Wie wir wissen, sind die Päpste unter bestimmten Bedingungen unfehlbar. Laut dem II. Vaticanischen Konzil ist der Römische Pontifex unfehlbar, wenn er "als oberster Hirte und Lehrer aller Gläubigen, der seine Brüder im Glauben bestärkt, durch bestimmte Handlungen eine Lehre oder Glaubens- oder Moral- Doktrin. Aber welcher Teil der päpstlichen Lehre fällt nicht unter diese Bedin- gungen? Mit anderen Worten, was ist mit der nicht-autoritären Lehre des authentischen päpstlichen Lehramtes?
Ich habe an anderer Stelle argumentiert, daß eine solche Lehre nicht unfehl- bar ist und also gelegentlich Irrtümer in Dingen des Glaubens und der Moral beinhalten kann. Aber was würde das bedeuten? Manche Theologen haben die These vorgebracht, daß der Heilige Geist -auch wenn er nicht definitive (oder auch nur authentische) päpstliche Lehre vor allen Arten von Irrtümern beschützt ( die dann nicht unfehlbar wahr wären), er ihn doch daran, hindert, irgendetwas zu tun, das zu akzeptieren für die Seelen schädlich wäre (daher wäre das unfehlbar sicher). Mit anderen Worten - der Papst kann gemäß der "unfehlbar sicheren" These in seinem nicht-unfehlbaren Lehramt einige Irrtümer lehren, aber keine gefährlichen.
Was würde durch diese Sichtweise ausgeschlossen? Sicher wären Häresien in Fragen der Lehre ausserhalb der Unfehlbarkeitslehre außer Frage. Dann wäre kein Papst je in der Lage eine Häresie zu lehren, die gefährlichste Form des Irrtums. Anhänger dieser Sichtweise könnten zugeben, daß ein Papst persön- lich an eine Ketzerei glauben kann, oder sie als privater Theologe sogar lehren kann, aber sie würden notwendigerweise verneinen, da er in seinem authentischen Lehramt je eine Häresie lehren könnte.
Was sonst? Jede Lehre, die einer vorbestehenden unfehlbar gelehrten Katho- lischen Doktrin widerspricht, wäre ebenso ausgeschlossen, weil es für einen Katholiken nie sicher sein könne, eine Doktrin zu leugnen, die er zuvor akzep- tieren musste.
Was kann zugunsten dieses Gesichtspunktes gesagt werden?
Erstens sollten wir zugeben, daß die unfehlbare Sicherheitsthese als Argument der Angemessenheit zunächst Anklang findet und plausibel ist. Es würde den
Katholiken sicherlich das Leben erleichtern, wenn wir einfach alles akzeptieren
könnten, was jeder Papst lehrt, ohne Angst vor gefährlichen Fehlern haben zu
müssen. Und wenn der Papst der Fels des Glaubens und das Zentrum der Ein-
heit der Kirche sein soll, warum sollte Gott ihn dann nicht mehr ins ^^einer Lehre
vor noch mehr Irrtümern bewahren? Wäre es nicht besser, wenn die Päpste ^mehr
unfehlbar wären als weniger?
Wenn wir jedoch in den Dokumenten des Lehramtes nach Belegen für diese These suchen, finden wir nicht viel. Allerdings sprach Papst Johannes Paul II. von einem
Charisma der göttlichen Hilfe, das sich über die unfehlbare Lehre des Papstes
hinaus auf sein gesamtes Lehramt erstreckt. In einer Generalaudienz am 24. März
1993 sagte er: "Neben dieser Unfehlbarkeit der Ex-cathedra-Definitionen gibt es
das Charisma des Beistands des Heiligen Geistes, der Petrus und seinen Nach-
folgern versprochen wurde, damit sie in Fragen des Glaubens und der Moral keinen
Fehler machen.“ Das wirft vielmehr ein großes Licht auf das christliche Volk.
Dieses Charisma ist nicht auf Ausnahmefälle beschränkt, sondern umfasst in
unterschiedlichem Maße die gesamte Ausübung des Lehramtes.
