican. Hier  geht´s zum Original: klicken

"PAPST FRANZISKUS, WIE WIRD DIE ZEIT DER GROSSEN PROZESSE ENDEN?"

Die Nachricht vom Freispruch "weil diese Tatsache nicht existiert"  von Msgr, Nunzio Scarano, einem früheren Mitarbeiter der APSA kam am Abend nach der Zeugenaussage von Erzbischof Edgar Pena Parra, Substitut im Staatssekretariat, beim Prozess über das Management des Vermögens des Staatssekretariates. Die Nr. 3 des Vaticans berichtete den Richtern, Staatsanwälten und Anwälten, daß ja- er entschieden habe, die Kontrolle über den Londoner Besitz zu übernehmen, dann aber praktisch bezahlte und daß Papst Franziskus in jedem Fall über alles informiert war. 

Obwohl der Scarano-Fall und das Thema der Investitionen des Staatssekretariates in einen Londoner Besitz sich unterscheiden, sind beide Fälle miteinander verbunden. 

Scarano war in zwei Gerichtsverfahren verwickelt:  Wucher und missbräuchliche Kreditvergabe vor dem Gericht in Salerno und Korruption und Verleumdung vor dem Gericht in Rom. Infolgedessen wurde Scarano aus der APSA entfernt. Dennoch führte der Fall auch zum Rücktritt von Paolo Cipriani und Massimo Tulli, Direktor und stellvertretender Direktor des Istituto delle Opere di Religione (der sogenannten Vatikanisch Bank), die dem Institut ermöglichen wollten, sich besser zu verteidigen.

Dieser Fall stellte den Anfang der großen Zeit der Prozesse im Vatican dar. Die Rücktritte von Cipriani und Tulli gehen in den Juli 2013 zurück. Die beiden früheren Manager des IOR waren in ein Verfahren in Italien verwickelt, in dem sie freigesprochen wurden und in ein Verfahren im Vatican, das zu einer Verurteilung wegen Missmanagement führte, die dann - mit einigen Korrekturen- in einem Revisionsverfahren bestätigt wurde und jetzt auf das dritte Revisionsverfahren wartet.

Das war eine haarsträubende Verurteilung, wenn man bedenkt, daß die beiden keine Entscheidungen über Investitionen und Bankgeschäfte ohne die Zustimmung der Leitung des IOR-Aufsichtsrates treffen konnten. Aber es war ein Urteil, das mit Grausamkeit gefällt wurde.

In der Zwischenzeit verringerte sich der Gewinn des IOR von 86,6 Mio auf eine Summe zwischen 17 und 30 Mio, mit sehr großen Verlusten für eine kleine Finanz-Institution und dem vagen Verdacht, daß das schlechte Management später kam- als die Zeit der großen Prozesse begonnen hatte. 

Nach dem Scarano Fall gründete der Papst die Kommission für Vatican-Finanzen und das IOR, COSEA und CRIOR-um zur prüfen, zu bewerten und möglicherweise zu reformieren und abzuschaffen. Die Marschordnung sollte mit der Vergangenheit brechen. Von hier aus haben sich auch mehrere Beurteilungsfehler bei der Definierung der Reformen des Heiligen Stuhls ergeben, darunter die große Diskussion über die Verwaltungsautonomie des Staatssekretariats. Schließlich ist der Heilige Stuhl ein Staat, kein Unternehmen.


Von der Ursünde im Scarano-Fall kommen wir zum aktuellen Prozess im Vatican, der aus einem Bericht des obersten Wirtschaftsprüfer des IOR. Die Tatsache wird im Narrativ als Zeichen dafür betrachtet, daß die Reformen von Papst Franziskus wirken: es gibt ein internes Zeichen dafür, das bedeutet, daß es Mittel gibt, kritische Themen anzusprechen und Korruption zu säubern.

In Wirklichkeit ergibt sich der Fall aus einem Kurzschluss: es gibt eine Staatsbehörde, das IOR, die sich nicht nur weigert, das zu tun, was die Regierungsbehörde, das Staatssekretariat, verlangt, sondern sogar die Arbeit der internen Behörde das Staatssekretariat anprangert, bis hin zu spektakulären Durchsuchungen, die auch heilige Orte wie das Staatssekretariat berühren (wo die Polizei des Vatikans nicht eindringen konnte, weil es wie der gesamte Apostolische Palast unter der Gerichtsbarkeit der Schweizergarde steht).

