Freitag, 26. Januar 2024

Wie soll man Fiducia supplicans lesen?

Fr. Thomas Michelet OP kommentiert für die revue thomiste -wohlwollender als viele andere -die Erklärung Fiducia Supplicans und die Verwirrung und den Medien-Hype die sie ausgelöst hat. 
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        "DARF MAN FIDUCIA SUPPLICANS SEGNEN ?"

Die Erklärung "Fiducia Supplicans" vom 18. Dezember 2023 hat starke Emotionen ausgelöst. Der erste Artikel (Emmanuel Perrier, "Fiducia Supplicans angesichts des Glaubens") nannte dafür die wesentlichen Gründe hinsichtlich der Bedeutung des Glaubens. In diesem zweiten Artikel vertiefen wir die Analyse, indem wir die mögliche doppelte Lesart des Dokuments und die Option aufzeigen,die ergriffen werden muss.

Seit einigen Wochen erschüttert ein Sturm die Katholische Welt, der Weihnachten hätte enden sollen. .

Am 18. Dezember hat das Dicasterium für die Glaubensdoktrin die Erklärung "Fiducia supplicans" veröffentlicht, durch die die "Möglichkeit Paare in irregulären Situationen leben und gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, etabliert wurde, ohne offiziell ihren Status zu werten noch ihn gemäss der immerwährenden Lehre der Kirche zur Ehe zu ändern."

Sofort hat die Medienwelt, die nicht auf einen solchen Glücksfall gehofft hatte, sich ihrer bemächtigt und verbreitete weithin die Nachricht, daß die Kirche endlich die Legitimität der von ihr gesegneten homosexuellen Paare anerkenne, während sie darauf wartete, eines Tages ihre Ehe entsprechend dem unvermeidlichen Fortschritt anzuerkennen. Man kann nicht argumentieren, daß der Text das Gegenteil besagte, daß er liturgische Segnungen verbietet, weil sie einer Ehe ähneln oder sich auf sie beziehen könnten, weil das Sakrament nur einen Mann und eine Frau vereinen kann. Es war nichts damit, aber der Grund wurde verstanden. Die Nachricht nahm alsbald ihren Lauf und versetzte das christliche Volk in Aufruhr.

Sehr schnell vervielfältigten sich die Erklärungen der Bischöfe, der Kardinäle und der Bischofskonferenzen. Einige lobten den Text und bedauerten manchmal, daß er nicht weiter geht oder sahen darin einen ersten Schritt hin auf eine Ehe gleichgeschlechtlicher Personen, die immer noch ihr Wunsch ist. Andere-zweifellos zahlreicher-, die sich öffentlich äußerten, weigerten sich höflich, sie umzusetzen - im Namen der pastoralen Vorsicht und ihres Kontextes- während sie sie nicht des Widerspruchs, der Häresie oder der Blasphemie beschuldigten. Es ist lange her, daß die Kirche eine solche Krise erlebte, auch wenn es noch ein weiter Weg von der Revolte zum Schisma ist.

Die Erklärung präsentiert sich selbst als selbstgenügsam, aber angesichts solcher Reaktionen, die nicht unvorhersehbar waren und offensichtlich vorher gesehen wurden, musste der Präfekt sich selbst erklären, zuerst in der Presse und dann in einem offiziellen Communiqué des Dicasteriums. Die Vorwürfe der Heterodoxie wurden schnell fallen gelassen,weil Fiducia Supplicans unmissverständlich die katholische Ehelehre und ihre Unvereinbarkeit mit den liturgischen Segnungen von "Paaren in irregulären Situationen" bekräftig, wie die Glaubenskongregation in einem früheren Dokument bestätigt hatte. Laut des Communiqués besteht das Novum nicht darin, sie zu segnen oder eine neue Form des Segens für sie zu schaffen, sondern klarer als bisher zwischen zwei bereits bestehenden Formen des Segens zu unterscheiden, einerseits dem "liturgischen oder ritualisierten“.und dem "spontanen oder pastoralen “ andererseits. Ein Lehrfortschritt, aus dem rechtliche und pastorale Konsequenzen gezogen werden können. Das Segnungsverbot für irreguläre Paare galt nur für die erste Form, und das bleibt bestehen; Allerdings wurde die zweite Form nicht berücksichtigt, die weiterhin zur Segnung von Paaren ohne Segensgemeinschaften zur Verfügung steht.


