Diese Frage hat sich Andrea Gagliarducci gestern in seiner Kolumne bei Monday at the Vatican gestellt. Hier geht s zum Original: klicken
"PAPST FRANZISKUS, FINDET EIN PRAGMATISCHES SCHISMA STATT? "
Schon 2017 beleuchtete die italienische website Campari De Maistre die Möglichkeit eines Schismas. Sie stellte jedoch fest, daß die Gefahr eines Spaltung nicht in Deutschland zu finden sei, trotz all des Drucks der bereits von der deutschen Kirche ausgeübt wird. Statt dessen sollten wir auf die Gefahr schauen, die aus Süd-Amerika kommt.
Latein-Amerika - argumentiert der Artikel-durchlebt eine sozio-politische Evolution, in der eine homogene terrritoriale Gründung in einen potentiell schismatischen theologischen Diskurs übersetzt wird.
Heute scheint diese Argumentationslinie über das Schisma der Latein-Amerikanischen Kirche auf dramatische Weise wichtig. Das kam mir plötzlich in den Sinn, als ich den unglaublichen Aktivismus des von Kardinal Victor Manuel Fernandez geleitetet Dicasteriums für die Glaubenslehre überdachte.
Das jüngste Dokument des Dicasteriums ist Fiducia Supplicans. In 4 Punkten. mit - wie immer-Zitaten aus dem Lehramt von Papst Franziskus , aber nur selten mit Zitaten der Kirchenväter- erklimmt das Dokument felsiges Gelände: die Segnung irregulärer Paare, ob geschieden und wiederverheiratet oder gleichgeschlechtlich.
Die Schluss-Argumentation ist - nein ,man kann nur eine Ehe segnen, und nein-nur eine Verbindung zwischen Mann und Frau, offen für das Leben, wird von der Katholischen Kirche akzeptiert. Individuelle Segnungen sind jedoch erlaubt, weil -wer immer um einen Segen bittet, -um Gottes Gnade bittet. Es ist nicht die Verbindung, die gesegnet wird, sondern die Menschen, auch Menschen im Zustand der Sünde.
All das entspricht natürlich normalem Denken. Wie üblich bestand der gesunde Menschenverstand darin, die öffentliche Segnung anderer Verbindungen als der Ehe zu vermeiden, einige Grenzsituationen privat zu bewältigen und die Entscheidung darüber, was zu tun und wie es zu tun ist, dem Urteilsvermögen des Priesters zu überlassen. Schließlich wurde davon ausgegangen, daß der Priester nach der richtigen Lehre und dem richtigen Gewissen handeln und dem Glaubensgut treu bleiben würde, ohne zu versäumen, jede problematische Situation zu begleiten.
Der Text des Glaubens-Dicasteriuns wurde mit unklaren Argumenten verfasst. Wie die der französische Dominikaner Thomas Michelet sagte, “Es fehlt ihm an Präzision.” Da kommt nie das Wort "Umkehr" vor, in dem Text kommt nie eine Beschreibung davon vor, was Sünde ist. Am Ende ist darin kein Hinweis auf eine Christliche Berufung. Für diese Berufung versuchen wir -gemäss der spezifischen Kriterien - genannt Doktrin- zu leben. Es ist diese Berufung, die die Möglichkeit der Sünde beleuchtet. Wegen dieser Berufung gehen wir zur Beichte.
Die Tatsache jedoch, daß es dem Text an Genauigkeit fehlt, liegt genau in der unterschiedlichen Mentalität zwischen klassischer und latein-amerikanischer Theologie.
Hier gibt es zwei unterschiedliche Zugangsweisen, die zweite, sicher pragmatischere, beruht weniger auf philosophischem Denken. So sehr, daß die von der Latein-amerikanischen Kirche verwendeten philosophischen Ideen immer von der Westlichen Welt geliehen wurden. Befreiungs-Theologie z.B. wurde auf Grund marxistischer Kategorien geboren, die lateinamerikanische Theologen in Europa gelernt hatten (Boff studierte in Deutschland, Gutierrez in Frankreich.)
Papst Franziskus brachte seine Mentalität in die Leitung der Katholischen Kirche mit.
Von Anfang an änderte Papst Franziskus einen populistischen Zugang (das Bild des Hirten unter den Menschen, der für sein Hotel bezahlt, selbst nachdem er Papst wurde, der seine Aktentasche selbst ins Flugzeug trägt, der ein silbernes Kreuz und kein goldenes benutzt.) mit der Sehnsucht, Themen ins Zentrum der Kirche zu bringen, die von Latein-Amerika unterschätzt wurden.
