Donnerstag, 15. August 2024

Ist Papst Franziskus ein Stratege?

"Vigilius" antwortet bei Rorate Caeli in einem ausführlichen Artikel auf die Analyse des Bergoglio- Pontifikates durch die argentinische website Caminante -The Wanderer. 
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Die Leser werden sich an die beispiellose Analyse des Franziskus-Pontifikates von Vigilius erinnern, die hier zuerst am 10. JUli veröffentlicht wurde. Heute haben wir das Vergnügen die Fortsetzung zu veröffentlichen, in der - wie Vigilius erklärt- er erklärt, warum er bzgl. des theologischen Programmes des aktuellen Papstes respektvoll anderer Meinung ist als der hervorragende argentinische  Kommentator.

"IST JORGE BERGOGLIO EIN STRATEGE?  EINE ANTWORT AUF CAMINANTE WANDERER"

Lieber Wanderer, 

Sie haben mir die Ehre erwiesen, auf meinen Artikel "Der grosse Verlust" zu antworten und ihn den Lesern Ihres blogs vorzustellen. Obwohl wir in unseren theologischen Ansichten übereinstimmen, haben Sie betont, dass Sie meine Position, dass Franziskus ein Stratege ist, nicht teilen. Ich zitiere Sie wörtlich: „Vor einigen Monaten erschien auf der deutschen Website Katholisches.info ein brillanter und schockierender Artikel. Er trägt den Titel ‚Der große Verlust oder das Pontifikat von Jorge Bergoglio‘. Im Übrigen bin ich nicht mit der zentralen These des Autors einverstanden – der aus offensichtlichen Gründen unter dem Pseudonym Vigilius auftritt –, dass Bergoglio nach einem perfekt orchestrierten und durchdachten Plan gehandelt habe, der mit der globalistischen Weltagenda im Einklang steht. Wie wir in diesem Blog schon oft gesagt haben, bin ich der Meinung, dass Bergoglio nichts weiter als ein abtrünniger Jesuit aus Buenos Aires mit einem unendlichen und ungesunden Hunger nach Macht ist; sein ganzes Leben ist auf ein einziges Ziel ausgerichtet: Macht um der Macht willen anzuhäufen, um der Begierde nach Macht willen, mit keinem anderen Ziel als dem Vergnügen, das er aus ihrer Ausübung zieht."

Im Folgenden möchte ich noch einmal versuchen, die Plausibilität meiner Gegenposition darzulegen. Ich tue dies, weil ich diese Debatte für sehr wichtig halte. Es geht dabei um viel mehr als die psychologische und moralische Einschätzung der Persönlichkeit Bergoglios. Ich glaube, es ist eine von diesem Pontifikat selbst ausgehende Versuchung, es bloß im Paradigma eines Gangsters zu rekonstruieren, der nichts anderes im Sinn hat, als seine unmittelbaren Wünsche zu befriedigen. Dies, glaube ich, würde uns blind machen für die wirkliche Bedrohung, die von der Herrschaft Bergoglios ausgeht.

Doch diese Bedrohung hat auch eine positive Wirkung, nämlich eine aufschlussreiche und kathartische. Und dies führt mich direkt zum Kern meiner Bergoglio-Theorie. Denn obwohl Jorge Bergoglio ein Ideologe ist, vertritt er – und zwar fortwährend – Positionen, die das Produkt einer theologischen Entwicklung sind, die die Kirche seit langem plagt. Das wahre Wesen dieser Entwicklung tritt bei ihm gerade deshalb zutage, weil er intellektuell grotesk unterkomplex und in seinem Handeln plump ist. Viele Vertreter dieser Traditionslinie wären sicherlich entsetzt, mit Bergoglio in Verbindung gebracht zu werden, aber die Kunst des Denkens besteht gerade darin, unter den immer vorhandenen Unterschieden mögliche Gemeinsamkeiten, die vielleicht sogar die wichtigsten Aspekte sind, zu erkennen. Ich denke, dass Jorge Bergoglio die brutale Apokalypse (d. h. Offenbarung) der inneren Flugbahn der betreffenden Bewegung ist. Nur deshalb ist es lohnend, aber auch unvermeidlich, sich mit ihm zu befassen. Denn die theologische Herausforderung, die in ihm in konzentrierter Form auftaucht und von ihm verstärkt wird, wird uns auch nach seinem Tod erhalten bleiben.

