Montag, 19. Juni 2023

Bruch mit der Vergangenheit - oder "Mein ist die Rache" spricht der Stellvertreter...

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican befaßt sich A. Gagliarducci mit der Entlassung von Erzbischof G. Gänswein durch Papst Franziskus. 
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          "PAPST FRANZISKUS - EIN BRUCH MIT DER VERGANGENHEIT"

Papst Franziskus´ Entscheidung Erzbischof Georg Gänswein, jetzt Präfekt emeritus des Päpstlichen Haushalts, aufzufordern, in seine Heimatdiözese zurückzukehren bezeugt nicht nur die Tatsache, daß der Papst alle Verbindungen zum vorherigen Pontifikat komplett durchtrennen will. Die Entscheidung, die Erzbischof Gänswein betrifft, ist ein weiterer Beweis für den modus operandi von Papst Franziskus und sein Signal dafür. daß die letzte Phase seines Pontifikates nicht leicht sein wird. 

Die Entscheidung zu Erzbischof Gänswein wurde mit wenigen Zeilen im Bulletin des Pressebüros des Hl. Stuhls vom 15. Juni kommuniziert, wobei das was nicht gesagt wurde, schwerwiegender war als das, was geschrieben wurde. 

Mit der Angabe, daß die Amtszeit Erzbischof Gänsweins am 28. Februar 2023 beendet habe, hat Papst Franziskus de facto nicht nur seine Gehaltszahlung suspendiert, sondern Gänswein auch aufgefordert, die  Gehälter, die er seit dem Februar bis heute erhielt, zurück zu zahlen. Wenn es keine Angaben über das Gegenteil gibt, betrachtet die Institution die Position als bestätigt und zahlt das Gehalt weiterhin aus. Wenn der Zeitpunkt des Ausscheidens jedoch festgelegt ist, kann das Gehalt auch zurückgefordert werden. 

Es ist nicht das erste mal. daß Papst Franziskus diese Formel benutzt. Etwas Ähnliches passierte auch  einigen Mitarbeitern, die in den Vatican-Prozess um das Management der Guthaben des Staatssekretariates verwickelt sind. Sie wurden ausdrücklich informiert, da dann nicht in ihrem Amt bestätigt und dann aufgefordert das Geld zurückzuzahlen. Aber es gab auch schon schlimmere Situationen, als Konten von Leuten für Kompensationszahlungen gesperrt wurden, obwohl es noch kein endgültiges Urteil gab und deren Verurteilung noch zur Revision im Vatican-Gericht anstanden.

Die Aufforderung das Geld zurückzuzahlen- Gänswein ausdrücklich mitgeteilt- spricht für zwei Wahrheiten: daß der Vatican unter Papst Franziskus ernste PRobleme damit hat, Geldquellen zu erschließen und sich deshalb nicht scheut, sich an irgendjemandem zu rächen, um einen Teil seiner Ausgaben zurückzugewinnen; und daß Papst Franziskus mit dieser „Wiederherstellungsaktion“ diejenigen bestraft, die seiner Meinung nach bestraft werden sollten, und zwar auf besonders demütigende Weise.

Aber einige Demütigungen seien gut, sagte Papst Franziskus zu Gänswein, als er sich beim Papst darüber beschwerte, daß er keine weitere Aufgabe erhalten habe und auf jeden Fall als Präfekt des päpstlichen Hauses suspendiert sei. Gänswein erzählt das in dem Buch, das nach dem Tod von Benedikt XVI. veröffentlicht wurde. Ein Buch, das vielleicht naiv war, was die Art und Weise und den Zeitpunkt seiner Veröffentlichung anging, aber das Verdienst hat, ein lebendiges Bild der Beziehung zwischen Papst Franziskus und dem Gefolge des emeritierten Papstes wiederherzustellen.


