Montag, 15. November 2021

Stimmt die Richtung?

A. Gagliarducci kommentiert in seiner heutigen Kolumne in "Monday in the Vatican" die Handhabung der Mißbrauchskrise durch den amtierenden Pontifex und die Entlassung der Sprecherin der französischen Bischofskonferenz, Karine Dalle, nach nur 2 Monaten Amtszeit.
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"PAPST FRANZISKUS, IST DIE RICHTUNG BEIM MISSBRAUCH UNGEFÄHR RICHTIG?"

Sie wurde als "ein freier Geist, der die Kommunikation der Bischöfe leitet" gepriesen. Ihre Unabhängigkeit und Fähigkeit in Krisenkommunikation wurden herausgestellt. Aber am 12. November, wurde Karine Dalle von ihrem Posten als Sprecherin und Untersekretärin der Franzöischen Bischofskonferenz unerwartet entlassen. 

Diese Entscheidung erscheint wie ein Schuß ins Blaue, der nach der Vollversammlung der Französischen Bischöfe in Lourdes passierte, während der diskutiert wurde, wie es nach dem Sauvé -Report weitergehen sollte.

Der Bericht war von der Französischen Bischofskonferenz und der Vereinigung der Ordens-Oberen Frankreichs in Auftrag gegeben worden. Der Kommission CIASE  für den Bericht wurde von Jean-Marc Sauvé , Vizepräsident des Staatsrates, geleitet. Der Bericht versucht abzuschätzen, wie viele Mißbräuche es in Frankreich zwischen 1950 und 2020 gab und kam auf eine Zahl von 330.000 Opfern. Schockierende Zahlen, für Schwester Veronique Magron, die die Vereinigung der Ordens-Oberinnen leitet, sogar "explosiv".

Aber die Zahlen müssen richtig gelesen werden und das ist, worauf Karine Dalle sofort hingewiesen hat. Man müsse berücksichtigen- hatte sie erklärt- daß der Sauvé- Report nur eine Schätzung liefert und nur eine Schätzung von 330.000 Opfern."  Tatsächlich führt die Umfrage -um genauer zu sein- mit 28.010 Personen durchgeführt- zu einer Schätzung von 216.000 minderjährigen Opfern sexueller Gewalt- begangen von Priestern, Diakonen, Mönchen und Nonnen zwischen 1950 und 2020 und nur mit der Erweiterung der Analyse auf alle mit der Kirche verbundenen Personen, kommt man auf 330.000 Opfer. 

"Folglich"- erklärte Dalle- "wurden mehr als ein Drittel der sexuellen Übergriffe in der Katholischen Kirche nicht von Klerikern oder Religiösen begangen sondern von Laien." Sie fügte hinzu, daß das jedoch weder bedeutet, daß die Zahl der Opfer überschätzt wird, noch daß wir uns nicht um die Opfer säkularer Täter sorgen müßten, sondern einfach nur, daß wir die Identität dieser 300.000 potentiellen Opfer nicht kennen, und deshalb noch weniger die Identität ihrer Angreifer. "

Worte von normalem Menschenverstand- inmitten der vom Papst und den Äußerungen der französischen Bischöfe- mit Asche bedeckten Häuptern-verkündeten "Schande". Besonders seit Erzbischof Eric Moulins de Beaufort, Vorsitzender der französischen Bischofskonferenz, sogar von Innenminister Darmanin einbestellt, weil er das Beichtgeheimnis verteidigt hatte, angesichts des Berichts, empfohlen hatte, es -wie es in vielen anderen Fällen passiert ist- zu überdenken. Nach dem Treffen wurde der Erzbischof gezwungen, seine Äußerungen als "ungeschickt" zu erklären. 

In der Vollversammlung wurde sogar noch unterwürfiger entschieden. Die Bischöfe baten den Papst um Hilfe und richteten einen Fond zum Schadensersatz für die Opfer ein, der durch den Verkauf von Gebäuden der Kirche finanziert werden sollte.  Sie wollten Reue und guten Willen zur Überwindung der Seuche des Mißbrauchs zeigen.