Im Übrigen sind wir uns einig, dass Jorge Bergoglio ein vulgäres und bösartiges Wesen ist, das für die Gläubigen einen einzigen intellektuellen, moralischen, spirituellen und ästhetischen Skandal darstellt. Und ebenso einig sind wir uns in unserer Einschätzung der Gesellschaft seiner Diener, zu der so illustre Figuren gehören wie der von Ihnen besonders geschätzte und nun auf Leinwand verewigter orgasmischer Mystiker Tucho[2]; außerdem Roche, Hollerich, die McCarrick-Boys, die Jesuitenpatres James Martin und Antonio Spadaro, Marko Ivan Rupnik und die großartige Austen Ivereigh. Diese Charaktere, das muss ich zugeben, erinnern mich unweigerlich an die „Nazgûl“ in Tolkiens Herr der Ringe, die auf stinkenden Monstern reiten und den Thron des dunklen Lords umschwärmen. Was jedoch gefällt, ist die Perspektive: Sie werden genauso enden wie die Ringgeister in Tolkiens Epos.



Das Rechtfertigungs-Problem

Bevor ich zu meiner eigenen These komme, möchte ich kurz auf zwei Schwierigkeiten eingehen, mit denen, wie mir scheint, Ihre Behauptung, Bergoglio habe keinen ideologisch motivierten Plan und sei nichts weiter als ein abtrünniger Jesuit aus Buenos Aires mit einem nicht enden wollenden Machthunger zu kämpfen hat. Einerseits widerspricht dieser Position die Erfahrung, dass Menschen in Fleisch und Blut komplexe Wesen mit einem erheblichen Hang zur Inkonsequenz sind. Vielleicht gehört es zur Vorstellung eines Schurken, dass Schurken lediglich unmittelbare, egozentrische Ziele verfolgen. Aber Menschen repräsentieren Ideen normalerweise nicht exakt. Es ist also durchaus denkbar, dass Schurken, selbst abtrünnige Jesuiten, auch inhaltliche Überzeugungen und politische Ziele haben, die nicht einfach mit der Sorge um ihr privates Vergnügen identisch sind.

Zweitens leidet die Machtthese darunter, dass die Argumentation zirkulär wird. Was anhand der Phänomene gezeigt werden soll, nämlich dass es Bergoglio um nichts anderes als um Machtvermehrung geht, wird immer schon vorausgesetzt, um aus den entsprechend interpretierten Taten zu folgern, dass es Bergoglio um nichts anderes als um Machtvermehrung geht. Hier lauert die Willkür der Einschätzungen. Würde sich Franziskus in bestimmten Fällen etwa ganz anders verhalten, könnte die absolute Machtthese immer noch lauten, dass er nur taktische Zurückhaltung übt, um seine Macht zu erhalten. Eine strukturell identische Behauptung machen die Linken übrigens hinsichtlich der Lehrautorität der Kirche: Alles werde als bloßer Ausdruck des Machtwillens männlicher Kleriker erklärt, und wenn sich diese Kleriker unterwürfig verhielten, sei auch dies bloß eine hinterhältige Täuschung desselben Machtwillens. Der französische Philosoph Jean-Claude Michéa nannte dies ironischerweise ein „benutzerfreundliches Verfahren“, denn wer alles als Machtspiel begreift, habe immer Recht. Eine Möglichkeit der Widerlegung gibt es nicht, da selbst der Versuch der Widerlegung wiederum als Ausdruck von Machtgier interpretiert wird.

Zirkularität bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass die Behauptung tatsächlich falsch ist. Sie ist schlicht nicht beweisbar und bleibt einem spekulativen Index unterworfen. Das gilt auch für die Erklärung von Bergoglios Handeln, indem man es auf den Peronismus zurückführt, der als skrupel- und prinzipienlose Art und Weise verstanden wird, um der schieren Macht willen Macht zu erlangen und zu erhalten. Das deutsche Äquivalent wäre der Merkelianismus. In diesem Koordinatensystem könnte sich Franziskus auf jede erdenkliche Weise verhalten, und es könnte immer als Ausdruck des Peronismus interpretiert werden. Das kann sein oder auch nicht. Es ist ebenso unwiderlegbar wie unbeweisbar.

