Samstag, 20. April 2024

Ein entscheidendes Stück Musikgeschichte

Massimo Scapin berichtet bei OnePeterFive über die bahnbrechende Erfindung der Notation von Melodien im Silbensystem durch den Mönch Guido von Arezzo vor cirka 1000 Jahren, die die Weitergabe und das Lehren zunächst liturgischer Gesänge und dann von Musik im Allgemeinen ermöglichte. Hier geht s zum Original:  klicken

"PAPST JOHANNES XIX UND DIE GESCHICHTE DER MUSIK"

Hymne an den Hl. Johannes den Täufer von Guido von Arezzo

Ut queant laxis, Resonnare fibris, Mira gestorum, Famuli tuorum Solve polluti Labii reatum, Sancte Johannes. 

"Damit deine Diener die Wunder deiner Taten wiedergeben können, reinige unsere von Schuld befleckten Lippen, o Heiliger Johannes" 

Vor 1000 Jahren, am 19.April 1024 wurde Romano, Graf von Tusculum, zum Papst - mit dem Namen Johannes XIX- gewählt. Zur Zeit seiner Wahl war er noch im Laienstand -als "Konsul, Herzog und Senator aller Römer".Während seines Pontifikates krönte er Ostern 1027 den deutschen König Konrad II zum Kaiser des Hl. Römischen Reiches, griff in die Konflikte zwischen den Patriarchaten von Aquileia und Grado in Nordost-Italien ein., unterstützte dabei reformerische Standpunkte und favorisierte die Benediktiner-Abtei von Cluny in Frankreich. Die Einzelheiten seines Todes, wahrscheinlich am 20.Oktober 1032,  sind nicht bekannt.

Unter Johannes XIX lebte in der Abtei von Pomposa  der Benediktiner-Mönch Guido von Arezzo (+1050).Guido war für seine Erfindungen in der Notation der westlichen Musik bekannt, für das Lernen und die Überlieferung liturgischer Melodien, die bis dahin hauptsächlich mündlich weitergegeben wurden. Als renommierter Musik-Theoretiker kam er auf die Bitte des Papstes nach Rom:

 - und machte seine wundervolle Erfindung, durch die die antiken und traditionellen Gesänge leichter veröffentlicht, weitergegeben und bewahrt werden konnten-zum Ruhm der Kirche und der Kunst. Nachdem Gregor der Große im Lateran-Palast seine berühmte Sammlung traditioneller Schätze des Chorgesangs zusammen gestellt und mit eigenen Ergänzungen bearbeitet hatte, gründete er klugerweise eine Schola, um die richtige Interpretation des liturgischen Singens zu bewahren. Im selben Gebäude demonstrierte der Mönch Guido selbst seine wunderbare Erfindung vor dem römischen Klerus und dem römischen Pontifex. Der Papst war durch seine Zustimmung und sein großes Lob für die allmähliche Verbreitung des neuen Systems auf der ganzen Welt und damit für die großen Vorteile mitverantwortlich, die sich daraus für die Kunst der Musik im Allgemeinen ergaben.


Es ist Guido selbst, der seinem Mitmönch Michele in der Abtei von Popmosa in der Epistola Guidonis Michaeli monacho de ignoto cantu (auch bekannt als Epistola ad Michaelem) diese Episode, die möglicherweise im März 1027 stattfand, zusammen mit den Grundprinzipien seiner Musiktheorie erzählt hat.

Summæ Sedis Apostolicæ Johannes, qui modo Romanam gubernat Ecclesiam, audiens famam nostræ scholæ, et quomodo per nostra Antiphonaria inauditos pueri cognoscerunt cantus, valde miratus, tribus nuntiis me ad se invitavit. Adii igitur Romam cum domno Grunvaldo reverentissimo Abbate, et domno Petro Aretinæ ecclesiæ Canonicorum præposito, viro pro nostris temporis qualitate sanctissimo. Multum itaque Pontifex meo gratulatus est adventu, multa colloquens et diversa perquirens: nostrumque velut quoddam prodigium sæpe revolvers Antiphonarium, præfixasque ruminans regulas, non prius destitit, aut de loco in quo sedebat, abscessit, donec unum versiculum inauditum sui voti compos edisceret, ut quod vix credebat in aliis, tam subito in se recognosceret.