Jenseits der oberflächlichen Höflichkeit wird am Ende deutlich, dass Papst Franziskus die Anwesenheit eines emeritierten Papstes im Vatikan nicht gut ertragen hat, sondern auch die Tatsache, daß einige Benedikt XVI als Bezugspunkt betrachteten - obwohl er nicht mehr Papst war. Es war, als ob der Papst in der Liebe zu Benedikt XVI. einen Widerspruch zu seinem Pontifikat sah. Und wahrscheinlich kommt daher die Verbitterung des Papstes gegenüber jenen, die er als "rückständiges Volk“ bezeichnet, und die immer strengeren Beschränkungen der traditionellen Messe, die eine Umkehrung einer von Benedikt XVI gemachten Öffnung war und die Entscheidung, Gänswein praktisch zu feuern, ohne das je offiziell bekannt zu geben

Um die ganze Geschichte genauer zu analysieren, könnte man sagen, dass Papst Franziskus weder die Verantwortung dafür übernehmen möchte, bekannt zu geben, wer diejenigen sind, die er als Freunde und diejenigen, die er als Feinde betrachtet, noch persönlich das Gewicht einiger Entscheidungen übernehmen möchte solange diese zu Problemen mit der öffentlichen Meinung führen können.

Für Papst Franziskus hätte die Ernennung Gänsweins auf einen anderen Posten zu Lebzeiten Benedikts XVI dazu geführt, daß er seine Schwierigkeiten in Bezug auf eine Situation hätte eingestehen müssen, die er von Anfang an zu seinem Vorteil zu bewältigen versucht hatte. Gänswein an seinem Platz zu lassen und ihn gleichzeitig daran zu hindern, zur Arbeit zu gehen, ließ die Möglichkeit offen, daß der Papst die Situation überdenken konnte und daß er Gänswein in einer schwierigen Situation helfen wollte. Jetzt, nach der Wiedereröffnung des Prozesses gegen den Chor der Sixtinischen Kapelle (der unter Gänsweins Leitung stand, der im Prozess vernommen wurde) und nach dem Tod von Benedikt XVI kann Gänswein dagegen weggeschickt werden, auch mit der Aufforderung zur Rückkehr in seine Heimatdiözese. Ein Vorschlag, dem Gänswein nicht folgen müsste. Als Bischof von Rom und Staatsoberhaupt der Vatikanstadt kann der Papst ihn nur bitten, nicht im Vatikan oder in der Diözese Rom zu wohnen. Allerdings kann der Papst niemanden zu einem bestimmten Wohnsitz verpflichten, es sei denn, dies steht im Zusammenhang mit seinem Amt.

Auch hier sehen wir in der Entscheidung zu Gänswein Analogien zu anderen ähnlichen Situationen im Vatikan. In den anderen Fällen handelte es sich um Persomen, die nicht an der Spitze standen und über die die Informationen daher keine objektive Neuigkeit für die Zeitungen waren. Aber es waren Präzedenzfälle, die deutlich machten, daß diese Vorgehensweise eine Regierungsform von Papst Franziskus ist.

Vielleicht geschah dasselbe mit Kardinal Angelo Becciu, der jetzt im Vatikan wegen angeblicher Unterschlagung in einem viel umfassenderen Prozess vor Gericht steht: Der Papst forderte ihn zunächst auf, sein Amt niederzulegen und auf seine Kardinalsrechte zu verzichten (etwas, worüber es nur ein Bulletin des Vatikans gibt). (Pressestelle des Heiligen Stuhls, aber keine Entscheidung des Kardinalskollegiums), dann änderte er eine Bestimmung, um sicherzustellen, dass auch Kardinäle vom vatikanischen Tribunal vor Gericht gestellt werden werden können, und schließlich forderte er Becciu, während der Prozess noch im Gange war, als Kardinal trotzdem zur Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen auf. Eine Reihe von Maßnahmen, die es dem Papst im Falle einer Verurteilung ermöglichen würden, zu sagen: Nein, er sei nicht böse auf Becciu. Zwar habe er ihm geholfen, aber die Urteile müssten respektiert werden.