"Von der Peripherie aus kann man das Zentrum am besten sehen" hat Papst Franziskus oft gesagt. Auf diese Weise - behauptete er, daß es eine Welt gäbe, die nicht nicht verstanden sondern auch vernachlässigt wurde und daß es Rom war, das nicht verstanden hat. In anderen Fällen hat Papst Franziskus unterstrichen, daß die Lateinamerikanische Theologie oft aufgerufen ist, "Quelle der Theologie" zu sein und das ist auch eine Behauptung, weil das theologische Denken nicht nur aufgerufen ist, sich zu entwickeln, sondern auch ein Beispiel zu sein.
In diesem Pontifikat hat der Papst eine Art Kulturrevolution gestartet, die auf Pragmatismus beruht, wie von der letzten Reform in der Päpstlichen Akademie der Theologie , in der klar gesagt wird, daß man keine Angst haben sollte, Kategorien von anderen Disziplinen auszuleihen. Mit folgenden Schritten - begann der Papst Multidisziplinarität zu fordern und einen Zugang zur menschlichen Person, der nicht auf bestimmte Prinzipien beschränkt ist, sondern offen für soziale Forderungen- Papst Franziskus hat so die Latein-Amerikanische Idee ins Zentrum der Kirche gebracht.
Papst Franziskus hat nicht nur Lateinamerikanische kulturelle Beziehungen. Ja, im allgemeinen scheint es so, daß der Papst in seinen intellektuellen Wurzeln überinterpretiert. Er ist auch Jesuit, der seine Doktorarbeit nie beendet hat, der von einem technischen Studium kommt, und der -in jedem Fall, eine komplizierte Realität vertritt, in der Handeln vor der Vision kommt.
Er sollte nicht unterschätzt werden.
Bisher harmonierte die Vision des Papstes jedoch mit einer anderen institutionellen Vision der Kirche, die mit Geschichte und Traditionen verbunden war, oder trat zumindest in einen Dialog mit ihr. Papst Franziskus hatte etwas geändert, das ihn persönlich betraf, etwa das Protokoll für den Empfang geschiedener und wiederverheirateter Staatsoberhäupter oder seit Beginn seines Pontifikats seine Weigerung, die rote Mozzetta zu tragen, die seit jeher Teil der päpstlichen Kleidung war Gewandung, die fälschlicherweise mit einem Symbol weltlicher Macht in Verbindung gebracht wurde.
Nach zehn Jahren Pontifikat ist der Generationswechsel jedoch beendet. Auch mit dem Tod Benedikts XVI. ging eine Ära zu Ende. So holte Papst Franziskus Victor Manuel Fernandez von der Peripherie in die Mitte, ernannte ihn zum Kardinal und setzte ihn an die Spitze des Dikasteriums für die Glaubenslehre und legte schwarz auf weiß fest, daß einige Methoden, die das Dikasterium früher anwandte, nicht länger gebraucht werden sollten.
Nicht nur hat sich Papst Franziskus an der Kurie gerächt, die seiner Wahl von Fernandez als Rektor der Katholischen Universität nicht zugestimmt hatte, sondern er hat auch die Notwendigkeit betont, mit der Geschichte zu brechen, außer daß man auf die gegenwärtige auch mit einem Vorurteil schauen kann.
Seit seiner Ankunft hat Fernandez die lateinamerikanische Lesart der kirchlichen Situation mitgebracht. Er hat das mit den häufig veröffentlichten Responsa ad dubia getan, auf Fragen geantwortet, die offensichtlich erschienen, weil er - im Allgemeinen- immer alles der Differenzierung der Bischöfe und Priester überlassen.
Man kann auch eine Tour durch die Gemeinden machen: die Fälle, in denen allein erziehenden Müttern die Kommunion verweigert wurde, sind sehr selten und Teil einer besonderen Lage, weil nie daran gedacht wurde, die Kommunion einfach nur zu verweigern, weil die Lage schwierig war; Segnungen sind niemals irgendwem verweigert worden, Rigidität des Denkens ist nie ein wirklich diskriminierender Faktor gewesen und es muss gesagt werden, daß es die Gläubigen mehr besorgt waren als die Hirten. Dann gibt es die besonderen Fälle und Missbräuche- Und diese Situationen betreffen allerdings nicht das allgemeine Bild der Geschichte.
Denn früher war eine Antwort nicht nötig, weil diese Fragen einer typischen Mentalität und einer gemeinsamen Sprache entsprachen. Aber was wir jetzt versuchen, ist, die Sprache zu ändern und damit auch das Wesen der Kirche. Es wird ein Weltbild aufgezwungen, während der Papst allen Gegnern dieses neuen Weltbildes Rückständigkeit vorwirft und den Traditionalisten sogar das Leben schwer macht.
