Sonntag, 2. Juni 2024

Privatoffenbarungen - was fehlt im Dokument des Glaubens-Dicasteriums?

Rorate Caeli veröffentlicht einen kritischen Kommentar von Gene Zannetti zum Dokument des Glaubensdicasteriums über Erscheinungen und Privatoffenbarungen. 
Hier geht´s zum Original: klicken

"EINE AUFFÄLLIGE AUSLASSUNG IM NEUEN DOKUMENT ZUR DEN PRIVATEN OFFENBARUNGEN IM DOKUMENT DES GLAUBENSDICASTERIUMS"

Wie oft haben wir gehört bzgl. der übernatürlichen Phänomene gehört: "Die Gläubigen müssen nicht an sie glauben" oder bei privaten Offenbarungen: "Ihre Benutzung ist nicht obligatorisch"?

Eine solche Sprache- die dem jüngsten Dokument "Hören auf den Geist der im gläubigen Volk Gottes wirkt", entnommen ist, das das Dicasterium für die Glaubenslehre (DDF)am 17. Mai 2024 veröffentlicht worden ist,- ist zweifellos familiär.

Während ich nicht von der autoritativen Lehre der Lehre abweiche und das Dokument des Dicasteriums als lehramtlich akzeptiere, bin ich dennoch besorgt, daß ein wichtiger Aspekt unserer Katholischen Tradition darin schadenbringend übersehen wurde.

Ist es wahr, dass alle privaten Offenbarungen und Prophezeiungen immer nur optional sind? Kann eine private Offenbarung je für einen oder mehr Katholiken eine moralische Verpflichtung sein?

Wie das DDF-Dokument zu Recht betont, "vor der Wiederkehr in Glorie unseres Herrn ist keine öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten" .Sicher haben wir das schon zuvor gehört, das depositum fidei war mit dem Tod der Apostel abgeschlossen. Aber bedeutet das, daß keine private Offenbarung je obligatorisch ist?

War der Bischof von Guadelupe nicht moralisch verpflichtet, als ihm von Unserer Lieben Frau -über den Hl. Juan Diego aufgetragen wurde, eine Kirche zu bauen?

War der König von Frankreich nicht moralisch verpflichtet, als er durch die Hl.Margaret Maria von unserem Herrn  aufgefordert wurde, sein Land dem Heiligen Herzen zu weihen?

Sind wir, die Gläubigen, nicht moralisch verpflichtet die Bitten Unserer Lieben Frau von Fatima zu erfüllen, nachdem wir von den drei Hirtenkindern aufgefordert wurden?

Als ich darüber nachdachte, schien das meine grundlegenden Katholischen Empfindlichkeiten zu verletzen, zu denken, daß man frei ist, Bitten des Himmels zu ignorieren, besonders wenn die Forderung durch Wunder bestätigt wurden oder formal von der Kirche (oftmals wiederholt) anerkannt wurden. Das neue DDF-Dokument sagt natürlich nicht, daß wir Gott oder Seine Forderungen verweigern sollten. Ganz im Gegenteil, das Dokument sagt:

  "Gott ist in unserer Geschichte gegenwärtig und aktiv...[die neuen Normen] bezwecken nicht den Geist  zu kontrollieren oder (sogar noch weniger) einzuengen...der Diözesan-Bischof wird ermutigt den pastoralen Wert der spirituellen Anregung zu werten und sogar seine Verbreitung zu fördern..."

Dennoch fehlt trotz dieser wichtigen Punkte etwas, wie sollen wir antworten, wenn der Himmel authentisch etwas von uns verlangt?

Ist das lediglich eine Frage des menschlichen Glaubens und der Klugheit oder könnte es eine Frage moralischer Verpflichtung sein? Ich verstehe, daß das neue Dokument keine erschöpfende Katechese zu allen mystischen Phänomenen sein soll. Aber das scheint so häufig zu passieren, wenn von Privatoffenbarungen die Rede ist – was einer Missachtung dieser seltenen, aber realen Fälle gleichkommt, die wir in der gesamten Kirchengeschichte erlebt haben.


Die DDF erwähnt Kardinal Ratzinger in dem CDF-Dokument von 2000 über die "Botschaft von Fatima“, und ich sehe in diesem Dokument wieder dieselbe auffällige Abwesenheit. Es scheint, daß auch dort Privatoffenbarungen als nicht in der Lage dargestellt werden, die Gläubigen zu verpflichten. Kardinal Ratzinger schrieb:

"- Kardinal Prospero Lambertini, der spätere Papst Benedikt XIV., sagt in seinem klassischen Traktat, der später für Selig- und Heiligsprechungen maßgebend wurde: „Eine Zustimmung des katholischen Glaubens ist auf derart approbierte Offenbarungen nicht zurückzuführen; sie ist nicht einmal möglich. Diese Offenbarungen suchen vielmehr eine Zustimmung des menschlichen Glaubens im Einklang mit den Anforderungen der Klugheit, die sie uns als wahrscheinlich und glaubwürdig für die Frömmigkeit vor Augen führt.“