Aus diesem Grund plädiere ich dafür, bei der Aufklärung des Phänomens einen anderen Ansatz zu wählen. Dazu müssen wir uns zunächst anschauen, was Franziskus sagt, und wir müssen sehen, ob er etwas nebenbei sagt oder ob er es wiederholt sagt, ob seine Aussagen also eine Serie bilden. Darüber hinaus muss analysiert werden, wie sich diese Aussagen in das Konzert der anderen Aussagen einordnen lassen. Und wenn diese Aussagen wiederholt auftreten und eine prominente Rolle im Gefüge der anderen Artikulationen spielen, muss geschaut werden, ob es nachweisbare Korrelationen zwischen diesen Aussagen und seinem politischen Handeln gibt. Dabei ist nicht von vornherein auszuschließen, dass es mehrere prominente Aussagereihen gibt, die einander widersprechen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dies eher selten vorkommt, da es einen erheblichen intellektuellen oder psychiatrischen Defekt voraussetzt. Und hätte man eine solche prominente, den Gesamtzusammenhang bestimmende Aussagereihe identifiziert, hätte man den hermeneutischen Schlüssel gefunden, mit dem sich auch eventuell vorhandene Nebenstränge als solche erkennen ließen. Diese Nebenstränge könnten zum Hauptmotiv kompatibel oder gar korrelativ sein oder sich vielleicht durch politisches Kalkül, mangelnden Scharfsinn, Demenz oder Charakterschwächen erklären lassen.

Nun ist es mein Argument, dass sich ein solches Hauptmotiv im aktuellen Pontifikat ausmachen lässt: Es ist die von mir beschriebene „universelle natürliche Brüderlichkeit jenseits sekundärer religiöser Traditionen“. Dieses Motiv deutet auf nichts Geringeres hin als das Vorhaben, den katholischen Glauben seines bestimmenden Kerns zu berauben. Denn es verfolgt die Dekonstruktion der Theologie der neuen, übernatürlichen Schöpfung und der Kirche als mystischem Leib Christi in eine bloße natürliche Schöpfungstheologie. Um diesen Vorgang zu verdeutlichen, werde ich zunächst versuchen, den authentischen Inhalt des christlichen Glaubens zu beschreiben und dann das Grundmotiv der dagegen entstandenen Widerstandsbewegung zu skizzieren, aus der auch der „abtrünnige Jesuit aus Buenos Aires“ hervorging.

Der Übernatürlicher Glaube

Der Begriff „mystischer Leib Christi“ meint, dass durch den Tod und die Auferstehung Christi und die dadurch ermöglichte Sendung des Heiligen Geistes eine wahrhaft neue Schöpfung von Gott konstituiert wird, und zwar nicht durch die bloße Zerstörung der alten Welt, wie die lutherische Theologie letztlich behauptet, sondern durch die Umwandlung der ersten Schöpfung in der Gnade Christi in „den neuen Himmel und die neue Erde“. Deshalb ist das Pfingstereignis die Reproduktion der Ausgießung des Schöpfergeistes auf einer höheren, übernatürlichen Ebene. Dieser Vorgang hat eine tiefe trinitarische theologische Dimension: Während die Erschaffung der Welt nicht dem Sohn, sondern dem Vater zugeschrieben wird, der die Welt „in Christus“ hervorbringt, wird die neue Schöpfung dem Akt des Sohnes selbst zugeschrieben. Er, in dem die Dinge sind, wird nun unter einer bestimmten Betrachtung zu ihrem neuen Gründer. Aus Liebe zu seinem Sohn eröffnet der Vater, der der grundlose Grund aller Dinge ist, dem göttlichen Sohn, der ewig aus ihm hervorgeht, die Möglichkeit, der Schöpfergott gegenüber dem Menschen zu werden; durch sein Opfer rettet der Sohn den Menschen vor der sündigen Trennung vom Vater und der drohenden Nichtigkeit der Hölle und nimmt uns in seine eigene persönliche Beziehung zum Vater auf. Dies ist das a priori Ziel des Schöpfungsaktes des Vaters selbst. Die Welt wird für und auf den Sohn hin hervorgebracht.