Allerdings macht Johannes Paul II. in derselben Generalaudienz auch deutlich,
daß er dieses Charisma nicht als eine Art Unfehlbarkeit verstehen will, denn er
sagt ausdrücklich, daß der Papst „nur dann unfehlbar ist, wenn er ex cathedra
spricht“ Wenn der Unterschied zwischen definitiver und nicht-definitiver päpst-
licher Lehre lediglich in einer Unterscheidung zwischen Arten der Unfehlbarkeit
bestünde (d. h. "unfehlbar wahr“ vs. "unfehlbar sicher“), wäre es seltsam, wenn
Lehren vermeintlich unfehlbar sicher“ wären ohne jede Einschränkung einfach als
"nicht unfehlbar“ beschrieben werden. Doch so beschrieb es Papst Johannes Paul II.
in einer Ansprache an die Bischöfe der Vereinigten Staaten: "Die unfehlbaren Aus-
drucksformen des authentischen Lehramtes der Kirche sollten mit religiöser Un-
terwerfung des Geistes und Willens angenommen werden.“ Auch in den offiziellen
Notizen der Theologischen Kommission des Zweiten Vatikanischen Konzils wird
der Begriff "nicht unfehlbar“ ohne Einschränkung verwendet, um diese Art von
Lehre zu beschreiben.
Die Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre Donum Veritatis ist
ein weiterer lehramtlicher Text, der von einem "göttlichen Beistand“ spricht, der
"lehramtliche Entscheidungen in Fragen der Disziplin“ leiten soll, auch wenn sie
nicht durch das Charisma der Unfehlbarkeit garantiert sind " Ein solcher Text ist
jedoch alles andere als schlüssig, weil er leicht als Behauptung einer besonderen
Gnade verstanden werden kann, die die Kirche eher vor häufigen Fehlern bei der
Ausübung des authentischen Lehramts als vor gefährlichen Fehlern schützt. Wie
Donum Veritatis selbst weiter sagt: "Es widerspräche der Wahrheit, wenn man
ausgehend von einigen Einzelfällen zu dem Schluss käme, daß das Lehramt der
Kirche sich in seinen klugen Urteilen ständig irren kann oder daß< es sich nicht der
Göttlichkeit Unterstützung bei der ganzheitlichen Ausübung seiner Mission erfreut.“
Schließlich gibt es Unterstützung für die unfehlbare Sicherheitsthese in der theo-
logischen Tradition, die auf so bedeutende Theologen wie Johann Franzelin und
Louis Billot im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zurückgeht. Obwohl sie gute
Scholastiker waren, würden sie sicherlich darauf bestehen, daß die Argumente für
und gegen die These anhand ihrer eigenen Verdienste bewertet werden und nicht
unter Berufung auf ihre Autorität als Theologen.
Widersprüche gegen die Idee der "unfehlbaren Sicherheit"
Was finden wir heraus, wenn wir die Argumente untersuchen Es gibt
eine Anzahl von ernsthaften EInwänden gegen diese These, die ich über-
zeugend finde (oder sogar schlüssig).
Erstens postuliert die These zwangsläufig eine Unterscheidung zwischen
Fehlern, deren Annahme gefährlich ist, und Fehlern, deren Annahme sicher ist.
Aber wie kann man in Fragen des Glaubens und der Moral überhaupt Fehler
begehen? Daß einige Fehler gefährlicher sind als andere, lässt sich leicht zu-
geben, aber daß einige Fehler sicher sind? Das ist schwer zu akzeptieren.
Vermutlich liegt der Grund dafür, dass sich Päpste und Konzilien in vergan-
genen Jahrhunderten die Mühe gemacht haben, Vorschläge, die nicht ketzerisch
waren, sondern lediglich "für fromme Ohren beleidigend“, "bösartig klingend“,
"geheimnisvoll“ usw. waren, feierlich zu verurteilen, darin, daß sie glaubte, daß
selbst solche geringfügigen Abweichungen von der korrekten Lehre eine Gefahr
für die Gläubigen darstellten.
Zweitens ist es überhaupt nicht einfach, die Idee der unfehlbaren Sicherheit mit
dem historischen Fall von Papst Honorius (reg. 625–638) in Einklang zu bringen,
der von einer ganzen Reihe ökumenischer Konzilien (Konstantinopel III., Nicäa II.
Konstantinopel IV.), dessen Taten, einschließlich der Verurteilung von
Honorius als Ketzer, von späteren Päpsten bestätigt und ratifiziert wurden. Dies
stellt ein echtes Dilemma oder sogar ein Trilemma für die unfehlbare Sicherheits-
these dar."
Fortsetzung folgt...
Quelle: Dr. J.Joy. LNBQ |
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