Kardinal Ratzinger zitierte den zweiten Absatz aus Band 3, Kapitel XIV, Nr. 14 von Kardinal Lambertini. Doch der Kardinal hat den ersten Absatz von Nr. 14 nicht in das CDF-Dokument aufgenommen, was den Kern meiner Sorge trifft. Im ersten Absatz schrieb Kardinal Lambertini:

-Kardinal de Lugo lehrt, dass derjenige, dem diese private Offenbarung vorgeschlagen und verkündet wird, dem Befehl oder der Botschaft Gottes glauben und gehorchen soll, wenn sie ihm aufgrund ausreichender Beweise mitgeteilt wird; denn Gott spricht zu ihm, zumindest durch einen anderen, und verlangt daher von ihm, zu glauben; daher ist er verpflichtet, Gott zu glauben, der dies von ihm verlangt. Arauxo stimmt ihm zu, vorausgesetzt, dass nur jene Argumente als ausreichend erachtet werden, von denen wir oben gesprochen haben.

Hat Kardinal Ratzinger im CDF-Dokument einen Fehler begangen? Ich würde mit Nein antworten, aber seine Erklärung ist unvollständig – ebenso wie die des neuen DDF-Dokuments. Theologen haben gelehrt, dass in den oben genannten seltenen Fällen eine Zustimmung des göttlichen Glaubens (im Unterschied zum katholischen Glauben oder dem göttlich-katholischen Glauben) sowie eine moralische Handlungspflicht erforderlich sind. Dies bedeutet nicht, daß private Offenbarung irgendwie zum Glaubensgut erhoben wird. Ebenso wenig bedeutet es, daß man seine Katholizität verliert, wenn man nicht glaubt und reagiert. Aber ein Katholik ist auch nicht einfach frei, eine authentische Botschaft des Himmels, die an ihn gerichtet ist, zu ignorieren – geschweige denn zu leugnen oder zu verspotten. Dies zu tun wäre in der Tat eine Sünde.

Nachfolgend finden Sie eine Liste von Zitaten, die das beständige Urteil der Heiligen, Theologen und Manualisten zu diesem Thema im Laufe der Jahre veranschaulichen und perfekt mit Kardinal Lambertinis klassischer Abhandlung übereinstimmen. Beachten Sie, daß diese Zitate nicht dem neuen DDF oder dem CDF von 2000 widersprechen, sondern vielmehr die Erklärung der Privatoffenbarung in diesen Dokumenten vervollständigen, indem sie die Bedeutung und sogar Dringlichkeit unterstreichen, auf eine authentische Offenbarung zu reagieren, die an eine oder mehrere Personen gerichtet ist.

Die erste Unterscheidung um Verwechslungen zwischen authentischer und nicht-authentischer Privatoffenbarung zu vermeiden, wurde in Sitzung 11a des Fünften Laterankonzils (1516) getroffen

- Wenn der Herr einigen von ihnen durch eine Art Inspiration zukünftige Ereignisse in der Kirche Gottes offenbart, wie er es durch den Propheten Amos verspricht und wie der Apostel Paulus, der oberste Prediger, sagt: „Löscht den Geist nicht aus, verachtet das Prophezeien nicht“, wollen wir nicht, daß sie zu der anderen Gruppe der Geschichtenerzähler und Lügner gezählt oder anderweitig behindert werden. Denn wie Ambrosius bezeugt, erlischt die Gnade des Geistes selbst, wenn der Eifer derer, die zu sprechen beginnen, durch Widerspruch gedämpft wird. In diesem Fall wird dem Heiligen Geist sicherlich Unrecht zugefügt.

 In der Summa Theologiae erinnert uns der heilige Thomas daran, daß der gesamte Zweck der Prophezeiung darin besteht, "die menschlichen Handlungen zu lenken“. Wenn der Himmel eingreift, um unsere Handlungen zu lenken, können diese Anweisungen dann bloß optional sein?

Der Hl. Alphonsus schreibt in "Zwölf Schritte zur Heiligkeit"

"-Wenn unser Herr persönlich käme und Sie mit einem Amt oder einer bestimmten Arbeit betrauen würde, würden Sie einen Augenblick zögern, zu gehorchen? Würden Sie anfangen, sich zu entschuldigen und sich der Erfüllung seines Befehls zu widersetzen? Aber, sagt der heilige Bernhard, ob Gott selbst oder jemand, der seinen Platz einnimmt, der den Befehl erteilt, Sie müssen den gleichen prompten und fröhlichen Gehorsam leisten."

