Sonntag, 23. Juni 2024

Kardinal Camillo Ruini spricht über den Glauben, den Tod und das "danach"...

Vik van Brantegem kommentiert bei korazym.org ein Interview, das Kardinal Camillo Ruini dem Corriere della Sera über Fragen des Lebens, des Glaubens und der Theologie gegeben hat. 
Hier geht ´s zum Original: klicken

KARDINAL CAMILLO RUINI: "... ALS PRINZIPIEN, DIE MIT DEM CHRISTLICHEN GLAUBEN INKOMPATIBEL SIND, IN DIE THEOLOGIE EINGEFÜHRT WURDEN"

Hier sind einige Ausschnitte aus Antonio Politos Interview mit Kardinal Camilla Ruini für den Corriere della Sera [Hier], mit dem er eine Serie startet, die der Existenz gewidmet ist. Und ihre Grenzen.  Kardinal Ruini " ist einverstanden über seine Lieblingsthemen zu sprechen. Auch von einem theologischen Standpunkt aus, weil er ihm ein Buch mit dem Titel "Gibt es ein nachher? gewidmet hat. Wobei das Fragezeichen ein bißchen wie die Zusammenfassung des rationalen Zugangs dieses Priesters ist, der 16 Jahre lang an der Spitze der Italienischen Bischofskonferenz stand: so fest in seinem Glauben -wie er offen für die Zweifel anderer ist." 

Camillo Ruini wurde am 19 Februar 1931 in Sassuolo geboren, am 8. Dezemeber 1954 wurde er zum Priester geweiht und graduierte an der Gregoriana-Universität Rom in Philosophie und Theologie. Am 16. Mai 1983 wählte Johannes Paul II ihn zum Bischof und Weihbischof für die Diözese von Reggio Emilia und Guastalla (die später zu einer Diözese -der von Reggio-Emilia-Guastalla zusammengefügt wurde).- und wies ihm den Titular-Sitz von Nepte zu. Am 28. Juni 1986 ernannte Papst Johannes Paul II  ihn zum Generalsekretär der Italienischen Bischofs-konferenz, deren Vorsitzender er 16 Jahre lang, vom 17. März 1991 bis zum 7. März 2007 war.  Am 17. Januar 1991 ernannte ihn der Hl. Papst Johannes Paul II ihn zum General-Pro-Vikar für die Diözese Rom, bis zu seiner Ernennung zum Vikar und Erzpriester der Päpsltichen Basilika San Giovanni in Laterano a 1 Juli 1991 (bis zum 27 Juni 2008) nach seiner Kreierung als Kardinal beim Konsistorium  vom 28. Juni 1991. Er war auch Präsident der Internationalen Untersuchungs-Kommission für Medjugorje, des Kultur-Projekts der CEI und von 2010 bis 2015 des Wissenschaftlichen Komitees der Joseph-Ratzinger  -Benedikt XVI Vatican-Stiftung. 

Kardinal Ruini war von der Notwendigkeit der Anwesenheit der Katholischen Kirche in Italien und der Italienischen Katholiken in der Welt der Kultur überzeugt, die durch das Kultur-Projekt erreicht werden sollte.  Insbesondere zu Beginn des neuen Jahrtausends skizzierte er eine alternative Sichtweise der Mission der katholischen Kirche in der italienischen Gesellschaft, deren Teil sie ist, und befeuerte die politische Debatte über Themen wie die Verteidigung der Menschenrechte und das Recht auf Leben. Einige Mitglieder der italienischen politischen Welt, säkular und nicht-säkular, beurteilten das Interesse an diesen Themen zwar als für die kirchliche Mission relevant, beklagten jedoch die Parteilichkeit und den Anspruch auf Universalität einiger Äußerungen von Kardinal Ruini und vertraten die Ansicht, dass die Botschaft der Kirche zu bestimmten Themen nicht auf die Einzelheiten der Gesetzgebung eines souveränen Staates eingehen, sondern sich auf Hinweise allgemeiner Natur beschränken sollte, ohne an das Gesetz besondere Anforderungen zu stellen.

Im Jahr 2005, anlässlich der Referenden zur Aufhebung des Gesetzes 40 über medizinisch unterstützte Befruchtung und wissenschaftliche Forschung an Stammzellen, wurde er Sprecher der Öffentlichkeits-Instanz des CEI und forderte die Katholiken auf, nicht an den Wahlen teilzunehmen, mit dem Ziel, das Quorum von 50 % zur Verteidigung des Rechts auf Leben nicht zu erreichen. Die Geste wurde von der politischen Welt unterschiedlich interpretiert, von denen, die sie als inakzeptable Einmischung der katholischen Kirche in die politische Welt definierten, bis hin zu denen, die sie als legitime Meinung einer wichtigen Persönlichkeit des öffentlichen Lebens betrachteten.