Die Eingliederung der Menschen in Christi eigene Beziehung zum Vater bildet die eigentliche Existenz der Kirche; es ist die in und durch Christus begründete Gemeinschaft der darin begnadeten Menschen mit dem ewigen Sohn. Die Selbsthingabe des Sohnes an den Vater hat uns in sich aufgenommen, so dass wir „Söhne im Sohn“ werden. So wie der Vater dem Sohn die Welt als sein Geschenk gibt, legt der Sohn die von ihm erlöste und in ihm verwandelte Welt dem Vater zu Füßen, damit dieser ihn verherrliche. Die neue Kreatur wird zum Gegengeschenk des Sohnes innerhalb seines eigenen Geschenks an den Vater, der den Sohn wiederum zum Weltrichter macht und ihn zum ewigen Lebensprinzip der neuen Schöpfung ermächtigt: Ihm, Christus, ist alle Gewalt gegeben im Himmel, auf Erden und unter der Erde. Nicht zufällig beschreibt die Offenbarung des Johannes ab dem 21. Kapitel den neuen Himmel und die neue Erde, die bezeichnenderweise als „neues Jerusalem“ bezeichnet werden, als großen liturgischen Kontext, in dem „das Lamm“, d. h. der geopferte Christus, die zentrale Bezugsdimension für uns ist. Die grundlose Grundlage allen Lebens wird uns allein in Christus mitgeteilt. So ist die gesamte Bewegung der Schöpfung und Erlösung ein einheitliches, aber differenziertes Ereignis innerhalb der ewigen Beziehung von Vater und Sohn im Heiligen Geist.

Im Hinblick auf unsere Diskussion der Probleme der modernen Kirche möchte ich zwei Aspekte des oben beschriebenen Erlösungsprozesses hervorheben. Erstens ist die übernatürlich erhöhte Schöpfung eine substantiell neue Schöpfung. Trotz substantieller Kontinuität mit der ersten Schöpfung bildet sie eine neue – ontologisch nicht aus der vorhergehenden ableitbare – Wirklichkeit, auf die die Natur des Menschen innerlich zu ihrer eigenen Vollkommenheit hingeordnet ist, die aber erst in einem zweiten Akt, wiederum völlig frei, von Gott hervorgebracht wird. Das Verhältnis zwischen Urschöpfung und Neuschöpfung, zwischen Natur und Übernatur ist eigentümlich komplex. Es darf keineswegs im Paradigma eines Bruchs beschrieben werden, obwohl es eine echte Zäsur, einen schöpferischen Neuanfang anerkennt: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, Neues ist geworden“ (2 Kor 5,17). Dieser zweite Prozess lässt sich auf der Zeitachse verorten: Er beginnt grundsätzlich mit der Konstitution der „unio hypostatica“ durch den Heiligen Geist im Leib der Jungfrau. In Gott selbst gibt es freilich keine zeitlichen Ausdehnungen; alle Ereignisse auf der Zeitachse sind in ihm gleichermaßen gegenwärtig. Daher sind diese Akte bei Ihm nur logisch unterscheidbar, aber dennoch ist diese Unterscheidung für uns, auf der Seite der Schöpfung, von höchster theologischer Bedeutung.

Der zweite Aspekt hängt damit innerlich zusammen. Aus der Menschwerdung Gottes folgt keineswegs, dass Christus, der die menschliche Natur als die Seine annahm und sie mit der göttlichen Natur vereinigte und sie übernatürlich erhöhte, damit bereits mit jeder einzelnen menschlichen Person vereint ist. Auch die Relevanz dieses Punktes kann nicht überschätzt werden. Ich halte es für höchst gefährlich, wenn Gaudium et Spes in Nr. 22 feststellt: „Denn durch seine Menschwerdung hat sich der Sohn Gottes in gewisser Weise mit jedem Menschen vereint.“ Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass das gesamte Pontifikat Wojtyłas, einschließlich des ökumenischen Furors, der in den Ereignissen von Assisi gipfelte, an diesem einzigen Satz hängt. Schon in Wojtyłas erster Enzyklika, Redemptor hominis, kommt dieser Konzilsaussage eine zentrale Funktion zu.