P. Marin schreibt in The Theology of Christian Perfection (1954) und P. Auman in Spiritual Theology (1980):

"-Wenn nach einer umsichtigen Beurteilung festgestellt wird, daß eine bestimmte Offenbarung authentisch ist, sollte derjenige, der die Offenbarung empfangen hat, sie im Geist des Glaubens annehmen. Unter den Theologen ist umstritten, ob dieser Akt des Glaubens ein Akt des göttlichen Glaubens ist; uns scheint es so. Wenn eine private Offenbarung außerdem eine Botschaft für andere enthält und als authentische Offenbarung akzeptiert wurde, sind diese Personen ebenfalls verpflichtet, die Wahrheit der Offenbarung zu akzeptieren und danach zu handeln."

Diese theologischen Punkte werden von den Manualisten wiederholt.

1895 schrieb P. Hunter sagt in "Umrisse der Dogmatischen Theologie Band 1:

"-Wenn nach einer umsichtigen Beurteilung festgestellt wird, dass eine bestimmte Offenbarung authentisch ist, sollte derjenige, der die Offenbarung empfangen hat, sie im Geist des Glaubens annehmen. Unter den Theologen ist umstritten, ob dieser Akt des Glaubens ein Akt des göttlichen Glaubens ist; uns scheint es so. Wenn eine private Offenbarung außerdem eine Botschaft für andere enthält und als authentische Offenbarung akzeptiert wurde, sind diese Personen ebenfalls verpflichtet, die Wahrheit der Offenbarung zu akzeptieren und danach zu handeln."*

1952 schrieb Pater Connell in Umrisse der Moral-Theologie

"- Eine private Offenbarung muss von den Personen geglaubt werden, für die sie bestimmt ist. Niemand ist jedoch verpflichtet, die Aussage eines anderen zu glauben, daß ihm eine private Offenbarung zuteil wurde, es sei denn, es wurde die sichere Gewissheit gegeben, daß sie wirklich von Gott stammt. Normalerweise wird eine solche Gewissheit durch offensichtliche Wunder gegeben. Personen, für die die Offenbarung nicht bestimmt ist, sind nicht verpflichtet, sie als göttliche Botschaft anzunehmen, obwohl sie Unrecht täten, wenn sie sie entschieden leugnen oder verspotten würden, obwohl es gute Beweise dafür gibt, dass sie von Gott kommt."

1959 schrieb Pater Tanquerey in Ein Handbuch der Dogmatischen Theologie:

"Private Offenbarungen richten sich an Privatpersonen zu deren Nutzen oder zum Nutzen anderer; sie können zum Wohl der gesamten Kirche sein.

1) Private Offenbarungen können Gegenstand göttlichen Glaubens sein. Dies wird allgemein im Widerspruch zu den Ansichten der Salmanticenses gelehrt. Denn diese Offenbarungen können aufgrund der Autorität der Offenbarung Gottes geglaubt werden; Wenn Er zu einem Menschen spricht, ist Er ebenso allwissend und wahrhaftig, wie wenn Er allen etwas offenbart.

2) Private Offenbarungen sollten von denen geglaubt werden, denen sie zuteilwerden oder für die sie stattfinden, vorausgesetzt, sie sind sicher begründet; sie können von denen geglaubt werden, an die sie gerichtet sind, vorausgesetzt, sie werden durch zufriedenstellende Argumente dargelegt."

1961 schrieb Msgr. Van Noort in Dogmatische Theologie Band III:

-"Es scheint unbestreitbar, dass sogar eine private Offenbarung – zumindest wenn sie sich mit Angelegenheiten befasst, die eine Beziehung zu Gott als unserem Ziel haben – durch dieselbe Tugend des Glaubens geglaubt werden kann, durch die wir an eine öffentlich offenbarte Wahrheit glauben … Unter der Annahme, daß der göttliche Ursprung der Offenbarung mit Sicherheit begründet werden kann, stellt sich die Frage, ob solche Offenbarungen nicht nur geglaubt werden können, sondern geglaubt werden sollten. Kurz gesagt, wir denken, die Antwort ist folgende: Eine solche Offenbarung sollte sowohl von demjenigen geglaubt werden, der sie empfängt, als auch von denen, für die sie bestimmt ist: Der Rest der Gläubigen kann sie nicht ohne irgendeine Art von Sünde rundheraus leugnen."

Zusammengenommen unterstreichen all diese Zeugnisse die auffällige Abwesenheit nicht nur im jüngsten Lehrdokument, sondern in praktisch allen Diskussionen über authentische Privatoffenbarungen.

Natürlich sind nicht alle Privatoffenbarungen lediglich optional. Natürlich können Privatoffenbarungen einer oder mehreren Personen möglicherweise eine moralische Verpflichtung auferlegen. Auch hier ist es nicht meine Absicht, dem neuen DDF-Dokument zu widersprechen, sondern vielmehr eine auffällige Abwesenheit in theologischen Diskussionen über Privatoffenbarungen hervorzuheben – eine Abwesenheit, die leider auch in diesem Dokument zu finden ist."

Quelle: G. Zannetti, Rorate Caeli

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