Und so erging es Gänswein, der nach der Veröffentlichung eines Buches von Kardinal Sarah, das Benedikt XVI. mitunterzeichnet hatte, an seinem Platz belassen wurde und dann nach dem Tod des emeritierten Papstes, vor allem aber nach der Veröffentlichung eines autobiografischen Buches von Gänswein selbst, das wie eine Anklage gegen das Pontifikat klang, ohne Auftrag nach Hause geschickt wurde. Papst Franziskus wird also sagen können, daß er Gänswein nicht entlassen hat; er hat sein Mandat einfach nicht erneuert, selbst angesichts einer Situation, die für ihn peinlich geworden war.

Diese Art von Mechanismus kann jedoch auf jeden angewendet werden. Papst Franziskus signalisiert, daß im Vatikan niemand geschützt ist und jeder zum Fenstersturz verurteilt werden könne. Der Papst kann das natürlich machen. Es fällt auf, daß er versucht, so wenig Verantwortung wie möglich zu übernehmen, aber Raum für persönliche Rechtfertigung zu lassen.

Mittlerweile besteht jedoch offensichtlich der Wunsch, mit der Vergangenheit Schluss zu machen. Papst Franziskus hatte dies im Laufe der Jahre auf unterschiedliche Weise getan, etwa als er in den Konsistorien immer die Figur eines "Wiedergutmachungs"-kardinals einführte, oft über 80 Jahre alt, der bezeugt, daß der Papst mit den in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden war, und einen Kurswechsel sicherstellte.

Gänsweins demütigende Absetzung zeigt, daß der Papst jetzt möchte, daß jede mögliche Verbindung zu dem, was vor ihm war, durchtrennt wird. Vielleicht wird es bis Ende des Jahres ein weiteres Konsistorium geben, und so wird der Papst in zehn Jahren und neun Konsistorien ein Kardinalskollegium ganz nach seinem Vorbild geschaffen haben. Vielleicht wird es noch andere Reformen geben, vielleicht die Reform der päpstlichen Bestattungen.

Schließlich hatte Papst Franziskus nicht gewollt, daß Benedikt XVI. ein päpstliches Begräbnis bekam, obwohl er Papst war, und so leitete er eine Feier in Moll und handhabte nicht einmal persönlich das Belobigungs- und Verabschiedungsbuch, wie er es für jeden verstorbenen Kardinal tut . Und nicht nur das: Papst Franziskus hat Benedikt XVI. in der Predigt bei der Beerdigung kaum erwähnt, eine Entscheidung, die als klarer Wille des emeritierten Papstes und als Zeichen des Wunsches nach einer pastoraleren Kirche ausgegeben wurde, die in Wirklichkeit aber auch den Wunsch bewies, nicht zu viel Wert auf das Ritual zu legen.

Nun könnte er mit einer Reform der päpstlichen Bestattungen dieses offensichtliche Ärgernis vertuschen, indem er zeigt, daß er letztlich das getan hat, was er getan hat, weil er wollte, daß alle Päpste als "Diener der Diener Gottes“ und nicht mit voller Würde und Ehrungen behandelt werden. Wenn das passiert, wird jeder, der auch nur im Geringsten gegen eine solche Reform ist, weggefegt, umgesiedelt oder ohne Amt zurückgelassen. Und die Erklärungen, die Riten nicht ändern zu wollen, um einige tiefgreifende Bedeutungen beizubehalten, die die Kirche über Jahrtausende aufgebaut hat, werden wertlos sein

So kehrt Papst Franziskus körperlich gebrochen aus dem Krankenhaus zurück, ist aber entschlossen, seinen Gedanken Geltung zu verschaffen. Es wird ein Vorher und Nachher für sein Pontifikat geben; Daran besteht kein Zweifel. Die Konsequenzen dieser Maßnahmen jedoch müssen alle erwogen werden."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at theVatican

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