(Der Pontifex Maximus, Johannes, der jetzt die römische Kirche leitet, war zutiefst erstaunt, als er vom Ruhm unserer Schule hörte und wie durch unsere Antiphonare ungehörte Melodien den Jungen bekannt wurden, und lud mich durch drei Boten zu sich ein. Deshalb reiste ich mit dem hochwürdigen Abt Grunvaldo und mit Petrus, dem Oberen der Kanoniker der Kirche in Arezzo, einem höchst heiligen Mann unserer Zeit, nach Rom. Der Papst beglückwünschte mich sehr bei meiner Ankunft, sprach über viele Dinge und stellte verschiedene Fragen: Er wiederholte oft unser Antiphonar wie etwas Unheilvolles, meditierte über die vorangestellten Regeln und rührte sich nicht von seinem Platz, bis er, wie er gewollt hatte, einen Vers gelernt hatte, den er nie zuvor gehört hatte, so daß er bei sich selbst erkannte, was er bei anderen kaum für möglich gehalten hatte.)

Während des Treffens zeigte Guido dem Papst seinen Prologus im Antiphonarium, ein kleines Einführungshandbuch in die liturgischen Gesangbücher, das im von ihm geförderten neuen Notationssystem verfasst wurde, und erläuterte die Prinzipien, auf denen es basiert. Der Schüler musste die ersten Silben der ersten Strophe der Hymne an Johannes den Täufer (UT queant laxis – REsonare fibris | MIra gestorum – FAmuli tuorum | SOLve polluti – LAbii reatum – Sancte Iohannes) zuordnen, einem Text von Paulus dem Diakon (†799) die Melodie war möglicherweise speziell von Guido zu den Klängen einer aufsteigenden Tonleiter von sechs Tönen (natürlicher Hexachord) komponiert worden.

Es war der spanische Mathematiker und Musiktheoretiker Bartolomé Ramos de Pareja (†1522), der das "si“ einführte, indem er es von den Initialen von Sancte Ioannes im letzten Halbvers der Hymne ableitete, und Giovanni Battista Doni (†1647), ein Gelehrter und Musikautor, änderte der „Ut“ in „Do“ indem er die erste Silbe seines Nachnamens übernahm.

Durch Guidos Methode bleibt der Zusammenhang zwischen den Silben (Ut, Re, Mi, Fa, Sol, La) und der Intonation der einzelnen Laute fest im Gedächtnis eingeprägt und kann bei Bedarf abgerufen werden. Durch das Studieren und Kennenlernen der Intervalle konnte jeder eine geschriebene Melodie auf den ersten Blick singen oder sie nach dem Hören transkribieren

Papst Johannes war von Guidos Lehr-Erfindung fasziniert und lud ihn ein, zurück zu kommen und die berühmte, vom Heiligen Papst Gregor dem Großen (†604) gegründete Schola Cantorum in der Nähe des Baptisteriums von San Giovanni in Laterano zu leiten. Die Schola Cantorum im Lateran zog Jungen aus allen Ländern Westeuropas an. Hier studierten sie Musik und klassische Kultur, empfingen niedere Orden (Ostiariat, Lektorat, Exorzist und Akolytat) und nahmen an feierlichen religiösen Zeremonien und bedeutenden Ereignissen im Stadtleben teil. Einige Historiker vermuten, dass Papst Leo II. (†683) Schüler dieser Schule war. Der Einfluss der Schola cantorum des Lateran auf die Entwicklung der mittelalterlichen Musik und Poesie zeigt sich darin, dass viele Sammlungen von Hymnen und Liedern daraus aus ihr hervorgegangen sind.

Vielleicht war Johannes XIX ein mittelmäßiger Papst, der die religiöse Dimension seines Amtesnicht voll verstanden hat. Aber bei aller Kritik an seiner Amtsführung darf seine fundamentale Rolle als Unterstützer von Guido von Arezzo nicht übersehen werden."

Quelle:M.Scapin, OnePeterFive

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