Die in den Konzilstext eingefügte einschränkende Wendung „in gewisser Weise“ weist freilich auf ein gewisses Problembewusstsein hin. Und tatsächlich legt die Formulierung nahe, die Beziehung des inkarnierten Sohnes als solchen zu allen anderen Menschen im Paradigma der Beziehung zu beschreiben, die Christus als ewige Person des Logos notwendigerweise zu den beiden anderen Personen des einen und selben göttlichen Wesens hat. Aber das verwechselt die Ebenen. Der Satz des Konzilstextes ist viel zu grob; er muss uns in die Irre führen. Ohne an dieser Stelle näher auf den komplizierten Sachverhalt eingehen zu können, nenne ich nur das Ergebnis der notwendigen Unterscheidungen: Christus vereinigt seine Menschheit mit anderen Menschen zu einer mystischen Gemeinschaft erst in einem völlig freien Akt, der der Inkarnation logisch nachgelagert ist. Er vereinigt sich mit denen, die er „aus der Welt erwählt“ hat (Joh 15,19) und die deshalb nach dem vollständigen johanneischen Satz von der Welt gehasst werden (d. h. die Nichterwählten). Diese Vereinigung findet durch die Vermittlung des Heiligen Geistes statt, dessen Sendung an sich schon ein Akt der Erlösung ist; in dieser Sendung wird die Kirche konstituiert, die sowohl das Instrument des Geistes Gottes für die Vereinigung der Menschen mit Christus als auch selbst die mystische Gemeinschaft mit Christus ist. In dieser Vereinigung wird der Reichtum der göttlichen Natur, die die heilige Menschheit Christi erfüllt, in die Gläubigen ausgegossen. Aus diesem Grund kann die Tradition die Menschheit Christi als das ursprüngliche „Sakrament“ beschreiben, dessen konkrete Aneignungsformen für uns die körperlich-sakramentalen Akte der Kirche sind, die Christus selbst uns in der Vermittlung des ordinierten Amtes schenkt, das ihn ontologisch repräsentiert.

Diese Idee entspricht direkt dem anthropologischen Aspekt. Denn analog zur freien Selbsthingabe des menschgewordenen Logos und dem Akt der Gottesmutter, die über ihre menschliche Natur so verfügt, dass der göttliche Logos sich durch den marianischen Akt der Selbsthingabe die menschliche Natur aneignen kann, müssen auch wir unsere menschliche Natur dem Logos zur Verfügung stellen, damit er sie mit seiner Gnade erfüllen kann. Mit anderen Worten: Ob der menschgewordene Gott sich überhaupt mit uns vereinigen kann, hängt wesentlich von unserer freien Selbstverfügung ab. Dass unsere Selbsthingabe an den Logos nicht auf derselben Ebene steht wie seine freie Selbsthingabe an uns, erkennt man daran, dass unser Akt der Freiheit wiederum Ausdruck seiner erwählenden Gnade ist. Die göttliche Gnade der Erwählung geht unserer Freiheit voraus und ist unergründlich imstande, die Zustimmung unserer Freiheit herbeizuführen, ohne sie zu zerstören. Das Sakrament ist dann Gottes Antwort auf unseren verschuldeten Akt des freien Glaubens, in dem wir uns der „Überschattung des Heiligen Geistes“ öffnen, damit er unsere Natur mit der verklärten Menschheit Christi vereinen und sie so in Christus zu einer neuen Schöpfung verwandeln kann. Für sich genommen ist die Inkarnation nur die ermöglichende Bedingung für die tatsächliche Verbindung des inkarnierten Logos mit einzelnen Menschen. Genau hier gilt der berühmte Satz des Angelus Silesius: „Und wenn Christus tausendmal in Bethlehem geboren worden wäre, aber nicht in euch, so wäret ihr ewig verloren.“
Fortsetzung folgt...

Quelle: Vigilius, Rorate Caeli

 

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