Sonntag, 10. März 2024

Benedikt XVI: Letzte Schriften

Ryan Patrick Budd bespricht bei kirkcenter org. das Buch "Was ist das Christentum? Die letzten Schriften" von Papst Benedikt XVI. und gibt sich als einer der Konvertiten zu erkennen, die "zu Füßen Benedikts XVI aufgewachsen sind." Hier geht´s zum Original:  klicken

"EIN ALTER MANN,  EINGEHÜLLT IN EINEN MANTEL"

"Am Tiefpunkt seines Lebens - als alles in Trümmer fiel, wußte König Saulus von Israel, wen er wirklich sehen wollte. Solange er lebte, hatte er ihm nie zugehört. Aber  in wirklich großer Not suchte Saul den Propheten Samuel auf, indem er auf ein Medium zurückgriff (1. Sam 28,3–25):

 Sie sagte: "Ein alter Mann kommt herauf; eingehüllt in einen Mantel." Und Saul wußte, daß es Samuel war. Er verneigte sich mit dem Gesicht auf die Erde und warf sich vor ihm nieder.

Diese Geschichte, die seit 2500 Jahren Theologen vor ein Rätsel stellt, ruft uns machtvoll das Bedauern vor Augen, das viele von uns wegen der verpaßten Gelegenheiten von der Weisheit der Älteren zu profitieren, fühlen.

Glücklicherweise müssen wir uns nicht in Totenbeschwörung üben, um Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI, zu haben, der aus dem Grab zu uns spricht. Dieser kleine "alte Mann, eingewickelt in einen Mantel" wird vielleicht eines Tages als das Gewissen eines Jahrhunderts betrachtet werden. Dieser kostbare Band mit dem Titel "Was ist Christentum. Die Letzten Schriften" -ist eine Sammlung der Schriften des alternden Ratzingers in seiner Zurückgezogenheit im Kloster MaterEcclesiae.

Die Inhalte von "Was ist Christentum?" entziehen sich einer genauen Beschreibung. Kapitel 1besteht aus zwei Arbeiten und betrifft die grundlegendsten Fragen: Wie Liebe die Missions-Arbeit und das wahre Konzept von Religion motivieren muß. In Kapitel 2 diskutiert Benedikt Toleranz, Dialog mit dem Islam und die Christliche Liturgie. Kapitel 3 veröffentlicht noch mal Benedikts berühmten (berüchtigten) Essay über Christentum und Judentum, der zuerst in Communio und dann in der Korrespondenz mit Arie Folger, dem damaligen Oberrabbiner von Wien, veröffentlicht wurde. In Kapitel 4 kehrt Benedikt zu drei seiner prominentesten Themen zurück: daß der "Glaube keine Idee ist, sondern Leben", zum Katholischen Priestertum und zur Bedeutung der "Kommunion". Kapitel 5 behandelt den sexuellen Mißbrauchs-Skandal in der Katholischen Kirche. Kapitel 6 ist eine Sammlung verschiedener Aufsätze und Reden.

Wenn es einen erkennbaren roten Faden in dieser Sammlung gibt, ist es "Glaube ist keine Idee sondern Leben." In seinem Essay über die Missions-Arbeit stellt Benedikt direkt die Frage: "Die Frage der Missionsarbeit konfrontiert uns nicht nur mit der fundamentalen Frage nach dem Glauben, sondern auch mit der "Frage was der Mensch isr."

So stellt er sich der zeitgenössischen säkularen "Intoleranz", die darauf abzielt, das auszulöschen, was das essentiell Christliche ist" mit der authentischen Christlichen Idee des Leibes Christi entgegen:

"Der Bund mit Christus ist nicht nur eine Ich-Du-Beziehung, sondern schafft ein neues Wir. Die Kommunion mit Christus führt uns in den Leib Christi ein, mit anderen Worten, in die große Gemeinschaft all jener, die zum Herrn gehören und deshalb erstreckt sie sich über die Grenzen zwischen Tod und Leben hinaus."


In diesem Licht gesehen macht pragmatische Moralität den Menschen "kleiner nicht größer, wenn da nicht länger Raum ist für einen Blick, der auf Gott gerichtet ist". In diesem Sinn notiert er, daß das erste Buch der Könige Salomons religiöse Toleranz "als ein Verlassen der Weisheit und einen Fall in die völlige Torheit der idolatrischen Anbetung" die Idolatrie des Menschen, der sich in sich selbst betrachtet, anstatt sich in Beziehung zu Gott und zu seinem Nächsten zu sehen. In Benedikts Ansicht beantwortet das Christentum beide Imperative indem es das "neue Wir" einer horizontal-vertikalen, menschlich-göttlichen Kommunion formt, das de Grenzen der Zeit und von Leben und Tod überschreitet.