Antonio Polito bemerkt im Interview: "Die Predigt der Kirche, deren "Arbeitspferd" in nicht allzu ferner Vergangenheit den Tod und die Folgen war, neigt seit einigen Jahrzehnten dazu, nur am Rande darüber zu sprechen, normalerweise bei Beerdigungen, und nicht immer die richtigen Worte zu finden, um seine Bedeutung zu untersuchen. Es scheint fast, als ob sie auch an jener Arbeit der "Dekonstruktion“, der "Entfernung“ des Todes teilnimmt, von der Ruini in seinem Buch spricht. Fast so, als wäre er sogar für den Glauben zu einem Tabu geworden, wie es heute im säkularen Diskurs der Fall ist. Der Tod ist pornographisch geworden: Wenn in der viktorianischen Gesellschaft Sexualität obszön war, hat unsere Zeit die Begriffe auf den Kopf gestellt, jetzt können wir sicher über Sex sprechen, aber wir ziehen es vor, über den Tod zu schweigen. Umso mehr lohnt es sich daher, mit einem Priester zu sprechen, der keine Angst davor hat. Die Idee der Unsterblichkeit der Seele zu akzeptieren, ist für einen Gläubigen leicht; zu denken, dass der Tod alles beendet, ist selbst für viele Atheisten unerträglich. Aber er wird zugeben, dass die Auferstehung des Leibes wirklich schwer zu glauben ist...."

Kardinal Camillo Ruini: Ich bin noch pessimistischer als Sie: Ich fürchte, dass viele Katholiken überhaupt nicht an das Leben nach dem Tod glauben. Die Auferstehung ist mehr in der Liturgie als im wirklichen Leben der Christen geblieben. In diesem Punkt war sogar die jüdische Welt zur Zeit Christi gespalten: Die Sadduzäer glaubten nicht daran, sie blieben im Pentateuch, den ersten fünf Büchern der Bibel, stecken. Die Pharisäer hingegen glaubten daran. Es war Jesus, der eine Wende herbeiführte, indem er dem Leben nach dem Tod gemäß dem Bericht der Evangelien eine enorme Bedeutung zuschrieb. Paulus schreibt: ‚Wenn wir in diesem Leben nur auf Christus hoffen, sind wir die elendesten aller Menschen.‘“

Antonio Polito: "Paulus fordert die Gläubigen auf, nicht ‚wie andere, die keine Hoffnung haben‘ zu trauern. Das Versprechen des ewigen Lebens macht sicherlich auch das irdische Leben besser, aber wie können wir dann den Niedergang des katholischen Glaubens im Westen erklären?“

Kardinal Camillo Ruini: "Wissen Sie, Hoffnung ist gut, wenn jemand daran glaubt … Für die europäische Kultur hingegen ist sie eine Illusion. Für sie ist Humanismus das, was der Mensch mit seinen begrenzten Kräften erreichen kann. Doch wir sind beseelt von einem grenzenlosen Verlangen nach Unendlichkeit und Wissen. Es ist ein natürliches Verlangen, und wenn ein Verlangen natürlich ist, kann es nicht vergeblich sein. Was in Europa geschieht, ist der Niedergang der Hoffnung. So kehren wir zum Heidentum zurück, zu einer Gesellschaft, die weniger Vertrauen in sich selbst hat und daher weniger zu großen Unternehmungen fähig ist. Und dass sie wieder an Idole glaubt: Wie viele davon sehen wir heute wieder!“

Antonio Polito: "Denken Sie an das heutige Italien?“

Kardinal Camillo Ruini: "In dieser Hinsicht ist Italien vielen anderen europäischen Ländern nicht unähnlich. Es ist auch unsere Schuld, die der Kirche, meine ich. Wir kommen da nicht raus: Wir haben sozusagen ein bisschen unter der Konkurrenz gelitten. Wir haben unseren Gegnern ideell nicht genug entgegengesetzt. Vor dem Konzil gab es trotz Schwäche und Sektiererei noch Bemühungen, die Wahrheit des Glaubens zu bekräftigen. Mit dem Konzil wurde zu Recht versucht, die Kluft zu den Nichtgläubigen zu verringern, aber vielleicht gab es die Illusion, dass diese Kluft kleiner war, als sie ist, und dass auf der anderen Seite die gleiche Absicht bestand, sie zu überspringen. Wir haben unsere Wachsamkeit fallen lassen, wir haben uns wehrlos gezeigt. Vor allem, als Prinzipien, die mit dem christlichen Glauben unvereinbar waren, in die Theologie eingeführt wurden.“

Antonio Polito: "Können Sie mir ein Beispiel geben?