Die Erklärung ist keineswegs entsetzlich, scheint aber die Verwirrung vieler Gläubiger und Pfarrer noch verstärkt zu haben, die noch tiefer in Abgründe der Ratlosigkeit stürzen. Daher ist es sinnvoll, unseren Beitrag zu leisten und zu versuchen, zumindest einige der schwierigen Punkte entsprechend der Aufforderung des Kommuniqués zu klären: "Die verständlichen Erklärungen einiger Bischofskonferenzen zum Dokument Fiducia supplicans haben das Verdienst, die Notwendigkeit “einer längeren Zeit der pastoralen Reflexion“ hervorzuheben; "Jenseits der Polemik fordert dieser Text eine Anstrengung gelassener Reflexion, mit dem Herzen eines Hirten, frei von jeglicher Ideologie.“

1. Prinzip der interpretierenden Nächstenliebe

Könnte die schlechte Rezeption des Textes auf seine inneren Mängel zurückzuführen sein? Mehrere Bischöfe beklagten die Unklarheit, die Ungenauigkeiten und sogar die Widersprüche des Textes. Alles Dinge, die wir dann hätten beheben können, wenn wir mehr Theologen, Experten und Mitglieder der Kurie konsultiert hätten, wie wir es normalerweise tun müssen, und die wir umso mehr zu Recht von einer Kirche erwarten können, die Synodalität will. Oder sollten externe Gründe angeführt werden? Die Medien folgten ihren analytischen Rastern in der Logik der Welt und führten sogar die Gläubigen zu einem Vorverständnis des Textes, das nicht das richtige war. Ist die Verwirrung in beiden Fällen auf einen Kommunikationsfehler oder auf Hintergedanken zurückzuführen?

Im Namen des Prinzips der interpretativen Nächstenliebe sollten wir einem Redner, wenn er sich selbst zu widersprechen scheint, Anerkennung dafür zollen, dass er kein Dummkopf ist und nach einer wohlwollenden Interpretation suchen, an deren Ende seine Worte kohärent erscheinen. Da der Verfasser der Erklärung ebenfalls bekräftigt, "daß es keinen Raum gibt, sich doktrinär von dieser Erklärung zu distanzieren oder sie für ketzerisch, im Widerspruch zur Tradition der Kirche oder blasphemisch zu halten“, ist es barmherzig, an der orthodoxen Linie als die richtige festzuhalten und jedes ihm widersprechende Verständnis des Textes strikt als falsch und gefährlich zurück zu weisen. Nicht durch wissenschaftliche Beobachtung, sondern durch eine hermeneutische Entscheidung.

Darüber hinaus ist es ein ständiger Grundsatz bei der Auslegung des Lehramts, daß es im Licht des vorherigen Lehramts und im weiteren Sinne des katholischen Glaubens, den es zu lehren hat, gelesen werden muss. Wer dieses Prinzip der Kontinuität ablehnt, um eine Hermeneutik der Ruptur anzuwenden, und sei es auch nur, um das anzuprangern, würde sich damit von der Tradition, die es trägt, abschneiden und in eine Art performativen Widerspruch geraten. Wir sollten daher weder eine perverse Absicht seitens des Autors vorwegnehmen, noch ihn beschuldigen, ein doppeltes Spiel zu spielen, obwohl der Text von einem Ende zum anderen im doppelten Sinne gelesen werden kann, was den Verdacht auf eine versteckte Absicht aufkommen lässt. Zumindest können wir es bedauern, an seiner Stelle diese Aufklärungsarbeit leisten zu müssen, um die Bombe zu entschärfen, die der Text möglicherweise enthält, ohne daß wir bestätigen können, daß der Autor sie dort platzieren wollte

2. Den Sünder segnen, ohne die Sünde zu segnen?

Gott liebt den Sünder, hasst aber seine Sünde. Das widerspricht sich nicht, weil sich der Sünder nicht mit seiner Sünde identifiziert, die in seiner Entstellung besteht. Die Liebe des Sünders schlägt sich daher im Hass auf die Sünde nieder, von der Gott ihn befreien will, wie der gute Arzt, der die Krankheit bekämpft, um den Kranken zu retten, weshalb er die Kirche gegründet hat. Auf die gleiche Weise segnet Gott den Sünder, ohne jemals seine Sünde zu segnen. Eine klare Unterscheidung, an die sich der Papst erinnerte, als er während seines Treffens mit dem Klerus von Rom eine Frage zur Deklaration Fiducia supplicans beantwortete.

Die Erklärung hielt es nicht von vornherein für notwendig, eine solche Unterscheidung zu treffen, und das ist bedauerlich, sondern beharrt lieber darauf, daß Gott dem Sünder auch in einer Situation der Sünde seine bedingungslose Liebe, seine Gaben und seinen Segen erweist, ohne jemals anzugeben, ob er gleichzeitig die Sünde segnet. Zu diesem Punkt bringt das Kommuniqué kein Licht ins Dunkel.