Wir haben uns oft gefragt, warum viele der Entscheidungen des Papstes, obwohl sie logisch und nicht einmal allzu verheerend waren, zumindest in der Wahrnehmung der Menschen so katastrophale Auswirkungen hatten. Und die Antwort liegt genau in der Sprache, in der aufgezwungenen Vision der Welt. Nicht die Tatsache, sondern die Weltanschauung bestimmt die Angst um die Zukunft der Kirche unter Papst Franziskus.
Es handelt sich nicht um Anti-Papsttum, sondern um das Unverständnis des besonderen Neids, der jedes Mal wahrgenommen wird, wenn der Papst Situationen beschreibt, die er nicht teilt. Und die Beschreibungen sind manchmal unfair, weil sie von den Vorurteilen der Peripherie genährt werden, die sich ausgegrenzt fühlt. Dadurch wird eine Spaltung bestätigt, die in Lateinamerika entstandene praktische Spaltung in die Mitte der Kirche gerückt. Es handelt sich um eine Spaltung, die aus einer populären und populistischen Vision entsteht, aus der Notwendigkeit, auf eine Gesellschaft zu reagieren, die ohne philosophische Struktur, mit einer neokolonialen und gleichzeitig kolonisierten Mentalität entstanden ist.
Es ist eine Revolte derer, die sich wie Sklaven gefühlt haben und jetzt Entscheidungen treffen. dürfen. Allerdings haben sie ihre kulturelle Ebene nicht angehoben und keine neue Sprache gelernt. Sie verlangen, da sich die Institutionen an ihre Sprache gewöhnen.
Außer dass eine Sprache Tiefe braucht, um wahrgenommen und erlebt werden zu können Sie braucht Geschichte; sie muss durch Substanz unterfüttert werden. Das ist weder eine abstrakte Idee noch eine Theorie sondern lebt in der Kirchengeschichte. Man wird sagen, daß die Sprache des Papstes konkret , während die der Kirche abstrakt ist. Ich finde, es ist genau das Gegenteil.
Die Texte des Papstes und Fernandez´ Antworten sind voller idiomatischer Ausdrücke, die erklärt werden müssten, manchmal sogar die vagen. Darüber hinaus hat Papst Franziskus einen echten ideologischen Kampf gegen Neognostizismus und Neopelagianismus geführt, obwohl die Art und Weise, wie er diese Rückkehr zu alten Häresien erklärt, völlig persönlich ist. In einigen Fällen werden die Themen aus dem Kontext gerissen, etwa wenn der Papst von spiritueller Weltlichkeit spricht.
Fragen zur intellektuellen Debatte? Vielleicht. Aber wenn der Papst spricht, kann die intellektuelle Diskussion nicht ignoriert werden. Die Sprache des Papstes signalisiert keine neue Art, die Welt zu beschreiben. Dennoch ist die Durchsetzung einer anderen Vision, die in den letzten Jahren vielleicht vernachlässigt wurde, sicherlich nicht von zentraler Bedeutung für das Verständnis der Themen der Kirche.
Bisher gab es diese praktische Spaltung nur in Lateinamerika, aber jetzt ist sie ins Herz der Kirche vorgedrungen. Der von Papst Franziskus gewünschte Zustand einer ständigen Synode schürt Verwirrung, weil einerseits jeder meint, er habe das Recht, gehört zu werden, andererseits aber die Kirche eine einheitliche Zielsetzung braucht. Tatsache ist, dass diese Einheit nicht bestehen kann, wenn die Sprache so plötzlich und fast brutal verändert wird.
Das sind alles Themen, über die man mit Gelassenheit nachdenken muss, wobei auch versucht wird, das Gute aus diesem Ansatz des Papstes zu ziehen, ohne jedoch zu leugnen, dass es Probleme gibt.
Nach Fiducia Supplicans dokumentierte die New York Times sofort, wie Pater James Martin ein schwules Paar segnete, der dann einen Artikel veröffentlichte, in dem er die Offenheit der Kirche lobte und seine Ehe dokumentiert. Und so ging sogar der Kampf auf der Bischofssynode irgendwie verloren, wo die Synodenväter jegliche Bezugnahme auf LGBTQ+-Paare strichen, um katholischer über "sexuelle Orientierung“ zu sprechen.
Kurz gesagt, der Sprachwandel ermöglicht auch die Aufrechterhaltung einer Ideologie, die das Selbstverständnis der Kirche verändern will. Aber die Kirche ist nicht das Vorurteil, über das berichtet wird. Die Kirche war noch nie so weit, wie es scheint. Die Kirche war nie nur Trägerin von Vorurteilen. Und es ist auffällig, daß innerhalb der Kirche Vorurteile als Tatsache akzeptiert werden und daran gearbeitet wird, sie abzuschütteln, indem man nicht die Wahrheit, sondern die Öffentlichkeit nutzt.
Oder, wie der Papst sagen würde, indem man ein Opfer „auf dem Altar der Heuchelei“ darbringt."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican
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