Kardinal Camillo Ruini: "Um den interreligiösen Dialog zu fördern, haben wir die Idee akzeptiert, dass Christus möglicherweise nicht der einzige Weg zur Erlösung ist. Als Johannes Paul II. im Jahr 2000 die Einzigartigkeit des Erlösers bekräftigte, wurde dies in Frage gestellt. Es wurde geschrieben, dies seien Ratzingers Ideen, nicht seine. Aber es war der Papst selbst, der den Kardinal, der später unter dem Namen Benedikt XVI. sein Nachfolger werden sollte, bat, eine klare und eindeutige Formulierung für ihn zu schreiben: Er beabsichtigte, sie beim Angelusgebet auszusprechen, um allen Zweifeln ein Ende zu setzen. Nachdem er sie gelesen hatte, fragte er Ratzinger ein letztes Mal: ​​"Dieser Text ist klar genug, wird er den Haarspaltereien ein Ende setzen?“ Aber sobald er ihn vorgetragen hatte, begannen sie wieder mit der Haarspalterei.“

Ist es heute, in einer von Säkularismus und wissenschaftlicher Kultur beherrschten Welt, noch möglich, an ein Leben nach dem Tod zu denken? Um diese Frage zu beantworten, an der niemand desinteressiert sein kann, entwickelt Kardinal Ruini eine weitreichende Überlegung, die Geschichte und aktuelle Ereignisse, rationale Forschung und religiösen Glauben, die Entdeckungen der Technikwissenschaften und die tiefen Sehnsüchte der menschlichen Seele vergleicht und ein nüchternes, aber berührendes persönliches Zeugnis ablegt: die Erfahrungen, die er als Priester an der Seite derer gemacht hat, die das Ziel des irdischen Lebens erreicht haben, und die Art und Weise, wie er selbst, inzwischen betagt, das Herannahen seiner letzten Reise fühlt und erlebt.

Bevor er sich dem großen Thema der Existenz eines Lebens nach dem Tod widmet, untersucht Ruini jene biologische Gewissheit und zugleich jenes philosophische Rätsel des Todes, dessen Bedeutung sich im letzten Jahrhundert grundlegend verändert hat: Die zunehmende Sorge um das eigene Schicksal in den neuen Szenarien, die sich durch die Verlängerung der Lebenserwartung ergeben, ging Hand in Hand mit der sozialen und kulturellen Dekonstruktion des Todes, der heute auf eine einfache natürliche Tatsache reduziert ist. Die neueste Version jenes Phänomens, das so alt ist wie die Menschheit, nämlich die Flucht vor der Vorstellung des eigenen Endes.

Obwohl das Bewusstsein des Todes und der Wunsch, ihn durch irgendeine Form des Überlebens zu überwinden, grundlegende Eigenschaften des Menschen sind, die seine Identität ausmachen, ist es wirklich schwierig, die rationale Gewissheit eines Lebens nach dem Tod zu erreichen, wie die umfangreichen Seiten zeigen, die der Beziehung zwischen Geist und Gehirn, den großartigen Ergebnissen der Neurowissenschaft und den noch größeren Fragen gewidmet sind, die noch offen sind. Ein Gläubiger wie Ruini sucht eine Antwort in der Religion und konkret im Christentum, in dessen Mittelpunkt der Sieg Christi über den Tod steht, in einem fruchtbaren Dialog zwischen Glauben, Vernunft und Geschichte und in einer engen Auseinandersetzung mit den Alternativvorschlägen des Islam und Buddhismus.

"Gibt es ein Danach?" behandelt zwar ein trauriges und beunruhigendes Thema, ist aber ein heiteres Buch, das dem Leser Zuversicht vermittelt, weil es von dem durchdrungen ist, was der Autor "die große Hoffnung“ nennt. Die Hoffnung auf ein zukünftiges Leben, das uns, indem es uns daran hindert, die Gegenwart zu verabsolutieren und die Auswirkungen unserer Handlungen als endgültig zu betrachten, innerlich befreit und uns erlaubt, das Gute und Richtige zu verfolgen, auch jenseits der Erfolgswahrscheinlichkeit. Kurz gesagt, eine Hoffnung, die auf dem Glauben an Gott beruht und jedem Ereignis in unserem Leben eine andere, umfassendere und dauerhaftere Bedeutung verleiht."

Quelle: Vik van Brantegem, korazym org.

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