Es versteht sich von selbst, daß eine Persönlichkeit wie Dalle, die eine respektable Karriere machte, bevor sie begann die Kommunikation der Erzdiözese Paris zu managen- sich unwohl fühlte. Weil - wie wir an ihren Äußerungen sehen können- ihre Art des Krisen.-Managements nicht ganz unterwürfig war- sondern einigermaßen dynamisch. 

Tatsache ist, daß die Entlassung Dalles ein weiteres verwirrendes Zeichen dafür ist, wie der Hl. Stuhl beschlossen hat, die Mißbräuche zu managen. Und die ist mit der Lage in Deutschland verbunden, wo Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, sich jetzt in einer Zeit der "Rückzugs" und "Beurlaubung" von der Verwaltung der Erzdiözese befindet, wegen etwas, das selbst die Nuntiatur einen "Kommunikationsfehler" nannte, weil kein Bericht irgendeine Vernachlässigung des Kardinals bei der Handhabung der Mißbräuche gefunden hatte. Im Gegenteil. Der Kommunikations-Fehler war auf die Weigerung zurückzuführen, den Bericht über die Reaktion auf die Mißbräuche zu veröffentlichen, der als parteiisch betrachtet wurde. Ein Report, den der Kardinal selbst in Auftrag gegeben hatte.


Stattdessen scheint die Linie zu sein, der Öffentlichen Meinung in allem nachzugeben. und sogar dann zurückzuweichen, wenn das nicht nötig wäre. Es gibt nicht länger die Notwendigkeit oder den Willen, die Kirche zu verteidigen, sondern eher, sie auf den Weg der Buße zu führen. 

Ist das die Linie des Papstes? Es scheint so, weil es Papst Franziskus persönlich war, der die Suspendierung von Kardinal Woelki akzeptiert hat. Und es ist wahrscheinlich, daß die französischen Bischöfe- verängstigt wegen möglicher Auswirkungen der Apostolischen Visitation, die sie verlangt haben, beschlossen haben, mit der Vergangenheit aufzuhören, um zu vermeiden, im Fadenkreuz zu enden. 

Dennoch versäumte Papst Franziskus am Ende des Mißbrauchsgipfels 2019  nicht, in seiner Rede festzustellen, daß einige das Thema Mißbrauch dazu benutzten, um die Kirche anzugreifen- und so die unterwürfige Haltung aufzugeben, die den Gipfel charakterisiert hatte. 

Aber dann war es Papst Franziskus selbst, der gegenüber der Öffentlichen Meinung alles zugab. z. B. mit der spektakulären Einberufung der chilenischen Bischöfe und ihrem Massenrücktritt, nachdem er schließlich beschlossen hatte, den Einfluss zu untersuchen, den der charismatische Mißbrauchspriester Fernando Karadima immer noch hatte  Und es ist Papst Franziskus, der -auf legislativer Ebene- im motu proprio  "Wie eine liebende Mutter" sogar das ernste Verbrechen der "Nachlässigkeit" für Bischöfe vorsieht und in einem überraschenden Schritt das Papst-Geheimnis abschafft (das u.a. auf Mißbrauchsfälle nicht anwendbar ist) 

Wenn der Papst theoretisch und in Statements anerkannt hat, daß die Kirche angegriffen wird, halten in der Praxis die getroffenen Entscheidungen die Kirche in angegriffenem Zustand- wie in einer Buße, aus der man nie herauskommt. Eine Buße, die auch die französischen Bischöfe betroffen haben muß.

Und so hat Karine Dalle, die die Kommunikation der Erzdözese Paris nach dem Feuer in Notre Dame so brillant leitete, nach gerade zwei Monaren ihren Posten verlassen, den sie bei den französischen Bischöfen innehatte. Dann -schließlich- wurde realisiert, daß es bei Krisenkommunikation nicht nur darum geht, Fehler zuzugeben sondern auch darum, die Fakten im Namen der Wahrheit im Kontext zu sehen. Eine Zeit, in der Dalle feststellte, daß-wer immer die Krisenkommunikation managt,-Gefahr läuft, im Strom der political correctness unterzugehen. 

Quelle: A.Gagliarducci, Monday in the Vatican


 

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