Das Zeugnis von Erzbischof Pena Parra vom vergangenen 16. März scheint einen Kreis zu schließen. Der Abgeordnete des Staatssekretariats hatte bereits ein vollständiges Memorandum mit angegliederter Dokumentation von fast zweihundert Seiten vorgelegt, in dem er die Situation, in der er sich befand, ausführlich erläuterte.

Und am Ende stellt sich Folgendes heraus: der Papst wußte nicht nur von der Situation des Gebäudes, sondern wurde über verschiedene Kanäle persönlich informiert und wusste und billigte, wie beschlossen wurde, die Angelegenheit zu regeln. Kardinal Pietro Parolin, Staatssekretär des Vatikans, wurde nicht nur informiert, sondern hat auch Garantien für einige Situationen gegeben, die stattdessen einer weiteren Prüfung bedurft hätten; die Reihen der Finanzinformationsbehörde, die durch Pena Parra beteiligt war, verhielten sich loyal, ebenso wie der Beamte des Staatssekretariats, Fabrizio Tirabassi; Monsignore Alberto Perlasca, der den mit der Verwaltung der Londoner Immobilie betrauten Makler verklagen wollte, hatte stattdessen hinter dem Rücken des Staatssekretariats gehandelt und Entscheidungen getroffen, die er nicht treffen konnte.

Nach einer solchen Zeugnisaussage fragt man sich, warum Perlasca unter den Zeugen ist und die AIF-Führenenden und Tirabassi unter den Angeklagten sind. Aber vor allem fragt man sich, warum es einen Prozess gibt, wenn der Papst über alles informiert war und allem zustimmte. Es gibt ein erhebliches Risiko, daß dieser Prozess mit einem Freispruch des meisten, wenn nicht aller Angeklagten und einer möglichen Verurteilung wegen kleinerer Vergehen nur für andere Angeklagte.

Von Scarano bis zum Prozess wegen des Managements des Vermögens des Staatssekretariates fragt man sich, wozu die Zeit der Vatican-Prozesse gut waren. Waren sie nötig, um Korruption im Vatican zu überwinden oder war es das Resultat eines "Beute-Systems", eines neuen Systems, das das alte ersetzen sollte?

Man kann sagen, daß ein Prozess eine Ausübung der Wahrheit ist. Dennoch ist auch wahr, daß wenn ein Prozess um jeden Preis stattfinden soll, und das im Licht des von den Medien verbreiteten Vorurteils, daß der Vatican korrupt ist. wird der Prozess mehr zu einem Machtinstrument als eine Ausübung der Wahrheit.

Vom Finanzmanagement zu weniger prosaischen Themen, die Frage der Verurteilung durch den obersten Gesetzgeber wird damit zu einem der Themen, an denen das Pontifikat gemessen wird. 

Die Zeit der größeren Kriminalprozesse scheint wenig konkrete Resultate erbracht zu haben. Was können wir über das Management von Fällen - wie den von Kardinal McCarrick - laisiert und Subjekt eines Berichtes, der mehr eine Selbstrechtfertigung als eine Übernahme der Verantwortung zu sein scheint? McCarrick ist mit dem Pontifikat von Papst Franziskus ins Rampenlicht zurückgekehrt. 

Die Reduktion in den Laienstand erweckt den Eindruck, daß sie ihn- tief innen- bestrafen wollten, ohne ihn wirklich zu bestrafen. 

Und dann gibt es noch andere kontroverse Fälle; vom Rupnik-Fall, der slowenische jesuitische Künstler. der weiterhin predigt und öffentliche Events veranstaltet, auch sogar noch als bereits eine Exkommunikation latae sententiae angefallen war und der vielleicht wie McCarrick enden wird- ohne auf den Grund der Sache zu gehen, sondern statt dessen im Amt bleibt; die Handhabung der Mißbrauchsfälle in Chile, wo alle Bischöfe am Ende zurücktraten; bis zur Handhabung der Fälle wie jene von Zanchetta und Wesolowski. 

Für alles gab es einen Prozess, aber nicht alle Prozesse führen zu fairen Ergebnissen. Das ist menschlich und natürlich verständlich. Die Frage jedoch, ob diese Medienfälle nicht eher ein Nachteil als ein Vorteil ist. Und wenn der Papst nach alledem diese Saison mehr als eine Schau eines sauberen Bruchs mit der Vergangenheit, als sich den sich bietenden Situationen zu stellen.

Es gibt so viele verschiedene Fälle und so viele Nuancen und es gibt eine Art roten Fadens. Was nicht klar ist, ist, ob diese Zeit der Prozesse der Kirche gut getan und geholfen hat, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Und wenn es das tat, ob nicht zu einem unnötig hohen Preis."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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