Aber zu segnen bedeutet, „gute Dinge zu sagen“ (bene-dicere). Wir können daher nur das Gute segnen, aber niemals das Böse. Andernfalls liefe es darauf hinaus, zu sagen, daß etwas Schlechtes gut sei. Während Gott am Anfang das Licht von der Finsternis trennte (Gen 1,4), wurden die "Söhne des Lichts“ (Joh 12,36) dann zu den Kindern des "Vaters der Lügen“, eines Lügners von Anfang an (Joh 8).

Nicht nur kann Böses niemals gesegnet werden, man sollte auch nicht denken, dass das irgendwie getan werden kann. Weil das Quelle für einen grossen Skandal wäre. Und "wehe dem Mann, durch den ein Skandal kommt"(Mt. 18:7). Ein Skandal soll nicht auf einer subjektiven oder soziologischen Ebene (die die Menschen schockiert) beurteilt werden, aber auf einer objektiven, klinischen Ebene (die einen im Glauben stürzen lässt, wie ein Stein auf der Strasse): "Wenn einer auch nur einen dieser Kleinen die an mich glauben, zur Sünde verführt, wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres geworfen würde" (Mt, 18: 6)

So ein Skandal würde unausweichlich entstehen, wenn die Kirche den Sünder segnen würde, indem sie andeutete, dass sie seine Sünde segnet, weil der Gläubige dann dazu neigen würde, zu verstehen, dass sie was schlecht ist, "gut" nennt und daß Sünde nicht länger eine Sünde ist. Das liegt nicht nur in der Absicht des Geistlichen, der zumindest in der Theorie das eine wollen kann-ohne das andere, mit der Schwierigkeit das in der Praxis zu erklären, besonders im Kontext eines "spontanen Segnens", das nur einige Sekunden dauern soll. Aber es muss auch von den Betroffenen anerkannt werden, die nicht immer die Absicht des Geistlichen, oder die Bedeutung der Geste erkennen, die zu kryptisch ist; einige bevorzugen die Zweideutigkeit und behaupten dann, daß die Kirche sie durch das Segnen ihrer Sünde gesegnet hat, und so ihre irreguläre Situation regulär gemacht hat. Weit davon entfernt, bei ihrer Umkehr zu helfen, würde das nur dazu führen, daß sie und ihre Umgebung im Glauben fehlten. Schliesslich wird der Skandal beim Gottesvolk gemessen, das nicht immer diese Feinheiten versteht, oder durch soziale Netzwerke mitgerissen wird, mit dem Risiko zu glauben, daß der Glaube nicht mehr das ist, was er einmal war, oder daß das Lehramt aufgehört hat, ihn zu verteidigen.

Der Autor der Erklärung kann nicht beschuldigt werden, diese Unterscheidung zwischen dem Sünder und der Sünde absichtlich zu verschleiern oder zu beabsichtigen durch ein solches Versäumnis einen Skandal auszulösen. Andererseits muss - weil das Dicasterium behauptet im Dienste der Lehre des Hl. Vaters zustehen und weil der Hl. Vater selbst diese Klarstellung im Hinblick darauf vorgenommen hat, daß der Sünder gesegnet werden sollte, ohne die Sünde zu segnen, dieses Dokument von jetzt an im Licht dieser einfachen Unterscheidung interpretiert werden und das mit größter Kraft zurückgewiesen werden, was in die entgegengesetzte Richtung geht.

Es ist unglücklich, daß "um jede Form von Verwirrung oder Skandal zu vermeiden" (FS 39) die Erklärung sich selbst darauf beschränkt hat, einige als ausreichend dargestellte Mindestregeln der Vorsicht anzugeben, ohne andere anzunehmen (FS 41). Vor allem, wenn man nur den Eindruck erwecken wollte, man widerspreche sich mit einer Pressemitteilung, die tatsächlich zusätzliche Klarstellungen liefert, ohne alle berechtigten Fragen beantwortet zu haben. Ebenso scheint die Erklärung die Bischofskonferenzen zu umgehen, indem sie ihrerseits die Möglichkeit anderer Regeln, Normen oder Verfahren ausschloss (FS 30 und 37) und sich direkt an das pastorale Urteil der Priester richtet (FS 35 bis 37), entweder im Widerspruch zur Ekklesiologie von Lumen Gentium hinsichtlich der Autorität des Episkopats (LG 21) oder eher auf einer vorkonziliaren Linie. Dies kann in einer Kirche, die ansonsten behauptet, synodal zu sein, beunruhigend sein. Eine solche Lesart ist jedoch nicht erforderlich, weil das Kommuniqué die Legitimität der Bischofskonferenzen anerkennt, ihren Kontext bei der Anwendung des Dokuments zu berücksichtigen, was zu zusätzlichen Regeln der Umsicht und Unterscheidung führen wird." (...)
Fortsetzung folgt..

Quelle: Fr. T. Michelet, revue thomiste  

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