Als Katholik sieht Benedikt diese Kommunion als letztlich im eucharistischen Opfer gefunden an:

Für den Katholischen Glauben an die Eucharistie ist der ganze Prozess von Jesu Hingabe in seinen Tod und die Auferstehung präsent, ein Prozess, ohne den diese Opfer nicht existieren könnten. Leib und Blut sind keine Dinge, die verteilt werden können; eher sind sie die Person Christus selbst, der sich selbst opfert."

Für Benedikt repräsentiert die Konformität dieses Opfers die Fülle des Lebens, die Perfektion des "neuen Wir."

Wo er direkt über die sexuelle Mißbrauchskrise spricht, stellt Benedikt fest, daß die Verinnerlichung dieser Perspektive -als Gegensatz zu ausschließlich institutioneller, gesetz-und -polizei-basierter Initiativen - die einzige wirkliche Antwort auf das Problem ist. Weil-wie er sagt,

"Die Besonderheit der Morallehre der Heiligen Schrift liegt letztlich darin, daß sie im Bild Gottes verankert ist, im Glauben an den einen Gott, der sich in Jesus Christus manifestiert und als Mensch gelebt hat. . . . Glaube ist ein Weg, eine Art zu leben.“

In diesem Sinn beklagt Benedikt Antworten auf die Mißbrauchskrise als fehlgeleitet, die die Kirche letztendlich als menschengemachte und von Menschen beherrschte Realität charakterisiert haben; "Die Krise, die durch die vielen Fälle klerikalen Mißbrauchs bringt uns dazu, die Kirche als einen Fehlschlag zu betrachten, den wir jetzt entschieden in unsere eigenen Hände nehmen und von Grund auf neu entwerfen müssen. Eine Kirche jedoch, die bauen, kann keine Hoffnung anbieten" Noch gesprochen sagt er, daß "die Idee einer besseren Kirche unserer eigenen Schöpfung wirklich ein Vorschlag des Teufels ist ".

Zur Unterstützung dieser umstrittenen These weist er auf die fortwährende Gegenwart von Heiligkeit inmitten der allzu-offensichtlichen Sünde in der Kirche hin. Er antwortet all denen, die sich nur auf die Wirklichkeit der Sünde konzentrieren mit großer Kraft und sagt:" Trägheit ist laut Thomas von Aquin die sündige Angewohnheit, "sich um das geistige Wohl zu sorgen“. Es handelt sich um eine Form der Verzweiflung, bei der spirituelle Güter im Vergleich mit materiellen Gütern und Übeln nicht im Gleichgewicht sind.

Sauls pathetische Reise zum Medium stellt ein typologisches Bild dar, daß sehr gut Benedikts Ansicht über rein institutionelle Antworten auf die Kirchenkrise beschreibt. Anstatt zur Wahrheit zurückzukehren verdoppelt Saul sogar noch seine bewußten Fehler eine Totenbeschwörerin anzustellen. Weil Saul nicht bereit ist, wirklich Buße zu tun, versucht er, rohe Macht auszuüben. Damit repräsentiert er die prototypische Tendenz, die wir normalerweise der „Moderne“ zuschreiben, die aber tatsächlich tief in der gefallenen Natur der Menschheit verwurzelt ist: Die Tendenz, Macht auszuüben, anstatt sich der Wahrheit zu unterwerfen.

Die Aufdeckung und das Bereuen dieser Tendenz bildet gewissermaßen den Kern konservativer politischer und kultureller Sensibilitäten. Die Lektionen, die Benedikt uns lehrt, gelten gleichermaßen für das Leben innerhalb und außerhalb der Kirche. Der Vorrang der Wahrheit vor roher Macht ist das Herzstück jeder echten Erneuerung.

Ich zähle mich zu denen, die während meiner eigenen Konversion zum Christentum "zu Füßen Ratzingers aufgewachsen“ waren und ihn in den folgenden Jahren nicht genug schätzten. Ich erinnere mich noch lebhaft an die Erfahrung, als ich von seinem Tod hörte. Möge dieses kleine Buch viele von uns wie Saul dazu bringen, die Weisheit dieses großen Mannes zu erkennen, bevor es, wie im Fall von Saul, zu spät ist, als daß es uns nützen könnte."

Quelle:

 

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